"Wie herrlich, wie rein und wohlklingend"

29.05.2009 | Stand 03.12.2020, 4:55 Uhr

Gewerbeausstellung 1890 in der Johanniskirche: Uhrmachermeister Otto Müller (links) und Glockengießermeister Martin Kopfmüller, der die ausgestellte Glocke gegossen hatte. ? Reproduktion: je

Eichstätt (EK) Es ist schon erstaunlich: Bis 1952 waren im Anwesen des Glockengießers Kopfmüller in der Luitpoldstraße 35 noch die Grube und die Form zum Gießen von Glocken vorhanden. Erst um diese Zeit ist das Zeugnis alter und hochstehender Handwerkskunst eingefüllt worden.

Vielen Eichstättern und Landkreisbürgern ist heute noch der Glockengießer Martin Kopfmüller, zumindest dem Namen nach, in Erinnerung.

Der erste Martin Kopfmüller kam am 7. Juni 1840 in Hohenwart zur Welt und ließ seine Glockengießerei in den Gewerbekataster der Stadt Eichstätt am 26. August 1872 eintragen. Als Herkunftsort gab er Erding an. Er war zunächst Geschäftsführer der Glockengießerei Joseph Leonhard am Zwinger; nach dem Tod Leonhards richtete er seine eigene Glockengießerei ein. Er schuf 148 Glocken, von denen viele heute noch im Eichstätter Land erklingen. Der Meister stellte auch kleine Gegenstände her, wie Bier- und Wasserhähne sowie Ventile. Obendrein belieferte er in den Gründungsjahren die Freiwilligen Feuerwehren mit Spritzen und Löschgeräten.

Sein Sohn, der letzte Eichstätter Glockengießer Martin Kopfmüller, geboren am 11. November 1871 in München, hat von seinem Vater wohl die Kunst erlernt, er hat aber nur noch eine Glocke gegossen. Sie wog 16 Zentner, war sein Gesellenstück, und kam nach Titting. Das Geschäft war 1902 auf Installationsarbeiten umgestellt worden. Selbst im hohen Alter stand Kopfmüller II noch gerne in der Werkstätte und half seinem Sohn. Am Sonntag war er auf dem VfB-Platz zu finden, wo er mit seiner Mannschaft sich freute und bei Niederlagen litt. Am 5. Juli 1959 ist der letzte Eichstätter Glockengießer gestorben. Martin Kopfmüller III war Installateurmeister.

Am 10. April 1884 meldete die Heimatzeitung: "Wohl keiner, der am Mittwoch das bischöfliche Palais passierte, konnte es sich versagen, einige Minuten der Betrachtung des herrlichen Geläutes zu widmen, das aus der Gießerei unseres rühmlichst bekannten Mitbürgers, Herrn Martin Kopfmüller, hervorgegangen ist, und durch den hochwürdigsten Herren Bischof geweiht wurde. Mit Wohlbehagen und sichtlicher Befriedigung ruhten aller Augen auf diesen kunstvollen Schöpfungen." Im selben Jahr goss Kopfmüller auch drei Glocken für Wolkertshofen. Der Berichterstatter schwärmte: "Wie herrlich, wie schön, wie rein, mild und wohlklingend ertönte harmonisch der a-Moll-Akkord." – Bischof war von 1867 bis 1905 Franz Leopold Freiherr von Leonrod.

ANNO DAZUMAL

Glockengießer waren angesehene Leute. Der Eichstätter Stadtforscher Franz von Hofer hat ihre Namen in einem Beitrag verewigt. Danach waren die Glockengießer im 18. Jahrhundert zugleich Geschützgießer und Zeugwarte. Hofer fand im Jahr 1711 den Gießer Bernhard Stapf, der für acht Gulden und zwei Klafter Holz jährlich die Aufsicht über die Feuerspritzen von Eichstätt übernommen hatte. Die Zeugwartstelle wurde 1801gestrichen.

Im Jahr 1796 hatte der fürstliche Geschütz- und Glockengießer Josef Anton Stapf, die Jungfrau Anna Maria Ginter geheiratet. Seine Gießerei befand sich damals schon Am Zwinger im Haus C 282. Josef Stapf ist im Februar 1832 gestorben. Seine Witwe dankte im "Intelligenzblatt": "Für die gütige Begleitung der sterblichen Hülle meines Gatten, des bürgerlichen Glockengießers, zur Ruhestätte."

In Eichstätt folgten die Glockengießer Ignatz Friedrich Pascolini, Rupert Gugg, Valentin Jäger, Joseph Leonhard und Georg Pfeifer und schließlich Martin Kopfmüller mit der Glockengießerei im Haus Luitpoldstraße 35. Das war damals laut Adressbuch von 1891 die Hausnummer C 285a mit dem Straßennamen "Zur alten Glockengießerei", heute Am Zwinger.

Übrigens gab es bis 1957 in Eichstätt auch noch die "Glockengasse", die aber mit der Gießerei nichts zu tun hatte: An der Gasse, der heutigen Winkelwirtsgasse und Leuchtenbergstraße, befand sich einst das "Gasthaus zur Glocke".

Interessant ist ein Blick in die weiter zurückliegende Geschichte. Danach besteht ein Zusammenhang der Eichstätter Glockengießer mit der heutigen, seit Jahrhunderten bestehenden Glockengießerei Perner in Passau. Ein Matthias Perner hat nämlich am 30. Dezember 1729 Maria Ursula, die Witwe des Glockengießers Johann Bernhard Stapf von Eichstätt, geheiratet. Ihr Mann war im Besitz der Gießerei, die von dem Neuburger Wolfgang Wilhelm Schelshorn 1701 gegründet und geleitet worden war.

Um die Wende zum 20. Jahrhundert war es in Eichstätt Schluss mit der Kunst, die Friedrich Schiller im "Das Lied von der Glocke" so anschaulich schildert. So heißt es darin: "Von der Stirne heiß – Rinnen muss der Schweiß – soll das Werk den Meister loben – Doch der Segen kommt von oben". Und dann: "Kocht des Kupfers Brei – Schnell das Zinn herbei - Dass die zähe Glockenspeise – Fließe nach der rechten Weise."