Eichstätt
Vor 100 Jahren regierte das Notgeld

Eichstätt setzte eine Kommission ein - Briefmarken als Wechselgeld

16.08.2019 | Stand 23.09.2023, 8:13 Uhr
  −Foto: Schönwetter

Eichstätt (EK) Am 31. Juli 1914 wurde der Kriegszustand verkündet und gleichzeitig die Einlösungspflicht von Goldmünzen eingestellt.

Dies bedeutete das Ende der Goldwährung und die Einführung der Papierwährung. Eine Reihe von nachfolgenden Gesetzen erlaubte der Regierung, den Staatshaushalt über die Notenpresse zu finanzieren. In den Kriegsjahren hatte sich sodann die Geldmenge etwa verachtfacht. Die Kriegskosten stiegen bis zum Kriegsende auf enorme 164 Milliarden Deutsche Mark.

Zu Beginn des Krieges war das Deutsche Reich noch der Meinung, der Krieg werde gewonnen und durch die zu erwartenden Reparationszahlungen könnten die Schulden getilgt werden. Es trat genau das Gegenteil ein.

Während die Geldmenge stieg, nahm das Warenangebot kriegsbedingt ab. Um die Unruhe in der Bevölkerung in Grenzen zu halten, wurden für viele Produkte des Alltags Preisobergrenzen festgesetzt. Die einsetzende kriegsbedingte Inflation wurde so gebremst, um aber in der Folgezeit zu explodieren.

Im Laufe des Krieges konnte die Schuldenlast nicht mehr erbracht werden, so dass immer mehr neue Schulden gemacht werden mussten. Zu dieser Zeit war international Gold das einzige anerkannte Zahlungsmittel. Goldmünzen, die die Bürger horteten, versuchte der Staat mit allerlei Werbeaktionen zu bekommen. Bürger, die zur Finanzierung des Krieges ihre Goldmünzen abgaben, bekamen die berüchtigten eisernen Medaillen mit der Aufschrift: "Gold gab ich zur Wehr, Eisen nahm ich zur Ehr".

Andere Metalle wie Nickel und Kupfer wurden für die Rüstungsindustrie benötigt. Die Prägung von kleinen Münzen wurde deshalb eingestellt und sogar umlaufende eingezogen. Das Kleingeld von 1 bis 50 Pfennig wurde immer knapper.

Eichstätt wurde von dieser Entwicklung natürlich nicht verschont. Nachdem bereits in vielen benachbarten Orten Notgeld eingeführt worden war, erfolgte in Eichstätt die Aufstellung einer Kommission, die sich mit der Einführung von Notgeld befassen sollte. Um geeignete Vorschläge vorlegen zu können, wurden zuerst Erkundigungen unter anderem beim Stadtmagistrat in Weißenburg und in Neuburg eingeholt.

Weißenburg ließ bei der Firma Himmer in Augsburg Notgeldscheine zu 10, 25 und Pfennigen drucken. Die Gesamtauflage war etwa 70000 Stück, die Druckkosten beliefen sich auf 249 Mark und 15 Pfennige.

Die Kommission fasste den Beschluss, Notgeldscheine anfertigen zu lassen, da Münzen zu teuer kämen. Von der Firma Himmer in Augsburg wurde ein Angebot über 20000 Stück zu 5 Pfennige, 40000 Stück zu 10 Pfennige, 30000 Stück zu 20 Pfennige und 10000 Stück zu 50 Pfennige angefordert. Die Bestellung soll durch die Buchhandlung und Buchdruckerei Seitz kommissionsweise besorgt werden.

Am 26. Januar 1917 wurde dann in der Sitzung der Gemeindebevollmächtigten der Stadt Eichstätt über die Einführung von Notgeld beraten und die Anschaffung unter dem Vorsitz von Josef Mayer beschlossen.

In der Eichstätter Volkszeitung war dann folgendes zu lesen: "Der Mangel an Kleingeld macht sich auch in hiesiger Stadt immer fühlbarer. Bisher halfen sich die Geschäftsleute vielfach damit, dass sie Briefmarken als Wechselgeld benützen. Diese erwiesen sich aber hierfür sehr unzweckmäßig, da bei dem vielen Gebrauche der Klebstoff verloren ging, wodurch die Verwendbarkeit der Marken Schaden litt. Um diesem Missstande abzuhelfen, hat der Magistrat eine Kommission aufgestellt, die unter der Leitung des Herrn Obersekretärs Strauß dem Magistrate vorschlug, Papiergeld aus kräftigen Papier einzuführen. "

Die Geldscheine wurden aus Tauenglanzpapier, einem robusten Spezialpapier, mit verschiedenen Wasserzeichen hergestellt. Dennoch nutzten sie sich schnell ab, so dass immer wieder Nachbestellungen erforderlich waren.

Die Druckkosten betrugen 1917 exakt 484,15 Mark, 1918 dann 916,20 Mark und bis Mai 1919 noch einmal 776,60 Mark, zusammen 2177 Mark. Verbrannt wurden im Jahre 1917 Scheine im Wert von 6655,90 Mark, 1918 waren es 7985,10 Mark und 1919 schließlich 3799,35 Mark, gesamt 18440,35 Mark. Ende 1917 war somit Notgeld in Höhe von 15426,60 Mark, Ende 2018 dann 25246,50 Mark und Ende Mai 1919 genau 35227,15 Mark in Umlauf.

Trotzdem war die Kleingeldnot noch immer außerordentlich groß. Das Stadtzahlamt vermochte oft Wünsche und Ansprüche nicht oder nicht ganz zu befriedigen. An Sammler wurden Scheine um rund 1600 Mark abgesetzt. Somit war ein großer Teil der Anschaffungskosten von 2177 Mark bereits gedeckt.

Nach Kriegsende verschlechterten sich die Geldverhältnisse erneut. Materialknappheit, logistische Probleme und mangelnde Arbeitskräfte waren die Hauptschwierigkeiten der Reichsdruckerei.

In Eichstätt versuchte der Stadtmagistrat zur weiteren Vermehrung des Kleingeldes mehrmals bei der Reichsbankstelle in Regensburg 50 Pfennig-Münzen zu beschaffen. Nach mehreren Anfragen im zweiten Halbjahr 1919 schrieb die Reichsbankstelle am 9. Dezember: "In Verfolg unseres ergebenen Schreibens von 6. des Monats ersuchen wir ergebenst um gefl. Zusendung eines weißen Schecks der Städt. Sparkasse dort über Mark 101.45, worauf wir Ihnen M 100 50-Pfennig-Stücke portofrei zugehen lassen werden. Ein größerer Betrag ist z. Zt. nicht verfügbar. "

Diese Münzen waren wohl nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Somit war am 14. Dezember 1919 eine weitere Bestellung bei der Firma Himmer notwendig: "Wir ersuchen um weitere Lieferung von Notgeldscheinen in der bisherigen Ausführung, nämlich 20000 Stück á 10 Pfennig grünes Papier, 10000 Stück á 20 Pfennig rotes Papier. " Die Firma Himmer antwortete am 5. Januar 1920: "Mit der Ausführung der uns freundlichst bestellten Notgeldscheine beschäftigt, ist es uns trotz wiederholter Bemühungen nicht möglich, das bisher verwendete Sicherheitspapier zu beschaffen. Wir empfehlen deshalb, unser Sicherheitspapier E 2a zu benützen, von dem wir ein Muster beifügen und würden die Ausführung in der anliegend skizzierten Art vornehmen. Der Effekt wird im Großen und Ganzen der gleiche sein, zumal der Schwarzdruck über dem Rotdruck erfolgt und dann natürlich bedeutend besser sichtbar wird, als dies auf den Skizzen der Fall ist. Die Unterscheidung ist den früheren Scheinen ebenbürtig. "

Für diese Notgeldscheine wurden von der Firma Himmer neue Druckplatten hergestellt. Als Datum erscheint jetzt der 15. Dezember 1919 (Schwarzdruck). Aber auch der farbige Druck (grün beziehungsweise orange) hatte sich geändert: Der etwa ein Zentimeter breite Rand des Scheines ist jetzt gestrichelt beziehungsweise liniert. Diese Linien hatten bisher gefehlt. Diese Scheine sind heute sehr selten.
 

Josef Schönwetter