Zu Fuß über das gefrorene Meer

Die bewegende Geschichte von Elisabeth Eder

22.05.2020 | Stand 02.12.2020, 11:18 Uhr
Über 9000 Menschen starben, als das Schiff „Wilhelm Gustloff“ abgeschossen wurde. Elisabeth Eder war Augenzeugin, als das Schiff sank. −Foto: dpa

Elisabeth Eder erlebte die Tage des Zweiten Weltkriegs als sechsjähriges Mädchen. Zusammen mit ihrer Familie floh sie von Ostpreußen nach Bayern. Die Hoffnungen der Familie, nach Kriegsende in die Heimat zurückzugehen, erfüllten sich nicht. Heute lebt Eder mit ihrem Mann Bernhard in Dollnstein. Ihre Erinnerungen an das Kriegsende ergeben eine tief berührende Geschichte.

Ich wurde am 4. März 1939 in Ortelsburg in Ostpreußen geboren. Meine Eltern, die beide aus Heilsberg stammten, waren hierher gezogen, als sie heirateten. Zu den wohlhabendsten Familien in der Stadt Ortelsburg gehörten damals wohl die Familien Anders, Fechner und Daum. Daum war der Besitzer der Schlossbrauerei, der Daum'schen Brauerei. Aber mein Vater konnte auch recht zufrieden sein. Er war kein armer Mann. Fast jeglicher Luxus, von dem man damals zu träumen vermochte, stand ihm und seiner Familie zur Verfügung. Als kaufmännischer Leiter der Daum’schen Brauerei verdiente er gut. Er arbeitete, wenn er nicht gerade auf Dienstfahrt in eine der Brauereifilialen war, im „Kontor“. Es war kurz vor Weihnachten 1944, und es herrschte Krieg. Offiziell wurde den Menschen zwar gesagt, dass es keinen Grund zur Beunruhigung gäbe, dass Hitler schon alles im Griff habe, aber die Wirklichkeit sah ganz anders aus. „In Heilsberg seid Ihr sicherer“, meinte mein Vater und brachte seine Familie nach Heilsberg zur Oma, wo sie gemeinsam mit ihr und Hildchen (meiner Tante) und Edeltraud (meiner Cousine), die schon länger hier wohnten (seit mein Onkel in den Krieg musste), Weihnachten feierte.

Dann kam die Nacht vom 1. zum 2. Januar 1945: Entfernte, immer näher kommende Böllerschüsse! Auf! Raus aus den Betten! Schnell anziehen! Aus dem Lautsprecher tönte es: „Heilsberg muss bis spätestens in einer halben Stunde geräumt sein. Dann wird der Übergang über den Schützengraben gesprengt.“ In aller Eile wurde das Nötigste zusammengerafft, was man eben tragen konnte. Hinein in den Opel P4: Mein Vater, meine Mutter, mein Bruder Martin und ich, Tante Hildchen mit Edeltraud und das Gepäck! – Nein, unsere Oma wollte hier nicht weggehen. Sie blieb. Doch Stunden später marschierte sie, den Rodelschlitten hinter sich herziehend, nach Braunsberg. Mit unserem Opel kamen wir zunächst im Schritttempo „recht zügig“ voran. Wir fuhren direkt hinter einem Panzer, der eine gute Spur durch den reichlichen Schnee bahnte. Auch wir waren auf dem Weg nach Braunsberg. Doch durch ständige Bombenangriffe konnten wir dann nur noch ganz langsam vorankommen. Bei jedem Angriff verließen wir das Auto und warfen uns neben der Straße in den Schnee. Als wir schließlich, ich weiß nicht, ob am selben oder am nächsten Tag, abends, es war schon dunkel, Braunsberg erreichten, war die Wohnung der Familie Hohmann bereits überbelegt. Nun begann unsere Herbergssuche. Schließlich wurden wir bei lieben Leuten untergebracht. Dort schliefen wir wie die Heringe in der Dose. Mitten in der Nacht läutete es. Ein Nachzügler kam. Es war meine Oma. Um am nächsten Tag von Braunsberg aus weiterfahren zu können, brauchten wir nun erst einmal Benzin. Doch es war keines zu bekommen. Also mussten wir unser Auto stehen lassen. Meinem Vater gelang es, einen kleinen Kutschenwagen mit einem Gespann Ponypferdchen zu besorgen, aber unter einer Bedingung. Er hatte den Auftrag, mit dem Wagen irgendwelche „Versorgungsgüter“ an die Front zu bringen. Worum es sich dabei gehandelt hat, weiß ich nicht. Auf jeden Fall brachte er noch seine Familie und Hildchen mit Edeltraud nach Heiligenbeil und fuhr dann weiter, um seinen Auftrag zu erfüllen.

Wir fanden in Heiligenbeil bei einer sehr netten Frau für etwa zehn Tage und Nächte Obdach und Verpflegung. Ich war damals sehr krank, hatte Mittelohrentzündung und -vereiterung und hohes Fieber. Aber wir mussten wieder weiter. Meine Mutter setzte mir fünf Mützen auf, und hinaus ging’s bei 30 Grad Kälte. Tante Hildchen zog Edeltraud und ihren Koffer auf einem Schlitten, Mutti zog den Koffer, Martin und mich. Der Fluchtweg auf dem Land in westlicher Richtung war durch einen russischen Vorstoß, der Ostpreußen nach Westen hin abriegelte, unmöglich geworden. Die vielen Flüchtlinge, die sich in Heiligenbeil befanden, zogen in langem Treck zum Frischen Haff. Hier reihten wir uns ein, um über das Meer auf dem zugefrorenen Haff nach Westen zu fliehen. Was da am Weg lag! Alles, was die Menschen nicht mehr tragen konnten und wollten, ließen sie am Wegrand liegen, Besteck und Geschirr und Taschen. Zwischendurch wurden wir Kinder auch auf irgendeinen Leiterwagen, auf dem ein wenig Platz war, gesetzt und durften da ein Stück mitfahren. Die Schlitten wurden hinten an den Wagen gehängt. 

Wie auf dem ganzen bisherigen Weg, brausten auch auf dem Haff immer wieder russische Tiefflieger über uns hinweg und warfen Bomben auf den Treck. Ganze Gespanne versanken mit Pferden und Wagen und Menschen im eisigen Meer. Bei dem strengen Frost, der damals herrschte, fror gleich wieder eine Eisschicht darüber, der man es vor allem nachts nicht ansah, dass sie vielleicht noch dünn war. Einmal wären meine Mutter und Tante Hildchen beinahe auf eine solche Stelle getreten, hätte sie nicht ein Polizist angeschrien: „Ihr wollt wohl da ersaufen!“ (Was wäre aus uns Kindern auf dem fremden Wagen geworden?) Mutti, Tante Hildchen und wir Kinder gingen in Kahlberg „an Land“, um etwas zum Essen und Trinken zu kaufen. Dort war ein Bäckerladen, vor dessen Tür eine lange Schlange wartender, hungriger Menschen stand. Die Bäckersfrau ließ immer wieder einige herein, schloss die Türe zu, während sie bediente, und ließ dann die einen wieder hinaus und die Nächsten herein. Als wir gerade im Laden standen, noch ehe wir dran waren, schaute meine Mutter zufällig durch die Glastüre hinaus und sah meinen Vater mit dem Pferdegespann langsam im Treck vorbeifahren. Sie schrie wie eine Verrücktgewordene: „Mein Mann! Mein Mann! Lassen Sie mich raus!“ Die Bäckersfrau schloss tatsächlich sofort auf. Mutter rannte Vaters Wagen nach, und so hatten wir uns wiedergefunden. Welch unfassbares Glück in all dem Elend! Mutti und Tante Hildchen konnten sich kaum noch auf den Beinen halten. Endlich durften sie sich wieder auf den Wagen setzen.

xMit dem Wagen und den Pferdchen ging’s nun weiter Richtung Danzig. Von Danzig aus wollten wir versuchen per Schiff weiterzukommen. Mutti und Tante Hildchen gingen – mit Zigaretten zur Bestechung (woher sie diese in größeren Mengen hatten, weiß ich nicht) – zum Hafen. Sie wurden zum Freihafen geschickt. Vor Anker lag ein großes Lazarett-Schiff, die Gustloff. Mit diesem Schiff wollten wir mitfahren. Der Kapitän des Schiffes empfing die beiden Damen persönlich, die in Pelzmäntel gekleidet trotz aller Strapazen immer noch recht vornehm wirkten, und war sehr höflich und freundlich. (Wie hatten sie’s nur angestellt, überhaupt so weit zu kommen?) Doch der Kapitän musste leider bedauernd ablehnen, da sein Schiff schon jetzt  überladen sei. Aber es fahre zur Begleitung ein kleiner Tanker (ein Torpedo-Suchboot) mit, dessen Kapitän er sehr gut kenne. Sie sollten ihm einen schönen Gruß ausrichten und in seinem Namen bitten mitgenommen zu werden. Sie müssten sich sehr beeilen, da noch am selben Abend abgelegt werden sollte... Und wie sie sich beeilten!

Dieser andere Kapitän war ein brummiger Kerl. Der hätte uns ohne die gute Empfehlung niemals mitgenommen. So aber konnten wir bei einsetzender Dunkelheit (es durfte nicht auffallen und von anderen bemerkt werden) an Bord gehen. Unsere Koffer waren groß, sehr voll und sehr schwer. Vor allem Frau Hohmanns Koffer war von einer Frau allein gar nicht zu heben. Sie hatte zu Hause eine Metzgerei, und der Inhalt ihres Koffers war entsprechend. Beim Betreten des Schiffes wurden uns unsere Koffer freundlicherweise gleich abgenommen und in einen „verschlossenen, sicheren Raum“ gebracht. Außer der Schiffsbesatzung und uns waren nur noch wenige Leute an Bord. Das war Ende Januar 1945. Ein paar Tage (wie lange genau, weiß ich nicht mehr) fuhren wir neben der großen Gustloff her. Mein Vater und ich standen oft an der Reling, während die anderen alle seekrank in der Kajüte lagen, und bestaunten das schöne Schiff mit den vielen Menschen an Bord.  Wir befanden uns vor Stolp, es war am 30. Januar 1945. Die Gustloff wurde von russischen U-Booten in der Dunkelheit torpediert. Dabei fiel auf der Gustloff die gesamte Stromversorgung aus. Wie lange es dauerte, bis das Schiff – plötzlich wieder hell erleuchtet – ganz schnell in den Fluten versank, weiß ich nicht mehr. Mein Vater und ich standen wieder an der Reling. Er hat mit seinen Händen mein Gesicht von der Gustloff und den schreienden Menschen im Wasser weggedreht und an sich gedrückt. „Schau nicht hin!“, rief er mir ins Ohr.

Es war ja fast nichts zu verstehen. Ein großes Brausen habe ich irgendwie in Erinnerung. Auch meinte ich, das plötzliche Licht auf der Gustloff sei Feuer. (Von diesem Bild habe ich später immer wieder geträumt.) Das Schiff ging mit 6000 Menschen (oder noch mehr), Flüchtlingen und Soldaten, unter. (Unser „Begleitboot“ war ja eigentlich ein Torpedosuchboot. Aber die entsprechende Technik war ausgefallen. Die U-Bootortungsanlage war vereist und nahm deshalb keine Reflexe auf). Kaum wage ich daran zu denken, dass wir eigentlich mit diesem Schiff mitfahren wollten. Hier auf unserem kleinen Tanker „Löwe“ feierte ich, am 4. März, meinen Geburtstag mit ein paar Rippchen Schokolade und einem Krapfen aus der Schiffsküche. (Was die hier für gute Krapfen backen konnten!). Nach ein paar Tagen gingen wir in Svinemünde von Bord. Als uns dort unsere Koffer ausgehändigt wurden, rief Frau Hohmann: „Kinder, mein Koffer ist leer!“ Auch alle anderen Koffer waren „erleichtert“ worden. Das waren wohl jene besagten „Ratten“, von denen ein Schiffsjunge einmal erzählte (und mit Frau Hohmanns Schmalz konnten die gute Krapfen backen....).

Als Ziel unserer Flucht hatten wir uns Planegg bei München gedacht. Dort wohnten Tante Hildchens Geschwister mit ihrer Mutter. Doch als wir nach Planegg kamen, lag das ersehnte Haus in Trümmern. Es war einem Bombenangriff zum Opfer gefallen. Tante Hildchens Mutter wohnte nun bei Nachbarn. Tante Hildchen konnte dort vorübergehend unterkommen und auch wir für ein paar Tage. Alle fünf Familienmitglieder fuhren mit dem Zug von Planegg nach Aichach. Zusammen mit einer Familie aus Schlesien waren wir die ersten Flüchtlinge im Kreis Aichach. In der Aichacher Turnhalle blieben wir eine Nacht. Von Aichach aus fuhren wir zu unserm Ziel, nach Gundelsdorf, hinten auf dem Milchauto (einem Holzvergaser-Lastwagen) sitzend, vorbei an vielen Haltestationen, an denen leere Milchkannen abgeladen wurden. In Gundelsdorf angekommen, zeigte man uns den Weg zum Bürgermeister. Der empfing uns höflich und freundlich. Im Ort selber aber hatte er kein Quartier für uns, die ersten Flüchtlinge in diesem Dorf.

Eineinhalb Kilometer von Gundelsdorf entfernt lag der Einödhof Koppenzell. Mit der Bäuerin dieses Hofes hatte der Bürgermeister Streit. Da tat es ihm gut, dieser Frau eins auswischen zu können, indem er uns auf ihren Hof schickte. Er stellte uns einen Leiterwagen mit einem Pferdegespann zur Verfügung. Ein Knecht musste uns mit unseren paar Habseligkeiten nach Koppenzell bringen. Uns war alles recht. Wir wollten nur endlich zur Ruhe kommen. Am 1. April 1945 kamen wir gegen Mittag im hellen Sonnenschein auf einem Leiterwagen sitzend in Koppenzell an. Dies war ein großer Bauernhof. Aber wir wurden nicht etwa ins große Bauernhaus, ins Wohnhaus geführt. Nein, auf der linken Seite des Hofes zwischen Wagenremise und Geräteraum war ein Gebäude mit zwei „Wohnungen“. Die Räume  Nr. 3 und 4 wurden bereits seit einigen Wochen von Frau Hofmeier mit ihren beiden schon etwas größeren Kindern bewohnt, da sie in München ausgebombt worden waren. Die Räume Nr.1 und 2 bekamen wir. Zuerst betrat man den Raum Nr. 1 mit Fliesenboden, altem Herd und etwas Stroh. Von dort gelangte man in den Raum Nr. 2 mit kaputtem Bretterboden und Loch in der Decke, durch das man das Heu vom Dachboden oben heruntergezogen hat. Etwas Heu und Stroh, das war alles in diesem Raum. Das konnte man aber beim ersten Betreten dieser Räume fast nicht sehen.

Man konnte es nur erahnen durch das wenige Licht, das durch die Ritzen der Pappe, die an die Fenster genagelt war, hindurchdrang. Glasscheiben gab’s hier wohl schon lange keine mehr. Auch Türschlösser fehlten. Man hängte die Türe mit einem Schnürlein an einen Nagel an.  Ach wäre doch einer an diesem 1. April gekommen und hätte gerufen: „April, April! - Alles nur ein Traum!“ Aber es war kein Traum. Es war traurige, düstere Wirklichkeit. „Mutti, wohin soll ich mich setzen?“ fragte ich. „Setz dich auf den Fußboden!“, antwortete Mutti mit erstickter Stimme und Tränen in den Augen. „Lass man gut sein, Käthe“, meinte Oma „wir gehen doch bald wieder nach Haus!“ Diese Hoffnung ließ sie aufrecht stehen und nicht verzweifeln. Irgendwoher bekamen wir in den nächsten Tagen ein Bettgestell und ein paar Wolldecken. In dieses Bett kam viel Stroh. So hatten Oma und ich in der Küche unsere Schlafgelegenheit. Vati, Mutti und Martin lagen in dem anderen Raum auf dem Fußboden auf Stroh. Unser Klohäuschen stand einige Meter außerhalb des Hofes, Richtung Wald...  Meine Eltern und die Oma mussten auf dem Bauernhof mitarbeiten. Dafür bekamen sie etwas zu essen und freies Wohnen. Oma schlich sich jeden Tag ganz früh aus unserem gemeinsamen Bett, um zum Melken zu gehen. Ihr machte das nichts aus. Sie war in der Landwirtschaft aufgewachsen. Doch was war das für meine Eltern? – Es fehlte uns an allen Enden. Wir hatten wenig zum Essen und Trinken. Oma machte Kaffee aus getrockneten, gerösteten und dann gemahlenen Rübenschnitzeln. Aufs Brot wurde Sirup gestrichen, den Oma aus Zuckerrüben bereitete. Aus Milch, die sie alle Tage fürs Melken bekam, machte sie Käse. Käse und Pellkartoffeln, Pellkartoffeln und Käse waren herrliche Mittagessen. 

Vor allem für uns Kinder fehlten Kleider. Wir hatten auch kaum Geschirr oder Schüsseln. Frau Hofmeier,die ausgebombte Frau aus München, die selbst nicht viel hatte, schenkte uns Besteck und sonst noch einiges von ihrem Wenigen. Vater hatte eine Aktentasche auf die Flucht mitgenommen, die er stets bei sich trug. Alles, was da drin war, war ihm geblieben, vor allem Papiere, seine Orden und ein guter Fotoapparat. Diesen Fotoapparat verkaufte er einem Amerikaner für Geld und Lebensmittel (was für uns fast so viel wie heute „sechs Richtige im Lotto“ bedeutete). Aber auch davon konnten wir nicht lange leben. Mein Vater machte sich von nun an  auf den Weg in die umliegenden Dörfer. Auf dem Rücken hatte er einen  Rucksack mit etwas Werkzeug, das er sich gekauft hatte. Er ging von Haus zu Haus und bot seine handwerklichen Dienste an: Er reparierte alte Nähmaschinen, Waschzuber aus Holz, Gartenzäune, Schuhe, Möbel und was sonst anfiel.

Er schnitt Obstbäume und schliff Scheren, war gar manchem sympathisch, hörte dessen Geschichte an und erzählte aus seinem Leben. Wenn er abends heimkam, war der Rucksack oft, aber nicht immer, gefüllt mit Lebensmitteln wie Speck und Eier, Brot und Schmalz, Mehl und Butter und Zucker, einem Stückchen Stoff und anderen Dingen. Manchmal brachte er etwas Geld oder ein paar Bretter und Nägel mit. Er versuchte Arbeit in seinem erlernten Beruf zu finden. Aber in allen Brauereien wurde er abgewiesen. Einmal sagte man ihm: „Einen Preußen wollen wir nicht.“ Wie hatte sich doch die Welt verändert! In Ortelsburg das wohlgeordnete, sorgenfreie Leben und nun diese Armut und Not! Im Herbst 1945 kam ich in die Schule. Die Sandalen, die ich auf meinem Schulweg trug, hatte mir mein Vater aus seiner alten Aktentasche genäht. Frau Hofmeier hatte einen Volksempfänger. Den dazugehörigen Kopfhörer lieh sie uns. Wir hängten ihn in der Küche an die Wand und verbanden ihn durch ein langes Kabel, das wir in die Wohnung von Frau Hofmeier führten, mit dem Radio. Immer, wenn der Radioapparat eingeschaltet war, hatten auch wir Verbindung mit der großen, weiten Welt. Als durch diesen Kopfhörer die Nachricht vom Ende des Krieges kam, am 8. Mai 1945, war unsere Freude groß.