Eichstätt
Studierende diskutieren mit Norbert Lammert

Früherer Bundestagspräsident spricht über Corona, China und vieles mehr

19.07.2021 | Stand 24.07.2021, 3:33 Uhr
Von Corona bis China: Norbert Lammert stellte sich online den Fragen der Studierenden. −Foto: Lammert Presse

Eichstätt - Grundrechtseinschränkungen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie, Radikalisierung von Teilen der Querdenker-Bewegungen und der Vormarsch des kommunistischen Systems - welche Auswirkungen diese Entwicklungen für die Demokratie haben, darüber diskutierte die Stipendiatengruppe der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) der Hochschulstandorte Eichstätt und Ingolstadt online mit dem ehemaligen Bundestagspräsidenten Norbert Lammert.

Die Studierenden der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, der Technischen Hochschule Ingolstadt und ihr Vertrauensdozent Klaus Stüwe waren dabei Gastgeber für den jährlichen Bayerntag der Stiftung, bei dem die bayerischen Stipendiatinnen und Stipendiaten über aktuelle gesellschaftspolitische Herausforderungen diskutieren. Lammert war als Bundestagspräsident über geraume Zeit "zweiter Mann" im Staat und ist Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung.

Während der Corona-Pandemie habe Deutschland Einschnitte erlebt, die es so in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland noch nie gegeben habe, konstatierte eine Stipendiatin zu Beginn der Diskussion. Zentrale Elemente des Verfassungsstaates seien eingeschränkt worden und Entscheidungen größtenteils von der Exekutive getroffen. Außerdem hätten sich Teile der Querdenkerbewegung radikalisiert und seien nicht selten zu einem "Katalysator und Ventil für Demokratieskepsis" geworden. Ob die Demokratie aufgrund dieser Entwicklungen in einer Krise steckt oder nicht, das erörterten die Studierenden mit Lammert.

Zunächst betonte Lammert, dass Demokratie für ihn bedeute, mitzumachen, sich einzumischen und sich einzubringen. Ansonsten sei die Demokratie in Gefahr, was Lammert mithilfe eines Zitates von Barack Obama deutlich hervorhob: "Die Demokratie ist immer dann am meisten gefährdet, wenn die Menschen beginnen, sie für selbstverständlich zu halten." Lammert stellte klar, es gebe keine Garantie für demokratische Systeme und forderte die Teilnehmenden daher auf, sich für die Demokratie einzusetzen. In der Frage zum Systemrivalen China, wollte Lammert keine Zukunftsprognosen abgeben. Generell machte er aber auf den Unterschied zwischen Autokratien und Demokratien aufmerksam: "Demokratie braucht das Engagement der Bürger - Autokratie braucht und will es auch nicht." Auch diesbezüglich war seine Warnung von Bedeutung: Es gibt keine Überlebensgarantie für ein politisches System, die Bürger müssen sich dafür einsetzen.

Neben der grundsätzlichen Diskussion über die Demokratie wurde auch auf die Corona-Politik eingegangen. Lammert hätte sich während der Krise mehr Einsatz des Parlaments gewünscht und sah die Kompetenzverschiebung zur Exekutive kritisch. Dennoch betonte er, dass zu keinem Zeitpunkt eine Gefahr für die Demokratie in Deutschland durch die Corona-Maßnahmen und die Entscheidungsfindung ausgegangen sei. Er plädierte dafür, den Vertrauensverlust von Bürgerinnen und Bürgern in die Politik differenziert zu betrachten, so könnten die unterschiedlichen Erfahrungen, die zu Misstrauen und Enttäuschungen in der Krise geführt haben, nicht in einem Topf geschmissen werden.

Ferner sei es immer wichtig mit allen Bürgern - auch jenen, die sich innerhalb der Querdenker-Bewegung radikalisiert haben - zu sprechen, denn keiner dürfe die universelle Wahrheit für sich beanspruchen. Außerdem müsse man "immer mit allen reden - auch um herauszufinden, ob sie für Argumente beziehungsweise eine sachliche Auseinandersetzung erreichbar sind".

upd