Eichstätt
Solidarität statt Abschottung

Die Linke-"Fraktion vor Ort": Podiumsdiskussion im Gutmann zur Flüchtlingsthematik

25.05.2018 | Stand 23.09.2023, 3:20 Uhr
Kristina Weimann
Rege Diskussion zur Flüchtlingsthematik im Gutmann, auf dem Podium (von links) Ulla Jelpke, Jana Weidhaase, Eva Bulling-Schröder und Eva-Maria Schreiber. −Foto: Foto: Weimann

Eichstätt (EK) Kapitalismus als Ursache der Flüchtlingsströme, Abschottung der EU-Grenzen, verheerende Zustände in Flüchtlingsunterkünften und mangelnde Integration: Diese Seiten der Flüchtlingsthematik wurden am Mittwochabend im Wirtshaus Zum Gutmann im Rahmen der "Fraktion vor Ort"-Veranstaltungen der Linken bei einer Podiumsdiskussion thematisiert.

Die Bundestagsabgeordnete und Innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Ulla Jelpke, die Bundestagsabgeordnete sowie Obfrau im Ausschuss für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Eva-Maria Schreiber, und Jana Weidhaase vom Bayerischen Flüchtlingsrat diskutierten unter der Moderation der ehemaligen Bundestagsabgeordneten Eva Bulling-Schröter das Thema "Eiszeit für Menschlichkeit" und riefen zu mehr Solidarität auf.
Die Vertreterinnen der linken Fraktion waren sich einig: Jegliche Gründe für eine Flucht aus der Heimat von Diskriminierung, Hunger, Armut und Krieg bis hin zu klimatischen Verhältnissen seien zu respektieren. Maßgeblich verantwortlich für die Fluchten sei jedoch eines: "Fluchtgründe sind hausgemacht durch den Kapitalismus", erklärte Ulla Jelpke. Nicht nur die Waffenexporte in Länder, wo diese eingesetzt werden, sondern auch die Überproduktion des Westens und der Import der Ware in wirtschaftlich ärmere Länder und die daraus resultierende Zerstörung der Arbeitsplätze und Zukunftsperspektiven der dortigen Bevölkerung seien nicht vertretbar. In diesem Zusammenhang übte Eva-Maria Schreiber Kritik an dem Begriff der sogenannten Wirtschaftsflüchtlinge: "Es ist pervers, abfällig von Wirtschaftsflüchtlingen zu reden, denn aus wirtschaftlichen Gründen zu flüchten ist genauso legitim wie vor Bomben und Krieg." Schließlich sei einerseits die westliche Entwicklungspolitik mit dem Fokus auf Privatisierung und andererseits die westliche Handelspolitik mit Großkonzernen in wirtschaftlich schwachen Ländern für deren Situation und den Hunger verantwortlich, der viele Leute flüchten lasse. Schreibers größtes Ziel stelle die Verringerung der Ungleichheit in und zwischen den Ländern dar. Dies sei auch die Voraussetzung für die Lösung weiterer gesellschaftlicher Probleme. Doch diesem Ziel stehe der gegenwärtige Kapitalismus im Weg, der sich nicht dem Gemeinwohl verpflichte, sondern die Privatisierung der Flüchtlingspolitik durch eine auf Profit ausgerichtete Privatwirtschaft verfolge und den ärmsten Ländern der Welt mangelnde finanzielle Unterstützung leiste.
Jana Weidhaase machte deutlich: "Jeder, der sein Land verlassen möchte, soll dies tun und braucht sich dafür nicht zu verteidigen." So sprachen sich alle Diskussionspartnerinnen nicht nur für die Akzeptanz sämtlicher Fluchtgründe, sondern insbesondere für offene Grenzen aus: "Wir müssen der Abschottung den Kampf ansagen, denn diese bedeutet den Tod für viele Menschen, und die Grenzen öffnen", so Jelpke. Denn die Linke verstehe sich als eine Partei der Internationalisten, womit Solidarität zum Ausdruck gebracht und eine Kraft gegen die aktuelle politische Rechtsentwicklung gebildet werden solle.
Doch die Abschottung der Grenzen sei laut der Linken nicht das einzige Problem; hinzu komme die systematische Abschottung Geflüchteter von der Öffentlichkeit und dem Rest der Gesellschaft. Weidhaase spricht von "unsichtbaren Zäunen und Handschellen" in Abschiebelagern durch fehlenden Zugang zu Arbeit, Geld, der restlichen Bevölkerung oder Beratungsmöglichkeiten. Bei diesem mangelnden Austausch zwischen Drinnen und Draußen frage sie sich, wo die angestrebte Integration bleibe, und wies auf daraus entstehende psychische Folgen für die Geflüchteten wie Depressionen hin. Auch Jelpke zeigte sich über "menschenunwürdige Verhältnisse in Abschiebe- oder Transitlagern" schockiert. So verhindere die mangelnde Teilhabe am gesellschaftlichen Leben auch eine Solidaritätsentwicklung der deutschen Bevölkerung. Schreiber berichtete von erlebten Tränen, Flehen und Verzweiflung der Geflüchteten bei Besuchen in Regensburg und Eichstätt kurz vor der Podiumsdiskussion. Sie rief zu Solidarität und Nächstenliebe auf, um die gestiftete Angst vor Fremden abzubauen und die aktuelle Lage zu verändern.

Kristina Weimann