Eichstätt
Von der Mitfahrbank bis zur Dachbegrünung

Studierende der Universität entwickeln Konzepte für nachhaltige Entwicklung - "fairEint" greift Ideen auf

17.08.2020 | Stand 02.12.2020, 10:44 Uhr
Mit Instrumenten und Musikprogramm fröhlich unterwegs: Studierende der KU Eichstätt-Ingolstadt haben ein Musikprogramm für Alten- und Pflegeheime in Zeiten von Corona entwickelt. −Foto: Grimminger/Naschert

Eichstätt - "Bildung mit MehrWert!

" - so lautet das Motto der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. In einem Projektseminar hatten sich 30 Studierende im Sommersemester diesen Slogan zu Herzen genommen und vielfältige Ideen zu einer nachhaltigen Entwicklung der Region entwickelt. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Viele Nachhaltigkeitskonzepte sind nicht nur zu Papier gebracht, sondern befinden sich bereits in der Umsetzung.

Die Basis für die kreativen Studierenden bildete ein Projektseminar im Bereich der Geographie-Didaktik, das auch im Rahmen des Zusatzstudiums "Nachhaltige Entwicklung" angeboten wurde. Darin hatten die Studierenden den Auftrag erhalten, Konzepte für eine nachhaltige Regionalentwicklung zu erstellen. Grundlage für die verschiedenen Projekte wiederum bildeten die Erkenntnisse aus mehreren Veranstaltungen, die das Eichstätter Nachhaltigkeitsnetzwerk "fairEInt - Initiative nachhaltige Region Eichstätt" im Herbst 2019 im Austausch mit den Eichstätter Bürgerinnen und Bürgern erlangt hatte. "Unser Ziel war es, dass die Studierenden sich der gesellschaftlichen Herausforderungen in der Stadt annehmen und mit ihren Konzepten einen praxisrelevanten Beitrag leisten", so Ina Limmer, Seminarleiterin und zugleich Mitwirkende bei "fairEInt". In insgesamt acht Projektgruppen arbeiteten Studierende aus verschiedenen Studiengängen das gesamte Sommersemester über in dem Projektseminar zusammen und brachten so verschiedene interdisziplinäre Perspektiven und Erfahrungen ein.

Eine Gruppe widmete sich dem Thema "Potenziale durch Dachbegrünung im Eichstätter Gewerbegebiet Sollnau". Ihr Ziel war es, durch die Begrünung der Flachdächer in der Sollnau einen Beitrag zum Kampf gegen die Klimaerwärmung und zur Förderung der Biodiversität zu leisten.

In einem ersten Schritt erfassten die Studierenden die Potentiale zur Dachbegrünung und erstellten eine Katasterkarte. Ein Interview mit dem Besitzer eines Gebäudes mit Dachbegrünung gab Einblicke in die Umsetzung und den Nutzen eines solchen Vorhabens. Ein zweites Interview mit der Klimabeauftragten der Stadt Pfaffenhofen diente dann als Vergleichsfolie für die zukunftsorientierte Auseinandersetzung mit dem Thema Dachbegrünung anderer Städte. Mit den daraus resultierenden Ergebnissen wendet sich das Projekt vorrangig an die Stadt Eichstätt sowie an Gebäudebesitzer und letztlich die Bevölkerung Eichstätts und gibt erste Anhaltspunkte für ein Konzept, das zu einer nachhaltigen Stadtentwicklung beitragen kann. Zukünftig, so fordern die Studierenden, sollten Neubauten verpflichtend mit Photovoltaik und/oder mit Gründächern ausgestattet werden und Altbauten, wo möglich, aufgerüstet werden.

Musik in Zeiten von CoronaAuch der Zugang zu kulturellen Angeboten und generationsübergreifende Unterstützung sind Ziele einer nachhaltigen Entwicklung. Dieser Herausforderung angenommen hatte sich das Projekt "Musik in Zeiten von Corona" und Musikstudierende der KU und Bewohnerinnen und Bewohner von Alters- und Pflegeheimen zusammengebracht, die aufgrund der hohen Hygienevorschriften kaum noch Besuche erhalten konnten. Die Studierenden fahren mit Instrumenten und einem bunten Programm im Gepäck in die Heime und bieten dort den Menschen auf Spendenbasis ein musikalisches Angebot. Im Anschluss an die ersten erfolgreichen Fahrten wird nun versucht, das Projekt in die Musikstudiengänge der KU zu integrieren. Wünschenswert sei, so die Studierenden, auch eine Kooperation mit der Kulturbeauftragten der Stadt.

Erlebnis-/ RabattkarteZiel dieses Projektes ist es, den Tourismus der Stadt Eichstätt beziehungsweise des Naturparks Altmühltal nachhaltiger zu gestalten. Der Studierenden hatten die Idee, eine Erlebniskarte zu erstellen, die die vielfältigen touristischen, kulturellen und gastronomischen Angebote Eichstätts in Form einer Rabattkarte, die für einen Festpreis zu erwerben sein soll, bündelt und die Angebote in der Stadt für (Tages-)Touristen und Einheimische attraktiver macht. Ein weiterer Baustein der Rabattkarte soll eine kostenlose oder vergünstigte Nutzung des ÖPNV sein. Diese branchenübergreifende Kooperation lokaler Gastronomen, Einzelhändler, Freizeit- und Kultureinrichtungen sowie ÖPNV-Betreibern soll ein widerstandsfähiges Netzwerk aufbauen.

Mitfahrbank für EichstättIm Mittelpunkt der Überlegungen einer weiteren Projektgruppe steht das Konzept der Mitfahrbank, die durch organisiertes "Trampen" das bestehende ÖPNV-Netz ergänzen und den Individualverkehr reduzieren will. An verschiedenen Orten in zentraler Verkehrslage, etwa an der B13 nach Ingolstadt, am Seidlkreuz oder auch in umliegenden Dörfern sollen markante Bänke errichtet werden. Diese zeigen an, dass die dort sitzende Person gerne zu dem angegebenen Zielort mitgenommen werden möchte. Die vorbeifahrenden Autos können spontan anhalten und die Wartenden mitnehmen. Während des Sommersemesters hatten die Studierenden Interviews mit Verantwortlichen in anderen Gemeinden, in denen es schon Mitfahrbänke gibt, und eine Online-Umfrage zum Meinungsbild in der Bevölkerung durchgeführt. Fragen zu Sicherheit, Haftung, Konkurrenz zum ÖPNV, aber auch zu Gelingfaktoren und Hürden konnten so erfasst werden. Erste Gespräche mit Politikern der Stadt und des Landkreises zu Möglichkeiten der Umsetzung dieser Idee fanden bereits statt.

Schaufenster-Museum In den Fokus nahmen Studierende des Projektseminars auch das Thema "Leerstände in der Innenstadt". Mit ihrem Konzept des Schaufenster-Museums wollen sie daher für die Problematik der Leerstände sensibilisieren: Viele Ladengeschäfte in der Innenstadt stehen aus verschiedensten Gründen leer und machen damit das Stadtbild für Einheimische und Gäste weniger attraktiv, so die Ausgangslage. Um die verwaisten Schaufensterflächen wiederzubeleben, wollen die Studierenden in Kooperation mit dem Standortmanagement und dem Jura-Museum - ergänzend zum bestehenden Leer-Gut-Projekt - die leeren Schaufensterflächen mit Exponaten des Museums füllen, die vor allem während des Umbaus auf der Willibaldsburg nicht besichtigt werden können. Ein ergänzend konzipierter Rundgang soll die neu gestalteten Ladenflächen mit touristischen Highlights der Stadt verknüpfen und so den Aufenthalt in der Stadt bereichern.

Welcome - Eine Starthilfe für Neuankömmlinge in der StadtEine weitere Projektidee der Studierenden umfasste die Konzeption einer Starthilfe in Form eines Flyers für Neuankömmlinge in der Stadt, der das vielfältige Angebot und Engagement der Stadt vorstellt. Er bietet in bisher neun Sprachen Informationen zu Einkaufs- und Freizeitmöglichkeiten, Beratungsangeboten, Vereinen sowie weitere Hilfestellungen, um etwa Geflüchtete, Asylbewerber, Migranten bis hin zu Erasmus-Studierenden beim Ankommen in der Stadt zu unterstützen. Der Flyer soll an öffentlichen Orten ausgelegt werden und ist zudem unter www. faireint-eichstaett. de/welcome abrufbar. Interessierte Organisationen oder Privatpersonen, die das gelistete Angebot ergänzen möchten, können gerne über "fairEInt" (info@faireint-eichstaett. de oder ina. limmer@ku. de) mit den Studierenden Kontakt aufnehmen.

Müllfrei in EichstättIm Sinne der Kreislaufwirtschaft widmet sich das Projekt der Müllvermeidung im Landkreis Eichstätt. Zunächst wurde die aktuelle Abfallsituation in Eichstätt mit Fokus auf den gelben Sack anhand einer Datenanalyse evaluiert. Eine Umfrage bei Bewohnern des Landkreises deckte den Wunsch auf, über Möglichkeiten des verpackungsfreien Einkaufens vor Ort noch besser informiert zu werden. Aufbauend auf diesen Ergebnissen wurde ein Einkaufsratgeber für verpackungsfreies beziehungsweise plastikmüllfreies Einkaufen in Eichstätt konzipiert. Ladengeschäfte, die dies ermöglichen, sind mit dem eigens gestalteten Sticker markiert worden. Weitere interessierte Ladenbetreiber können gerne über "fairEInt" oder Ina Limmer mit den Studierenden Kontakt aufnehmen.

Verkehrsberuhigte und fahrradfreundliche InnenstadtUm die Verkehrsplanung im Eichstätter Innenstadtbereich nachhaltiger zu gestalten, möchten die Studierenden den motorisierten Verkehr einschränken und gleichzeitig die Infrastruktur für den Fahrradverkehr und ÖPNV ausbauen. Ziel ist nicht eine komplett autofreie Stadt, sondern ein Kompromiss, der möglichst vielen Interessensgruppen gerecht wird. Das Konzept zeigt, wie diese Umstellung mit Hilfe eines Einbahnstraßensystems in der Innenstadt, eines Parkleitsystems außerhalb der Innenstadt sowie bereitgestellter Sharing-E-Bikes und einer Veränderung des Öffentlichen Nahverkehrs gelingen könnte. Des Weiteren werden Anstöße für eine Umgestaltung des Innenstadtbereichs gegeben, um die Aufenthaltsqualität zu steigern. Das Konzept wurde bereits einigen Eichstätter Stadträten vorgelegt, um zum einen zu prüfen, wie realisierbar das Konzept in Eichstätt ist und um zum anderen Verbesserungsvorschläge einzuholen - diese wurden im Konzept berücksichtigt.

Sehr zufrieden zeigte sich Seminarleiterin Ina Limmer mit den Ideen und bereits begonnenen Projektumsetzungen ihrer Seminarteilnehmer: "Besonders hervorzuheben ist die Tatsache, dass die Studierenden trotz der neuen Herausforderungen eines virtuellen Semesters und dem erschwerten Austausch untereinander und zu Kooperationspartnern solche herausragenden Ergebnisse erzielt haben", betonte Limmer. Auch die "fairEInt"-Koordinatoren Johann Bauch, Dagmar Kusche und Gerhard Rott fanden viele lobende Worte für die Studierenden. Die relevanten Akteure befänden sich bereits im Austausch mit den Studierenden. Diese Kontakte, so die drei Koordinatoren, wolle das Netzwerk "fairEInt" nun aufrechterhalten und die Ideen soweit möglich weiterverfolgen und unterstützen. Eine ausführlichere Beschreibung der Konzepte findet sich unter: www. faireint-eichstaett. de/konzepte.

ddk