Eichstätt
Steine setzen, Nägel schlagen, Kerben flexen

Mit dem Vermessungsamt und den Feldgeschworenen unterwegs - Ein Grundstück wird geteilt

20.12.2020 | Stand 24.12.2020, 3:33 Uhr
  −Foto: Bader

Eichstätt/Böhming - "Zwölf Zentimeter länger und sieben nach rechts", sagt Anton Waffler vom Vermessungsamt Eichstätt.

 

Er steht neben einem Vermessungsgerät, einem sogenannten Theodoliten, in einer Seitenstraße in Böhming und peilt durch den Sucher einen roten Reflektor an, der an einer langen Stange ganz knapp über das Dach einer kleinen Gartenhütte herausragt. Diesen Lot-stab hält Martin Amler, der in dem schmalen Durchgang zwischen der Hütte und einer angrenzenden Garage steht. Er bewegt den Stab samt seiner Metallspitze wie ihm geheißen zwölf Zentimeter nach hinten und sieben zur Seite. "Das war nicht rechts - also jetzt 14 Zentimeter nach rechts", sagt Waffler, der noch immer durch das Gerät schaut. "Hier war das rechts", kontert Amler, setzt die Metallspitze aber schließlich an die richtige Stelle.

Die Aufgabe in Böhming klingt erst einmal ganz einfach: Hier haben Nachbarn jeweils zwei langgezogene Grundstücke. Das eine direkt an der Straße liegend, das andere direkt dahinter. Beide sind in dieser Form nicht bebaubar. Der vordere Streifen nicht, weil er zu schmal ist, der hintere nicht, weil er nur geringfügig breiter ist und es zudem keine Zufahrt gibt. Die Nachbarn haben sich gütlich geeinigt: Die Grundstücke sollen so geteilt werden, dass zwei viereckige Grundstücke entlang der Straße entstehen.

Anton Waffler und Martin Amler sind heute nicht allein. Mit dabei sind, wie bei einer solchen Aufteilung zwar nicht zwingend vorgeschrieben, aber üblich, auch zwei Feldgeschworene - nämlich Hans Schermer und Toni Trost. Sie haben nicht nur ein wachsames Auge auf die Vermessung, sondern graben alte Grenzsteine wo nötig aus und setzen neue ein. "Die Feldgeschworenen sind heute überwiegend unsere Helfer und sollten bei jeder Vermessung dabei sein", erklärt Waffler.

 

Die Feldgeschworenen, auch Siebener genannt, werden auf Lebenszeit gewählt und sind in den einzelnen Gemarkungen, aus denen sie kommen, oft ein Mittler zwischen dem Vermessungsamt und den Bürgern. "Wir erfahren von ihnen auch immer wieder einmal etwas über die Befindlichkeiten der Menschen, mit denen wir zu tun haben, und wissen so, wo wir vielleicht aufgrund früherer Konflikte besonders vorsichtig vorgehen müssen", sagt Waffler.

Besondere Befindlichkeiten gibt es hier in Böhming keine. Selbst als ein neuer Grenznagel gesetzt wird, der die Grenze zwischen den künftigen Grundstücken zeigt und die Gartenhütte genau in der Mitte teilt, wird dies vom Besitzer nur mit einem Schulterzucken quittiert: "Die brauche ich nicht mehr, die wollte ich eh wegmachen. "

Hier wird ein sogenannter Grenznagel eingeschlagen, da die Grenze so nah an der Garage des Nachbargrundstücks liegt, dass ein großer Grenzstein keinen Platz hätte. Amler bohrt deshalb an der markierten Stelle ein kleines Loch in das Fundament der angrenzenden Garage und klopft den langen Stahlnagel ein.

 

Wann was zum Einsatz kommt, ist der Umgebung geschuldet. "Wo ein Grenzstein Platz hat, setzen wir einen Grenzstein, fällt der Grenzpunkt auf eine geteerte Fläche, wird ein Stahlnagel eingeschlagen, und gibt es zwischen Grundstücken und Gehwegen Betonrandsteine, wird mit der Flex einfach eine Kerbe in den Beton geschliffen", so Amler.

Als Waffler und Amler den Grundstücksverlauf entlang der Straße neu vermessen, wird schnell klar, dass eine Gartenmauer rund einen halben Meter auf öffentlichem Grund steht. "Das ist nichts Besonderes, es passiert beim späteren Bau einer Straße immer wieder, dass die rechtliche Grenze und die Einfriedung voneinander abweichen", sagt Waffler. Im aktuellen Fall muss der Grundstücksbesitzer seine Gartenmauer natürlich nicht abreißen und versetzen. "Ich denke, dass er den schmalen Streifen von der Gemeinde kaufen kann", sagt Waffler. Hier flext Amler die Grenzmarkierung einfach in den Betonstreifen - der schnellste Weg zur neuen Grenzmarkierung.

Doch die Feldgeschworenen kommen heute ebenfalls zum Einsatz: So haben sie bereits am frühen Morgen einen alten und künftig nicht mehr nötigen grob zugehauenen Grenzstein ausgegraben. Jetzt ermitteln Waffler und Amler den exakten Standort für den neuen Stein. Wieder blickt Waffler prüfend durch das Vermessungsgerät, während sich Amler Zentimeter für Zentimeter an die richtige Position herantastet. Da die beiden Feldgeschworenen ein entsprechend tiefes Loch graben müssen, steckt Amler die genaue Position mit Stahlheringen seitlich ab. Deren Kreuzungspunkt bestimmt die Steinmitte.

 

Jetzt machen sich Hans Schermer und Toni Trost mit Spaten und einer Erdlochschaufel ans Werk. "Hier geht es wunderbar graben, so einen Boden wünschen wir uns. " Diese Aufgabe ist im Jura nicht immer einfach: "Manchmal kommen direkt unter einer dünnen Erdschicht schon Steinplatten", sagt Schermer. Für solche Widrigkeiten ist das Vermessungsamt allerdings gerüstet. "Hier haben wir einen Grenzstein mit rund 50 Zentimeter Länge, wo man schnell auf Stein kommt, nehmen wir kürzere und für sehr leichte und feuchte Boden entsprechend lange Grenzsteine", sagt Amler. "Es geht einfach darum, dass der Stein hält und sich nicht bewegt. "

Nur gute zehn Minuten dauert es, bis Schermer und Trost ein Erdloch in der nötigen Tiefe gegraben haben. Hans Schermer lässt den Granitstein in das Loch fallen und richtet ihn grob aus. Während er die Erde um den Stein mit einer Holzlatte feststampft, prüft sein Kollege Toni Trost mit einem Metermaß den genauen Abstand zu den beiden Stahlheringen. Erst als die Mitte des Steins genau mit der Grenze übereinstimmt, sind die beiden zufrieden und treten die Erde fest. "Ich glaube, das war's", sagt Schermer, während Waffler im Bus des Vermessungsamtes ein letztes Mal die Grenzkoordinaten überprüft.

Jetzt sind die beiden Grundstücke in Böhming neu geteilt und können beiden Anliegern der Straße künftig als Bauplatz dienen.

EK