Thalmässing
40 Jahre Sehnsucht nach dem Meer

Über 400 Zuhörer an Bord beim Geburtstagskonzert des Seemannschors Thalmässing

07.10.2019 | Stand 23.09.2023, 8:52 Uhr
  −Foto: Karch, Andrea, Thalmaessing

Thalmässing (HK) "Des Seemanns Schatz ist das Meer" - und von diesem Schatz haben die Mitglieder des Thalmässinger Seemannschors am Samstagabend ihren über 400 Zuhörern ein großes Stück abgegeben.

Mit ihrem Konzert zum 40-jährigen Bestehen des Chors haben die Geburtstagskinder ihren Gästen in der überfüllten Turnhalle ein großes Geschenk gemacht.

Ein lautes "wow" entfährt "Käpt'n" Lothar Heymanns, als er von der "Brücke" aus in den Saal blickt. Jede nur erdenkliche Sitzgelegenheit ist besetzt, die Turnhalle ist mit über 400 Besucher proppenvoll. "Mit dem habe ich nicht gerechnet", stapelt er tief, denn wenn der Seemannschor einlädt, kommen ganz viele treue Fans, aus einem weiten Umkreis und jeden Alters. Da sitzen dann die Bewohner des Seniorenhauses Jura neben Mittzwanzigern und schunkeln, was das Zeug hält.

Lange hat der Seemannschor seine treuen Fans auf ein richtig großes Konzert warten lassen - ganze fünf Jahre. Denn ein mehr als zweieinhalbstündiges Konzert gibt es nur zu runden oder halbrunden Geburtstagen. Die Zeit dazwischen können sich die Fans mit Auftritten des Chors bei anderen Veranstaltungen verkürzen, zum Beispiel am Freitag, 18. Oktober, um 15 Uhr und am Sonntag, 20. Oktober, um 14 Uhr, wenn die Seemänner die Nürnberger Fischtage auf dem Jakobsplatz bereichern.

Als Fan des Seemannschors outet sich Bürgermeister Georg Küttinger, der es zu schätzen weiß, dass sich der Chor für die Erhaltung von Brauchtum und Liedgut einsetzt. Ein angenehmer Nebeneffekt: Der Chor macht durch seine Auftritte und Tonaufnahmen Thalmässing auch in der Ferne bekannt. "Das ist ein Alleinstellungsmerkmal. " Er wünscht sich deshalb, dass die Seemänner "noch lange an der Reling stehen".

Dieses Moto "noch einmal an der Reling steh'n" hat sich der Chor für sein Konzert, für das er in den vergangenen Monaten intensiv geprobt hat, gegeben. In all den Jahren sei der Gesang des Chors immer schöner geworden, versichert Landrat Herbert Eckstein mit einem Augenzwinkern, aber "nicht das Bild auf der CD". Die hat der Chor in diesem Jahr neu herausgebracht mit alten Liedern, aber auch neu einstudierten Stücken.

Durch Tage mit stürmischer See, durch Aufenthalte in dunklen Spelunken, durch romantische Nächte mit Sternenglanz und Abschiedszenen am Hafen führt an diesem Abend Altbürgermeister Ernst Schuster, Ehrenmitglied des Chors und eifriger Sänger. Immer geleitet von einem Gefühl - der Sehnsucht nach dem Meer. Dabei plaudert Schuster ein bisschen aus dem Nähkästchen und verrät einiges über die Entstehung der Lieder, aber auch über das Seelenleben der Matrosen. Mit einem Gerücht will er aber unbedingt aufräumen: Matrosen seien nicht treu. Da er diesen Versuch aber mit einem verschmitzten Lächeln startet, wissen die Zuhörer auch jetzt noch nicht sicher, wie es um die Treue wirklich bestellt ist. Zumal die Seemänner auch noch behaupten: "Keine Frau ist so schön wie die Freiheit. "

Die Zuhörer wissen aber jetzt ganz sicher, dass die einzige Liebe des Matrosen das Meer ist. Deshalb bittet der Chor musikalisch den Kapitän, ihn doch mit auf die Reise zu nehmen. Die ist nicht immer nur Abenteuer pur, sondern manchmal auch sehr stürmisch. Deshalb begleiten den Matrosen viele gute Wünsche: "Komm immer wieder gut zurück. " Schon beim zweiten Lied summen und schunkeln die Zuschauer mit, schließlich sind die Melodien und Texte vertraut. Ebenso wie beim "Hamborger Veermaster", dem Lied, das einst beim Segelhissen gesungen wurde und das Käpt'n Lothar Heymanns anstimmt.

Aber nicht nur die Matrosen sind fasziniert vom Meer, auch die Mädchen, die sich in sie verlieben. So wie das Mädchen, das sich in den Capitano verguckt, der mit seinem Schiff weit draußen vorbeifährt. Und sie möchte nur allzu gern mit, von Athen bis San Francisco, von Alaska bis Hawaii. Dafür verspricht sie ihm: "Ich bring dir alle meine Träume, meine Sehnsucht mit an Bord. "

Diese Sehnsucht wird mit Händen greifbar bei der Reminiszenz an das Segelschulschiff Gorch Fock. "Weiß ist das Schiff, das wir lieben, weiß die Segel, die sich blähen. " Und die Seemänner verraten den Wunsch, der sie immer getrieben hat, "hoch vom Mast weit auf die See hinaus zu sehen". Einen anderen Wunsch hat Georg Schüller, der "auf einer Insel irgendwo" seinen Kapitän bittet: "Fahr' doch wieder nach Hamburg, da wartet jemand auf mich. Kapitän, einmal wieder in Hamburg, das wär' das Schönste für mich. " Denn die "Melodien der Meere", diesen Titel trägt auch die neue CD, "tragen uns in die Ferne, aber auch nach Haus'".

In der Großgemeinde Thalmässing zuhause sind 26 der 28 Chormitglieder, wie Ernst Schuster berichtet. Die zwei anderen bekommen "Sängerasyl" in der Gemeinde. Aber auch wenn die Heimat der Sänger mitten in Franken ist, so wissen sie doch ganz genau, von was sie bei den Seemannsliedern singen. Schließlich sind 20 von ihnen tatsächlich zur See gefahren.

Dass Notenwart Ernst Schuster plötzlich davon spricht, dass die Sänger beim Lied "Rolling home", das Solist Lothar Heymanns anstimmt, Noten brauchen, verwundert die Zuhörer. Schließlich ist der Chor dafür bekannt, dass er sein Repertoire von rund 80 Liedern immer auswendig vorträgt. Beim Anblick des dank fleißiger Spender immer gut gefüllten "Notenkoffers" ist den Zuhörern aber schnell klar, was Schuster da verteilt.

Viele alte "Bekannte" stehen auf dem Programm des Abends, aber auch ein ganz neu einstudiertes Lied, in dem die Sänger davon träumen "mit dem Albatros in den Süden zu ziehen". Träume und Erinnerungen spielen auf den weiten Fahrten eine große Rolle. Und wenn Peter Dumser, Georg Schüller und Lothar Heymanns an der Reling stehen, dann wandern ihre Gedanken zurück zu ihrer ersten Fahrt und sie wünschen sich, noch einmal "das Salz auf den Lippen zu spüren und noch einmal all die alten Freunde wiederzusehen". Vor allem der Anblick der alten Windjammern weckt viele Sehnsüchte. Sie "bringen das Fernweh zurück". Und wenn sie vorübersegeln, dann nehmen sie "meine Träume mit". Mit "brennendem Seemannsherz" geht es hinaus aufs Meer, wenn die Sänger "Santiano" anstimmen. Um einen alten Bekannten kommen sie bei ihrem Konzert nicht herum: Freddy Quinn hat unvergessliche Lieder gesungen und den "Jungen von St. Pauli" weltberühmt gemacht. Und er hat auch Zeilen gesungen, die dem Seemannschor nicht mehr aus dem Sinn gehen. "Und die See ist der Schatz der Matrosen" ist einer dieser Sätze, in den alle Sänger einstimmen. Aber nicht nur an Freddy Quinn erinnern die Seemänner, sondern auch an die Beach Boys oder Tom Jones, aber nur, um den Chor in eine Reihe mit ihnen zu stellen. Vollmundig behauptet Ernst Schuster, dass die drei die bekanntesten der über 200 Versionen des Shantys "Sloop John B" in ihrem Repertoire haben. "Nehmt unser letztes Geld, aber lasst doch endlich den Steuermann frei" flehen die Matrosen, die bereit sind, ohne Heuer und Fracht in See zu stechen. Hauptsache es geht endlich nach Haus'.

Erfahrene Konzertbesucher wissen, dass es jetzt nicht mehr lange dauern wird, bis die Seemänner Abschied nehmen von Meer, Wolken, Wind und Sternen und das Schiff im Hafen anlegt und die Sänger von Bord gehen. Deshalb kosten sie jede Minute noch aus und hören mucksmäuschenstill zu, wenn "unser Freddy" Georg Schüller "La Paloma" anstimmt und singt: "Einmal muss es vorbei sein. "

Die Sänger nutzen die Stunde, um sich bei ihrem Chorleiter Reinhold Grimm zu bedanken, der sie so intensiv auf das Konzert vorbereitet hat. Dieser Dank wird vom frenetischen Applaus der Zuhörer unterbrochen, die damit zeigen, dass sich der Wunsch der Sänger erfüllt hat und sie einen guten Eindruck hinterlassen haben.

Ohne Zugaben dürfen die Sänger nicht von der Bühne. Sie versichern den Zuhörern frei nach Freddy Quinn: "Irgendwann, irgendwann gibt's ein Wiederseh'n, irgendwo auf der großen Welt. Du weißt doch: Irgendwann muss ein Schiff mal vor Anker geh'n. Irgendwann gibt's ein Wiedersehn. " Auf dieses Versprechen bauen die Zuhörer und schunkeln und klatschen eifrig mit, als es heißt: "Wir gehören zusammen wie der Wind und das Meer. "

Andrea Karch