Eichstätt
Zeichnung und Experiment im Dialog

Professur für Klassische Archäologie und Rupert Fieger stellen in der Uni-Hofgartenbibliothek gemeinsam aus

13.07.2021 | Stand 23.09.2023, 19:44 Uhr
Eindrücke davon, wie sich die harte Arbeit der antiken Handwerker gestaltete, bietet Rupert Fieger in dieser Zeichnung, in der der Kopf der Athena in einem Kraftakt hochgehoben wurde. In der Ausstellung kann der Besucher spannende Einblicke in den Bronzegussprozess nehmen, wie hier ein mit Bronze ausgegossener Kopf mit Tonresten, dessen Distanzhalter und Gusshaut noch nicht entfernt waren (rechts) und ein fertig bearbeiteter geglätteter Bronzekopf. −Foto: Luff

Eichstätt - Was passiert, wenn die Klassische Archäologie einen Eichstätter Künstler engagiert, um den Bronzeguss einer heute zerstörten, ursprünglich aber neun Meter hohen Athene-Statue zu rekonstruieren und die dazu nötigen Arbeitsvorgänge zeichnerisch festzuhalten?

Eine kongeniale Symbiose aus Kunst und Wissenschaft, die so nur in Eichstätt möglich scheint. Die hochkarätige Ausstellung in der Hofgartenbibliothek, dem Schnittpunkt zwischen Stadt, Universität und Tourismus, bietet Sehenswertes zur Monumentalstatue der Athene Promachos in Schrift und Bild, in Film und Exponat, in Zeichnung und Schautafel.
Konzipiert wurde die Ausstellung von Gerhard Zimmer, dem Emeritus der Professur, und Stefanie Becht, seit 2020 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Projekt "Gerasa. Bronzewerkstatt", die in Nordjordanien nach den Spuren antiker Bronzegusswerkstätten und den dort entstandenen Kunstwerken forscht. Eröffnet wurde sie durch Zimmers Nachfolgerin auf der Professur, Nadin Burkhardt, bevor Gerhard Zimmer und Stefanie Becht das Wort die Entstehungsumstände der außergewöhnlichen Schau erläuterten.
Antike Bronzestatuen aus dem fünften vorchristlichen Jahrhundert gelten heute als technische Meisterwerke, deren komplexe Entstehung bislang nicht vollständig entschlüsselt ist. Wichtige Hinweise auf die Arbeitsweise der antiken Bronzegießer, die mit allen Mitteln versuchten, den Herstellungsprozess selbst zu verschleiern, findet man heute aber in Ausgrabungen von Gießwerkstätten, wie etwa jener am Südhang der Akropolis, in der Gerhard Zimmer Tonfragmente fand, die eindeutig auf den Guss der zerstörten Statue der Athener Stadtgöttin hinweisen.
Die monumentale Athene-Statue des Bildhauers Phidias wurde zwischen 465 und 455 vor Christus hergestellt und stand 800 Jahre lang auf der Akropolis, bevor sie von Kaiser Konstantin ins heutige Istanbul transportiert wurde und dort im 13. Jahrhundert ein unrühmliches Ende fand: Sie wurde bei einem Volksaufstand vom Mob zerstört. Jahrhundertelang sah man die Athene Promachos daher als unwiederbringlich verloren an, bis in jüngster Zeit wissenschaftliche Methoden und Experimente entwickelt wurden, mit denen man durch die gefundenen Tonfragmente vom Guss der Statue die Arbeiten in der Werkstatt und das ursprüngliche Aussehen der bronzenen Athene weitgehend rekonstruieren konnte.
Weitgehend bedeutet, dass stets ein Freiraum für Interpretationen bleibt - und hier tritt die Kunst auf den Plan und füllt die Leerstellen, welche die Archäologen und Materialwissenschaftler trotz der akribischen Experimente nicht vollständig lösen konnten. Im Eichstätter Fall heißt der Künstler Rupert Fieger und verfügt auch über praktische Erfahrungen - etwa beim Guss der Glocke der Schutzengelkirche 2012 in Karlsruhe.

Gerhard Zimmer betonte vor allem die Diffusität von Fiegers Zeichnungen im Detail, die gerade dort auf künstlerische Freiheit setzen, wo wissenschaftlich nicht alles rekonstruierbar ist. Konkret dienten Fiegers Zeichnungen dazu, die einzelnen Arbeitsschritte zusammenzuführen.
In der Ausstellung selbst reihen sich Fiegers Zeichnungen auf der linken Seite im langen Gang des Schattner-Baus und dokumentieren so die Etappen im Bronzeguss der riesigen Statue - von der Einrichtung des Werkplatzes über die Versenkung der Steinblöcke in der Gießgrube und die Anfertigung der Ton- und Wachsformen bis zum Aufbau des Formmantels, zur Tiegelheizung und zum ersten Rohguss.

Dabei wurde die riesige Statue nicht als Ganzes gegossen, sondern in Einzelteilen - vom Rumpf und den Extremitäten bis zum helmbewehrten Kopf. Ihre Wirkung auf den antiken Betrachter muss mit Helm, Lanze und Schild gewaltig gewesen sein.
Auf der rechten Flurseite beeindrucken die Schautafeln und Exponate, welche die Experimente, Ergebnisse und materiellen Funde des griechischen Bronzegusses der letzten rund 30 Jahre dokumentieren. Daher betonte Stefanie Becht zu Recht, dass es sich eigentlich um zwei Ausstellungen handelt: Neben Fiegers künstlerischer Dokumentation stehen die materiellen Befunde der Archäologen, ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse und Experimente, die in die Zukunft weisen.

EK

Robert Luff