Schernfeld
Vom "Fichtenwahn hypnotisiert"

Schon vor vielen Jahren fand ein Waldumbau statt - aus heutiger Sicht in die falsche Richtung

16.04.2020 | Stand 02.12.2020, 11:32 Uhr
In Erinnerung an die Waldarbeiter: Das Bild wurde am 5. Februar 1910 aufgenommen. Vor 100 Jahren verdienten sich viele Männer das tägliche Brot als Waldarbeiter im Schernfelder Forst, heute sind gerade mal vier Forstwirte beschäftigt. Die Fotografie zeigt Männer aus Schönfeld, Schönau, Bieswang und Schernfeld. Das Foto wurde 1972 beim Abriss des Nebengebäudes des Anwesens der Familie Margraf (Micheler), heute Eichstätter Straße, gefunden. −Foto: Bauer, Archiv

Schernfeld - Der Klimawandel ist im Moment die große Herausforderung für die Forstwirtschaft, "Waldumbau" ist das große Thema.

Vor 200 Jahren setzte schon einmal ein kräftiger Waldumbau ein, aus heutiger Sicht in die falsche Richtung.

Vor allem Fichtenreinbestände bekommen heute Probleme, denn Fichten haben ein flaches Wurzelsystem. Dadurch sind sie einerseits auf regelmäßige Niederschläge angewiesen. Andererseits finden die Bäume bei Stürmen weniger Halt im Boden. Trockenschäden und große Windwürfe sind die Folge. Die Zauberwörter heißen "Waldumbau" und "Biodiversität". Klimaempfindliche Fichten- und Kiefernwälder werden in widerstandsfähige Mischwälder umgebaut. Ziel sind stabile und strukturreiche Mischwälder, die hohe Anteile an Laubbäumen aufweisen, daneben aber auch vor allem Tannen, Douglasien und Schwarzkiefern auf ihnen zusagenden Standorten beigemischt haben.

Die Industrialisierung, bei der die Betriebe viel Holz brauchten, trieb den Umbau der Waldbestände vor knapp 200 Jahren voran. Der Schernfelder Forst wird wohl das Hüttenwerk in Obereichstätt beliefert haben. Vielfach mussten aber auch die im ausgehenden Mittelalter ausgeplünderten Wälder neu aufgebaut und die beispielsweise durch jahrzehntelange Streunutzung devastierten Waldböden "saniert" werden. Der Vormarsch der anspruchslosen, schnell wachsenden und waldbaulich einfach zu behandelnden Fichte begann.

"Waldbauliches aus Bayern" Karl Rebel, Ministerialrat im Bayerischen Finanzministerium, war seiner Zeit weit voraus. In seinem Buch von 1922 "Waldbauliches aus Bayern" schreibt er über die Waldbewirtschaftung im weißen Jura. Er charakterisiert darin die Wirtschafter, dass sie von einem "Fichtenwahn hypnotisiert" sind: "Ihr falsch orientiertes Pflichtgefühl kennt und erlaubt nur Fichten- und Föhrenjungwuchs. Etwas Buchenjungwuchs durfte schon dabei sein, aber eine Nadelholzverdämmende alte Buche, nein, das wird nicht geduldet. Was verdämmt, wird verdammt. "

Den "Wirtschaftern" stellt der Autor in seiner Beschreibung die alten Oberförster gegenüber: "Hut ab vor den alten Oberförstern; hier und anderswo gab uns ihre hohe Waldbaukunst in fein abgestimmter Anpassung an den Standort köstlichste Mischungen, das beste und schönste, was man sich den Verhältnissen entsprechend denken kann. "

Zur Juraneuaufforstung empfiehlt Rebel Mischwald, wobei er die Tanne vor der Fichte favorisiert. Im Trockenjahr 1911 habe die Tanne keine Abgänge gehabt, sehr im Gegensatz zur Fichte. Die Lärche nennt er für die Aufforstung im Jura die "weitaus beste Holzart". Er verweist auf den "hervorragend guten Wuchs" der Douglasie. Sie sollte jedoch nicht rein angebaut werden, sondern stets mit der Fichte zusammen stammweise gemischt werden. Als weitere Baumarten für den Mischwald nennt er Eiche, Hainbuche, Elsbeere, Aspe und Sahle.

Rebel bedauert, dass die Birke im Staatswald förmlich verfolgt und durch die Gräserei vollends ausgerottet wurde. Die Schläge und Dickungen des Staatsforstes waren ohne Birken, dagegen waren die Bauernparzellen von Birken dicht überstellt. Die Begründung Rebels: "Bei sich grast der Bauer nicht, läßt auch keinen Fremden auf seinen Schlag. Aber im Staatswald, da schadet es nichts. "

Weiter schreibt Rebel: "Das Prophezeite ist inzwischen eingetreten. Bereits im Herbst 1917 gab es in den gepflegten Beständen abermals Windwürfe. Seitdem stiegen die zufälligen Ereignisse von Jahr zu Jahr, was doch wohl allein schon den behaupteten Zusammenhang beweist. Der Windwurf von 1920 war hier kein außergewöhnliches Ereignis. Er hatte Vorgänger und Nachfolger. Es gibt nämlich dort keinen gepflegten Bestand, der nicht haarscharf von jener Linie an gelitten hätte. Geschlossene Bestände blieben in der Hauptsache verschont. "

Baumarten in Schernfeld Der Schernfeld Forst ist Teil eines größeren, zusammenhängenden Waldgebietes zwischen Schernfeld, Bieswang, Pappenheim, Weißenburg, Raitenbuch und Seuversholz. Die Ausdehnung des Staatswaldes vom damaligen Forstamt Schernfeld - seit 2005 gehört es zum Forstbetrieb Kipfenberg - betrug 4390 Hektar.

Ernst Geyer, der stellvertretende Leiter des Forstbetriebs Kipfenberg der Bayerischen Staatsforsten, suchte für den EICHSTÄTTER KURIER im Archiv. Er fand Aufzeichnungen über die "Baumartenanteile und Nutzung im Wandel der Zeit am Beispiel des Schernfelder Forstes". Im Mittelalter und in der beginnenden Neuzeit - zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts - werden in der Auflistung Buche, Eiche, Hainbuche und sonstige Laubhölzer mit etwas Fichte, Tanne und Kiefer genannt. Genutzt wurde der Schernfelder Forst zu dieser Zeit zur Mast, Weide, Jagd und als Lieferant von Brennholz und von wenig Nutzholz.

Im 17. und 18. Jahrhundert nahm der Laubholzbestand leicht ab und dementsprechend gab es mehr Fichten, Kiefern und Tannen. Die starke Zunahme der Fichte, der Anbau der Lärche und die höchste Nutzungsausbeute folgten im 19. Jahrhundert. Laubholz und Tanne wurden zurückgedrängt. Die Fichte galt auch im 20. Jahrhundert als wichtigste Baumart. Im Zeitraum von 1951 bis 1956 bestand für die Baumartenwahl im Schernfelder Forst der Leitsatz "Soviel biologisch wertvolle Baumarten als nötig, soviel wirtschaftsgünstige Holzarten als möglich. " Die Verteilung von Nadelholz zu Laubholz war 86 Prozent zu 14 Prozent. In den 1960er-Jahren wurde die Eiche nicht mehr beplant und der Tannenanteil wurde stark abgesenkt. Diese sehr verbissempfindlichen Baumarten litten wie anderes Laubholz sehr unter dem negativen Einfluss zu hoher Rehwilddichten; ihr Schutz hätte viel Geld verschlungen und so wurde sehr auf die verbissharte Fichte gesetzt, die man ohne Zaunschutz verjüngen konnte.

Um die Jahrtausendwende zum 21. Jahrhundert war die naturnahe Forstwirtschaft zentraler Bestandteil auch im Schernfelder Forst. Das Bestockungsziel waren 52 Anteile Laubholz zu 48 Anteile Nadelholz. Es folgte bis heute die konsequente Fortsetzung der Verjüngung vor allem mit Buche und Tanne zum Aufbau eines naturnahen, klimaresistenten Waldes. Mittelfristig soll die wenig klimaresistente Fichte durch die robuste Douglasie weitgehend ersetzt werden. Es wurden zahlreiche Mischbaumarten wie Bergahorn, Spitzahorn, Lärche, Eiche, Elsbeere, Eibe, Wildkirsche, Esche bis hin zu Versuchsbaumarten wie die Libanonzeder eingebracht. Die hohe Artendiversität soll die Klimaresistenz fördern und optimieren. Ein wichtiger Baustein des naturnahen Waldbaus ist der Arten- und Biotopschutz inklusive des Aufbaus von nennenswerten Totholz-Biotopbaumstrukturen.

Aus der ChronikIn früheren Jahren nutzten die Bauern den Wald auch als Weide für ihre Tiere. Dazu schreibt Chronist Hermann Dorn (1919 bis 1992) in der Schernfelder Chronik, dass Triebe in den Wald führten. Die Bauern trieben darauf ihre Kühe und Schweine zur Mast und zum Weiden in den Wald. Aus dieser Zeit stammen auch die zahlreichen Lachen ("Hüllen"), die den Tieren als Tränke dienten. In alten Karten des Forstamtes sind sie eingezeichnet. Förster Dieter Kriebel hat in den 1980er-Jahren begonnen, diese oft verlandeten und aufgeforsteten alten Tränken wieder freizulegen. So wurden dem an offenen Wasserstellen armen Schernfelder Forst wertvolle Biotope zurückgegeben. Kriebel weiß auch aus seinen Nachforschungen, dass es vier Triebe in den Schernfelder Forst gab, den Ochsenharter, Schönauer, Schernfelder und Sappenfelder. Der Schönauer wird heute bis zum Anfang des Staatsforstes vom Baumbewuchs frei gehalten. Der Sappenfelder Trieb ist noch auf weiten Strecken erhalten. Nicht mehr erkennbar ist die "Schernfelder Trieblache". Über sie wurde bei der Fuchsschlaghütte der Erzweg gebaut.

In einer Bekanntmachung vom 15. April 1864 informiert das königliche Forstrevier Schernfeld in der Eichstätter Zeitung über eine öffentliche Verkaufsaktion in den Staatswaldungen Hägedorn, Sandschlag, Frühauf und Rinderätz:

"Die Versteigerung beginnt präcis 10 Uhr bei der Wolfsgrube für folgende Holzsortimente: 14 Eichen Blockhölzer bis zu 35 Zentimeter Durchmesser, 21/2 Klftr (ein Eichstätter Klafter entspricht 3,54 Ster) Eichen-Werkholz, sieben Fichten Baumstämme, 50 Fichten-Blockhölzer, 31/8 Klftr Aspen-Werkholz, 70 Klftr Eichen Scheit- u. Prügelholz, 180 Klftr Fichten Scheit- und Prügelholz meist durchlöchert, 70 Klftr gemischtes Scheit- und Prügelholz, 3000 Fichten-Wellen, acht gemischte Altholzhaufen. " Die Bekanntmachung unterzeichnete der Revierförster Späth.

EK