Eichstätt
Wieder kein Weltuntergang

Professor Ulrich Walter ist als Astronaut berühmt geworden, in Eichstätt sprach er über die Zukunft

31.10.2019 | Stand 23.09.2023, 9:14 Uhr
Willkommen in der Zukunft: Professor Ulrich Walter von der TU München hielt die Spiegelsaalrede des KEB zum Thema "Zukunft X.0". Auf kurzweilige Art und Weise stellte er dar, dass man mit Prognosen vorsichtig umgehen sollte. −Foto: Meßner

Eichstätt (EK) In seiner unnachahmlichen Art und Weise soll der Komiker Karl Valentin einmal gesagt haben: "Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen.

" Auf dieses Fazit lief auch die Spiegelsaalrede von Professor Ulrich Walter am Mittwochabend hinaus. Das Thema lautete "Zukunft X. 0", das Kolping-Erwachsenen-Bildungswerk hatte eingeladen.

Walter ist berühmt geworden, weil er von 1987 bis 1994 dem deutschen Astronautenteam angehörte. Er war 1993 Mitglied der deutschen Spacelab-Mission und wurde zum fünften Deutschen im All. Heute lehrt und forscht er am Lehrstuhl für Raumfahrttechnik an der Technischen Universität München.

Walter begann seinen Vortrag über die Zukunft mit einem Blick in die Vergangenheit. Und der war ziemlich düster. "Die Zukunft endet in der Katastrophe", fasste Walter die vorherrschende Meinung damals zusammen. Biblische Sintflut, Apokalypse, Jüngstes Gericht, selbst Martin Luther hat zu seinen Lebzeiten drei Mal den Weltuntergang prophezeit. Diese Vorhersagen sind offensichtlich genauso wenig eingetroffen wie die der bekannten TV-Astrologin Elizabeth Teissier, die den Weltuntergang zum 1.1.2000 wähnte, und die Welt drehte sich auch nach dem Ende des Maya-Kalenders am 21.12.2012 weiter.

Walter sprach von einer tief sitzenden Zukunftsangst, die typisch für unsere Kultur sei. Während man sich in Asien oder auf dem amerikanischen Kontinent auf die Zukunft freut und zuversichtlich nach vorne blickt, herrsche in unserer Kultur eine gewisse Skepsis vor. Das gelte auch heute noch - siehe die düsteren Szenarien zum Klimawandel.

Immer wieder unterfütterte Walter seinen kurzweiligen Vortrag mit Beispielen, streute Anekdoten ein und schaffte es spielend, das eher abstrakte Thema Zukunft anschaulich und humorvoll zu präsentieren. Beinahe schon genüsslich zitierte er Albert Einstein, der keine Anzeichen sah, dass die Menschheit jemals die Atomenergie würde nützen können. Und von Bill Gates könnte man erwarten, dass er sich mit Informationstechnologie auskennt. Er hielt das Internet allerdings nur für einen Hype. Und Walter erwähnte den damaligen IBM-Chef Thomas Watson, dessen Unternehmen bis heute unzählige Computer verkauft hat. Er war es, der prognostizierte, dass es einen Weltmarkt für vielleicht fünf Computer gebe. Und schließlich Gottlieb Wilhelm Daimler, der um 1900 meinte, dass die weltweite Nachfrage an Autos eine Million nicht überschreiten werde.

"Die Zukunft ist nicht vorhersehbar", stellte Walter am Ende dieser falschen Prognosen fest. Doch woran liegt das? "Wir blicken in die Zukunft mit der Brille der Vergangenheit", lautet eine Antwort. Aus damaliger Sicht seien die Prognosen alle vernünftig gewesen, so Walter. Autos etwa seien so komplex gewesen, dass man einen Chauffeur dazukaufen musste. Und Daimler ging davon aus, dass der Markt für Chauffeure etwa eine Million Arbeitskräfte hergeben würde. Dass heutzutage jeder einen Führerschein machen kann, sei nicht absehbar gewesen.

Die Fehleinschätzungen namhafter Experten sogar auf ihren Spezialgebieten sind praktisch endlos. Walter zitierte noch einige von ihnen. Fachleute sagten voraus, dass bis Ende der 1970er-Jahre Maschinen den Menschen aus jedweder Arbeit verdrängt haben werden oder dass Computer perfekte Übersetzungen anbieten könnten. Diesen Aspekt griff Walter gleich einmal auf und demonstrierte zur Belustigung aller, dass der aktuelle Google-Übersetzer eher humorvolle denn richtige Übersetzungen liefert.

Künstliche Intelligenz sei ein wichtiges Forschungsfeld, sagte Walter, nur um im nächsten Atemzug hinzuzufügen: "Wird aber grundsätzlich überschätzt. " Der Maßstab sei für ihn eine Kfz-Werkstatt. Er hat noch nirgendwo gesehen, dass eine Maschine oder ein Roboter ein Auto repariert. Erst wenn das der Fall sei, nehme er die Befürchtungen ernst. "Vorher würde ich mir keine Sorgen machen", schloss Walter.

Im letzten Teil seiner Ausführungen beschäftigte er sich tatsächlich mit der Zukunft. Aus wissenschaftlicher Sicht ist die Zukunft ein chaotisches System. Das heißt, kleinste Veränderungen im Anfangszustand können unvorhergesehene gravierende Folgen haben. Langfristig sei die Zukunft also "prinzipiell ungewiss", so das Fazit von Walter.

Er persönlich halte es da mit Perikles, dem berühmten Staatsmann in der griechischen Antike. "Es kommt nicht darauf an, die Zukunft zu wissen, sondern auf sie vorbereitet zu sein. "

 

KOLPING

Bevor Professor Ulrich Walter von der TU München seine Spiegelsaalrede „Zukunft X.0“ hielt, begrüßte die Kolping-Diözesanvorsitzende Eva Erhard die Gäste. Sie brachte den Gästen den   Katholischen Sozialverband Kolping näher,  berichtete von  mehr als 6000 Mitgliedern im Bistum Eichstätt, organisiert in mehr als 30 Kolpingfamilien. Kolping setze sich dafür ein, junge Menschen zu fördern, sagte Erhard. Ein weiterer wichtiger Aspekt sei das lebenslange Lernen, das sich im Kolping-Erwachsenen-Bildungswerk spiegle. Nachdem die Kolpingbewegung ohnehin unter dem Stichwort „Kolping upgrade“ über den richtigen Weg in die Zukunft diskutiert, habe man mit Professor Walter einen Experten geholt.
Der Vorsitzende des Erwachsenen-Bildungswerks Eichstätt, Adelschlags Bürgermeister  Andreas Birzer, leitete  das Thema ein. Die Zukunft habe  die Menschen schon immer beschäftigt, sagte Birzer. Und tut es auch noch heute – Stichwort Klimawandel.    Waren es früher Propheten und Wahrsager, die Hochkonjunktur hatten,  seien es heute vielfach Wissenschaftler, die ihre Vorstellungen über die Zukunft verkaufen. 

Markus Meßner