Eichstätt
"Gutes tun macht glücklich"

12 Jahre Solidarfonds "Nachbar in Not" - Armut ist oft weiblich

04.12.2018 | Stand 23.09.2023, 5:17 Uhr
Johann Kraus
Kerzenverkauf am Elternsprechtag: Durch solche Aktionen fließt Geld in den Sozialfonds "Nachbar in Not". −Foto: Graf

Eichstätt (EK) Bei allem Überfluss, in dem viele von uns leben und der uns täglich vor Augen geführt wird, darf nicht übersehen werden, dass es doch eine erhebliche Anzahl an Bedürftigen gibt, die von diesem Wohlstand ausgeschlossen werden. Diesen Menschen zu helfen, hat sich der Eichstätter Solidarfonds "Nachbar in Not" zum Ziel gesetzt.

Im Anschluss an eine Weihnachtsaktion am Willibald-Gymnasium, bei der bis dahin meist Projekte in fernen Ländern unterstützt wurden, kam 2006 der Gedanke auf, Menschen beizustehen, die sich in unmittelbarer Umgebung in einer Notlage befinden. "Natürlich gibt es ein dichtes Netz an staatlichen Sozialleistungen, das auch in vielen Fällen greift. Aber trotzdem bleiben immer noch Situationen, die die Betroffenen in große Schwierigkeiten stürzen: die Zuzahlung zu einer wichtigen medizinischen Behandlung oder - so banal das jetzt klingen mag - die Anschaffung einer Matratze zum Beispiel", so die Verantwortlichen.

Oft stellt "Nachbar in Not" auch Finanzmittel zur Verfügung, bis staatliche Unterstützung anläuft. Es sind eher kleine Beträge, die Menschen aus einer finanziellen Notlage helfen und diese "Spirale von Widrigkeiten durchbrechen", bestätigt Hans Wiesner, der auf Seiten der Caritas die Bedürftigkeit feststellt. Und der große Vorteil von "Nachbar in Not" liegt seiner Ansicht nach darin, dass er in dringenden Fällen sofort die notwendigen Finanzmittel bereitstellen kann. Als einem 70-jährigen Rentner, der zusätzlich zu seiner geringen Altersversorgung noch Grundsicherung bezieht, eine wichtige Augenoperation bevorstand, kam "Nachbar in Not" für die Fahrtkosten zur Arztpraxis auf.

So hat der Solidarfonds allein heuer bis Anfang Dezember in 66 Notsituationen geholfen und über 18000 Euro an Unterstützung ausbezahlt. In den zwölf Jahren seines Bestehens hat "Nachbar in Not" in insgesamt 630 Fällen 165000 Euro an Hilfen gewährt. Dass der Hilfsfonds einmal solche Ausmaße annehmen würde, war den beiden Initiatoren, Willy Scherer und dem inzwischen verstorbenen Dieter Eichiner, damals sicher nicht bewusst.

Der Solidarfonds hat am Willibald-Gymnasium eine Tradition im Lauf der Zeit entwickelt, hinter der die gesamte Schulfamilie steht: Die Schülermitverwaltung (SMV) organisiert wie selbstverständlich bei verschiedenen Ereignissen wie dem Elternsprechtag am letzten Freitag einen Kuchenverkauf, die Vertreter der 12. Klasse spenden seit Jahren den Gewinn aus verschiedenen Partys, Klassensprecher bringen spontan den Gewinn, den sie an ihren Ständen beim Gartenfest erwirtschaftet haben, Vertreter der Abiturklasse stellen den Rest aus ihrer Klassenkasse zur Verfügung, bevor sie die Schule verlassen.

Das mögen teilweise kleine Beträge sein, aber der in der Summe ergab sich inzwischen ein Grundstock von mehreren hunderttausend Euro, der von der Sparkasse überdurchschnittlich verzinst wird. Zusätzlich spenden Fördermitglieder monatlich eine von ihnen selbst gewählte Summe. Da die gesamte Verwaltungsarbeit ehrenamtlich von Mitgliedern des Willibald-Gymnasiums erledigt wird, landet jeder gespendete Cent bei den Bedürftigen.

Der Ruf des Fonds hat sich inzwischen so herumgesprochen, dass viele Zuwendungen von außerhalb herangetragen werden. Jubilare verzichten bei ihren Geburtstagen auf Geschenke und bitten die Gratulanten stattdessen um eine Spende, Firmen bringen den Erlös von Firmenfesten oder einem Tag der offenen Tür vorbei. Beträge in vierstelliger Höhe kamen von der Marianischen Männerkongregation, dem THW, dem Bauernverband, dem Reservistenverband der Bundeswehr, dem Rotary Club in Beilngries und einem Fitnessstudio.

Bedenklich stimmt die Tatsache, dass circa zwei Drittel der Zuwendungen an Frauen gehen müssen: Darunter befinden sich viele allein erziehende Mütter oder Frauen, die einen nahen Angehörigen versorgen, der oft noch dazu schwer behindert ist. Ein weiterer Schwerpunkt der Unterstützung liegt bei der Caritas in der Flüchtlings- und Integrationsbetreuuung. Hier werden zum Beispiel die Kosten für Passbeschaffung, Dolmetscher bei ärztlichen Untersuchungen oder auch Material für Deutschkurse übernommen.

Nach dem Ruhestand von Willy Scherer haben zwei Lehrerinnen am Willibald-Gymnasium, Simone Kriegl und Ulrike Laumeyer, die Betreuung des Solidarfonds übernommen. Es sei berührend zu sehen, dass viele Menschen über ihren eigenen Tellerrand hinausschauen, stellt Ulrike Laumeyer erfreut fest. "Wenn ich mir die Gesichter der Spender nach der Spendenübergabe beim Verlassen des Direktorats anschaue, meine ich fast: Gutes tun macht glücklich."

Wie funktioniert's?Der Hilfesuchende aus dem Landkreis Eichstätt meldet sich bei der Caritas-Kreisstelle Eichstätt und vereinbart einen Beratungstermin. Im Rahmen der Beratung wird dann geprüft ob Sozialleistungen - diese haben immer Vorrang - beantragt werden können. Erst dann besteht die Möglichkeit einer Unterstützung durch den Hilfefonds. Es gilt jedoch: Keine Unterstützung ohne schriftliche Antragstellung. Kontakt zur Caritas-Kreisstelle Eichstätt, Weißenburger Straße 17: Josef Wintergerst, Telefon (08421) 9755-11, oder Hans Wiesner, Telefon (08421) 9755-13.
 

Johann Kraus