Eichstätt
Wie Parolen Massen an Wählern mobilisieren

Zum Wintervortrag des Anglisten Thomas Hoffmann über "Die Sprache des Populismus"

05.12.2018 | Stand 02.12.2020, 15:05 Uhr

Eichstätt (buk) Kann man das Phänomen des Populismus auch aufgrund seiner Sprache näher fassen?

Lässt sich zeigen, ob populistische politische Rhetorik gleichbedeutend mit Volksverhetzung ist, ob Populisten automatisch Demagogen sind? Um Fragen wie diese ging es im Wintervortrag von Thomas Hoffmann von der Katholischen Universität, der als Sprachwissenschaftler "Die Sprache der Populisten" untersuchte.
Um solche Fragen zu klären, erläuterte der Referent zunächst den theoretischen Rahmen der kognitiven Linguistik, die von der Idee ausgeht, dass menschliches Sprechen immer verzahnt sei mit enzyklopädischem Wissen, es komme stets auf die Perspektive des Sprechers an. Worte wie "Flüchtling", "Asylbewerber" oder das Schimpfwort "Migrantenpack" etwa bezeichnen letztlich dieselbe Personengruppe, zeigen aber ganz unterschiedliche Perspektiven der Sprecher auf, es komme auf den "frame", den Rahmen, an: "Die sprachliche Kodierung verweist auf die kognitive Interpretation. "

In der US-Politik spiele etwa der "Father-Frame" eine große Rolle, den sich Trump zunutze machte, womit er unterschiedliche Wählergruppen zusammen führte: "Ein Vater handelt strikt, schnell und einfach. Die Probleme sind aber eben oft diffiziler. " Während öffentliche Rede und demokratische Kommunikation auf Aushandeln angelegt seien, poche populistischer Sprachgebrauch auf "unbedingte Gültigkeit" der eigenen Aussagen. Die AfD bemühe dazu oft den "gesunden Menschenverstand" als Grundlage für Entscheidungen. Doch ist der Griff zu einfachen Lösungen bei komplexen Problemen nur bei Populisten zu beobachten?
Das verneinte der Referent: Knappe und vereinfachende Parolen finden sich eben nicht nur bei Populisten, so Thomas Hoffmann: Auch Sätze wie "Die Rente mit 67 ist natürlich alternativlos", so Angela Merkel im Jahr 2007, oder "Wir schaffen das" aus dem Jahr 2015 zählen unter diese Rubrik. Anhand eines amerikanischen Zitats über das "Rückgrat unserer Wirtschaft" zeigte Hoffmann auf, wie ein ursprünglich kreativer Sprachgebrauch, der verschiedene Assoziationen zusammenführe, durch massiven Gebrauch in der politischen Sprache auch zu einem Klischee werden könne. In diesem Zusammenhang analysierte Hoffmann auch Jakob Augsteins Aussage "Angela Merkel ist die Mutter der AfD": Hier werden Assoziationen aus den Bereichen Politik und Familie zusammengeführt, es komme zur "Kompession", zur Überblendung. Oft werden dabei kognitive und emotionale Bereiche berührt, so etwa in Donald Trumps Aussage, er wolle "den Sumpf von New York trockenlegen" oder in seiner von Anhängern skandierten Parole "Build that wall! ".
Identitätsstiftend habe aber auch Barack Obamas Parole "Yes we can" gewirkt, durch die er eine große Masse an Wählern zu mobilisieren vermochte. In Deutschland arbeiten Populisten mit prägnanten Parolen wie beispielsweise "Deutschland den Deutschen" oder "Lügenpresse" oder auch angeeigneten Slogans ("Wir sind das Volk").
Schließlich legte Hoffmann dar, wie die moderne Linguistik neue Forschungsfragen stelle, indem sie mit "Big Data" arbeitet: So sei es möglich, große Textmassen zu untersuchen und zu vergleichen. Werte man etwa Parteiprogramme von CDU/CSU, SPD, AfD, FDP, Grünen und Linken so aus, dann zeige sich, welche Wörter welche Parteien im Vergleich zu den anderen signifikant am häufigsten verwenden. Dabei zeige sich auch, dass in der Sprache des politischen Extremismus "metasprachliche Markierungen" wie Gänsefüßchen gesetzt werden - oder bei der AfD oft von "sogenannten" Flüchtlingen die Rede sei.