Eichstätt
Wenn das Geißlein zur Zicke mutiert

Theatergruppe des Gabrieli-Gymnasiums begeistert mit "Our darker Purpose" - Freitag dritte Aufführung

07.11.2018 | Stand 02.12.2020, 15:18 Uhr
Die Theatergruppe der Mittel- und Oberstufe des GG bringt mit "Our darker Purpose" eine flotte Collage auf die Bühne. −Foto: Buckl

Eichstätt (wbu) Passt das zusammen?

Tiefsinn und Tragik um King Lear und seine drei Töchter, Punk von Pussy Riot und melancholische Melodien von Schlafliedern, ein Märchen nach den Brüdern Grimm und eine Apotheose des Netzes durch einen ausrastenden Nerd? Ja, es passt! Das zeigt "Our darker Purpose", die neue Inszenierung der Mittel- und Oberstufen-Theatergruppe des Gabrieli-Gymnasiums (GG). Unter Leitung von Deutschlehrer Bernhard Obermeier legte die Truppe am Montag und Dienstag in der GG-Aula über 120 rasant verfliegende flotte Minuten lang eine couragierte Collage voller Denkanstöße und Dialogwitz, voller Gags und Slapsticks vor, und all das angereichert mit Parodie und Poesie. Am morgigen Freitag steht das Stück (um 18 Uhr) ein weiteres Mal auf dem Plan.

Mehrere Handlungsebenen sind vielfältig und kunstvoll miteinander verschränkt. Da gibt es einmal König Lear (routiniert: Silas Rinnagl), der das Land auf seine drei Töchter (Tassila Schmidtmeyer, Nadine Schwab und Lena Wimmer) aufzuteilen gedenkt - indem schlicht ein rund sechs Meter langes Transparent mit einer darauf skizzierten Topographie ("Schwarzes Haus", "Wald des Vergessens", "Blutburg") zerschnitten und Töchtern und Schwiegersöhnen (ironisch und expressiv: Lenz Dickmann und Samuel Miller) übergeben wird. Das Geschehen kündigt King Lear leitmotivisch durch seine Absichtserklärung ("Meantime - we shall express?") an, die viele dutzendmal erklingt und so die Handlung rhythmisiert.

Das Stück hat keinen eigentlichen Anfang: Wenn das Publikum die Aula betreten darf, steht bereits eine Schubkarre voller Erde an der Tür, zwei Totengräber (lässig: Michl Kunz, Philipp Wrobel) tragen rastlos Eimer voller Erde heraus, später sieht man sie während der gesamten Handlung im Bühnenhintergrund ein Grab ausschaufeln, während bedrohliches Donnergrollen den akustischen Background bildet. Das bietet den Einstieg in den Handlungsstrang um das Stück Shakespeares, eine Szene, die als Motivation dient, zahlreiche andere dramatische Schauplätze zu eröffnen, die in Anlehnung an die Tragödie der Antike immer wieder von einem zwölfköpfigen Chor von Schülerinnen der siebten und achten Klassen, alle einheitlich in der Kluft von Karo-Röckchen und weißen Kniestrümpfen, kommentiert werden. Oft geschieht dies in Form eines suggestiven sphärischen Gesangs ("Guten Abend, gute Nacht"), während der Chor in exakter Choreographie die Bühne betritt und verlässt, welche in schräger Rampenform angelegt ist.

Dann wandelt sich das schwarze "Haus des Vaters", das Lears Schicksal spiegelt, zu einem "Goldenen Haus", das auf Trump-Tower und Kapitalismus anspielt: "Die das Haus betreten, werden betreten schweigen" ist nur eines von zahllosen Wortspielen, die im Kontext solcher Szenen erklingen. Tragik und Komik wechseln sich ab - wenn einerseits im Katalog eines Trauer-Instituts Angebote für das Begräbnis des noch lebenden Lears eingeholt werden, eine der Töchter dies aber sarkastisch kommentiert: "Kein Wort zu Papa, es soll eine Überraschung werden! "

Die Rolle des "Bösen" hat der Wolf inne, der die Geißenmutter und sechs ihrer Kinder frisst, woran sich organisch eine Szene anschließt, in der Lämmchen und Geißlein (bezaubernd: Sophie Limmer und Jennifer Weck) zu einem "dummen Schaf" und einer "Zicke" mutieren. Dies leitet spielerisch über zum Auftritt des "Fatze-Bocks" (mit Verve: Jonah Enzenhöfer), der in einer flammenden Suada über Influenzer und Follower, über Likes und Friends einen "anschwellenden Bocksgesang" erklingen lässt. Kapitalismus-Kritik liefert dann ein Pussy Riot-Konzert. Kurzum: "Our darker purpose" - eine Collage, die unter die Haut geht.

Eine weitere Aufführung gibt es am morgigen Freitag, 9. November, um 18 Uhr.