Eichstätt (EK) Zum Auftakt der Nachhaltigkeitswoche der KU Eichstätt-Ingolstadt eröffneten das Nachhaltigkeitsteam der Fairtrade-Universität der KU, das Zentralinstitut für Lateinamerika-Studien (ZILAS), die Welt-Brücke Eichstätt, die Fairtrade-Steuergruppe der Stadt Eichstätt und Rebecca Böhm vom Café "Chocolatique" die Ausstellung "Make Chocolate Fair" im Foyer der Sommerresidenz.
Was wäre die Weihnachtszeit ohne unsere geliebte Schokolade, die uns das Leben versüßt. Doch Millionen Kakaobauern in Westafrika, Lateinamerika und Asien leiden massiv unter dem viel zu niedrigen Einkommen aus dem Kakaoanbau und Millionen Kinder schuften unter schlimmsten Bedingungen in der Kakaoproduktion. Als Gastredner gab Andreas Mohrs, Geschäftsführer von "Chocion Finest Chocolate" aus Ottobrunn interessante Einblicke in seine Arbeit als Produzent von ausschließlich fair produzierten Schokoladenspezialitäten und sein Engagement in Kolumbien und Paraguay zu Gunsten fairer Arbeits- und Lebensbedingungen der Familien.
Als Lufthansa-Pilot hat Andreas Mohrs (46) schon die ganze Welt gesehen. Inspiriert durch einen befreundeten Chocolatier in New York und seine eigene Leidenschaft für Schokolade begab er sich auf die Suche nach den Regionen in der Welt, in der der Kakao seine Heimat hat: Lateinamerika und Afrika. Was er entdeckte, war jedoch schockierend: "Als ich in Westafrika Kakaoplantagen besuchte, fand ich keinen einzigen Erwachsenen vor - ausschließlich Kinder", erinnert sich Mohrs. Die bittere Wahrheit, das sind laut Mohrs 2,23 Millionen Kinder zwischen fünf und 17 Jahren, die unter Sklavenbedingungen in Kakaoplantagen mit Macheten arbeiten und kiloschwere Säcke tragen müssen, deren Inhalt schließlich hierzulande zu unserer Billigschokolade verarbeitet werden. Noch immer, so Mohrs, wirke sich der niedrige Weltmarktpreis des Kakaos, der ohnehin enormen Schwankungen unterliege, dramatisch auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen von Millionen Kakaobauern in Westafrika, Lateinamerika und Asien aus, die von ihrem erwirtschafteten Einkommen aus dem konventionellen Kakaoanbau - in Ghana sind es rund 50 Cent pro Familie und Tag - kaum überleben können. Viele Kakaobauern können sich demnach keine erwachsenen, teureren Erntehelfer leisten und greifen auf Kinder zurück; aus den Krisenregionen Burkina Faso und Mali indes werden Kinder aus kinderreichen Familien einfach entführt und als Sklavenarbeiter ausgebeutet: "Dafür trägt auch die Schokoladenindustrie, deren Schokolade wir gerne und bedenkenlos kaufen und konsumieren, eine große Mitverantwortung, denn sie macht bei Kinderhandel und Ausbeutung gnadenlos mit", meint Mohrs.
Kann eine Schokolade ein Genussprodukt sein, wenn so viel Elend an ihr klebt, wie Mohrs es erlebt hat? Seine Antwort: Nein, gute Schokolade braucht faire Zutaten, muss nachhaltig produziert und qualitativ hochwertig sein, und selbstverständlich müssen sie gut schmecken. Aus seiner Leidenschaft und dem Wunsch heraus, mit einem Schokoladenunternehmen ein zweites Standbein aufzubauen, gründete Mohrs nach umfangreichen Recherchen 2011 das Unternehmen Chocion und eröffnete damit in Ottobrunn einen Laden, der ausschließlich 100 Prozent fair produzierte Schokoladenspezialitäten verkauft: mit 100 Prozent fairem Edelkakao aus Kolumbien, 100 Prozent fair gehandeltem Rohrohrzucker aus Paraguay sowie der "Sternenfair"-Milch aus Bayern. Doch über diese selbst gesetzte Prämisse hinaus zahlt Mohrs noch einmal zehn Prozent des Fairhandelspreises für Kakao und Zucker zusätzlich für soziale Zwecke: Er investiert in mehrere Schulen in Nordkolumbien, organisiert Räder und Esel für Kinder, die vorher einen einfachen Weg von vier Stunden hinter sich bringen mussten, um eine Schule zu erreichen und ist regelmäßig vor Ort, um seine Projekte zu besuchen: "Das ist wahres Glück", betonte der rührige Chocolatier.
Was Mohrs "live" auf seinen Recherchen und Reisen erlebt hat, bestätigt die Ausstellung "Süß & Bitter" - Make Chocolate fair!" der entwicklungspolitischen Organsition Inkota Netzwerk, die noch bis 20. Dezember im Foyer der Sommerresidenz der KU Eichstätt-Ingolstadt zu sehen ist, an eindrücklichen Schautafeln und mit Info-Materialien. Sie gibt viele Antworten rund um den süßen Genuss und die bittere Wahrheit. An fünf Entdeckerstationen erfahren Besucher, ob Schokolade wirklich glücklich macht, wie aus der Kakaobohne Schokolade wird, wie sich das Leben der Kakaobauern gestaltet und was genau die Gründe für Armut in den Kakaoanbauregionen sind. Doch die Ausstellung will nicht nur informieren, sondern auch aktivieren. So werden die kreativen Aktionen der Kampagne "Make Chocolate Fair!" mit streikenden Weihnachtsmännern und protestierenden Osterhasen an einer weiteren Station präsentiert. Außerdem regt die Ausstellung dazu an, über das eigene Konsumverhalten nachzudenken und zeigt Beispiele auf, wie Verbraucher selbst aktiv werden können.
Dagmar Kusche