Eichstätt
Sensibler Umgang mit sensiblem Thema

Der Krisendienst Psychiatrie hat vor einem Jahr seine Arbeit aufgenommen - eine Bilanz

25.11.2018 | Stand 23.09.2023, 5:05 Uhr
  −Foto: Kusche

Eichstätt (EK) Seit einem Jahr ist das Team des Sozialpsychiatrischen Dienstes (SpDi) der Caritas in ihren neuen Räumen in der Pfahlstraße in Eichstätt tätig. Die Arbeit ist anspruchsvoll und nicht einfach - die Bilanz fällt aber positiv aus.

Zeitgleich mit dem Umzug vor einem Jahr gab es für die neun Mitarbeiter unter der Leitung von Frank Mronga eine entscheidende Neuerung in ihrem Arbeitsalltag: Der Krisendienst für Menschen in einer psychischen Notlage, getragen vom Bezirk Oberbayern, der rund um die Uhr in Bereitschaft ist.

Für die neun SpDi-Mitarbeiter der Caritas und 25 Bereitschaftskräfte stellt dieser Dienst eine bisweilen große arbeitstechnische und psychische Belastung dar. Doch nach einem Jahr ziehen Caritas-Dienststellenleiter Mronga und Sozialpädagogin Daniela Hofmann, langjährige Mitarbeiterin bei den Sozialen Diensten "Integra" in Gaimersheim und nun beim Krisendienst tätig, ein überaus positives Resümee.

"Der Dienst ist eine psychosoziale und primär aufsuchende Hilfe und hat nichts mit psychiatrischer Einweisung zu tun, wie der Name vielleicht vermuten lässt - ganz im Gegenteil!", betont Mronga. Krisen, so der erfahrene Dienststellenleiter, gehören zum Leben, auch wenn diese oft als Tabuthemen gehandelt würden. Jeder Dritte gerate im Laufe seines Lebens mindestens einmal im Leben in eine Situation, in der er professionelle psychiatrische oder psychotherapeutische Hilfe benötigt - unabhängig von Alter, Geschlecht, Bildung, Herkunft und Beruf: "Es kann jeden treffen", sagt Mronga.

Diesen Menschen mit adäquater und schneller Hilfe rund um die Uhr zur Seite zu stehen und sie, wenn nötig, fachlich kompetent an die richtige Stelle weiter zu vermitteln, das ist das erklärte Ziel des im Oktober 2017 eingeführten "Krisendienstes Psychiatrie Oberbayern". Mit einem ambitionierten Dienstplan deckt dieser täglich einen Zeitraum von neun bis 21 Uhr ab, in dem jeweils zwei Mitarbeiter in Bereitschaft stehen. Rein organisatorisch wird dabei zwischen dem Tagdienst der Mitarbeiter des Sozialpsychiatrischen Dienstes der Caritas von neun bis 16 Uhr sowie dem Abend-, Wochenend- und Feiertagsdienst (AWF) unterschieden, der von 25 auswärtigen erfahrenen Mitarbeitern aus den Bereichen Sozialpädagogik, Psychiatrie, Psychologie und Fachpflege aus der Region gestemmt wird.

Einer der Hauptgründe für die Einführung dieses ausgeklügelten Krisendienstes, der vom Bezirk Oberbayern über einen Zeitraum von mehreren Jahren von einem eigenen Expertenarbeitskreis konzipiert wurde, war das große Problem, mit dem sich Angehörige psychisch labiler oder kranker Menschen immer wieder konfrontiert sahen: Was tun, wenn freitags nach 17 Uhr oder sonntags nach dem Frühstück eine akute Krisensituation auftritt? Oftmals blieb den Verwandten kein anderer Weg als die "klinische Lösung" - der Weg in die psychiatrische Abteilung der nächsten Klinik.

Dass der neue psychiatrische Krisendienst eine große neue Herausforderung sein würde, war Frank Mronga sowie allen Mitarbeitern klar: "Anfangs hatten wir schon Bedenken, ob wir genügend Bereitschaftskräfte akquirieren können." Doch nach einem Jahr kann er zufrieden resümieren: "Es klappt hervorragend!"

Wie genau aber hilft der Krisendienst, wenn ein Mensch in eine psychische Notlage gerät und einfach nicht mehr weiter weiß? Unter der Krisen-Telefonnummer (0180) 6553000 erreicht jeder Anrufer sofort die Leitstelle in München, die das Anliegen des Anrufers mit dort tätigen Experten zunächst telefonisch zu bewältigen versucht. Wenn die Krisensituation des Anrufers jedoch nicht auf diese Weise lösbar ist, wird der Anruf sofort an die zuständige Landkreisstelle und dem dortigen Krisenbereitschaftsdienst weitergeleitet. Nun ist das diensthabende Zweierteam zuständig: Je nach Dringlichkeit hat die Leitstelle bereits entschieden, ob beide Diensthabenden sofort zu einem Besuch des Anrufers ausrücken oder ein persönliches Gespräch in den Räumen der Caritas in der Pfahlstraße stattfinden kann: "Oft kann die Krise auf Grund des Gesprächs vor Ort stabilisiert oder eine Lösung gefunden werden", sagt Mronga. Im Anschluss kann dann bei Bedarf eine Nachsorge mit weiteren, freiwilligen Beratungen arrangiert werden. "Entscheidungen werden dabei immer gemeinsam mit dem Patienten getroffen", erläutert Hofmann. Denn in einem Krisenfall sei Authentizität ganz wichtig: "Der Patient soll bei unserem Besuch ein gutes Gefühl haben und sich ernst genommen fühlen." Allein gelassen werde ein Anrufer in einer Krisenlage ohnehin nur, wenn er zweifellos stabil sei.

Sowohl die Caritas-Mitarbeiter des Sozialpsychiatrischen Dienstes als auch die AWF-Kräfte wurden für die Aufgaben im neuen Krisendienst umfangreich geschult. Aus welcher Motivlage berate ich überhaupt?, Wie gehe ich mit suizidalen oder solchen Fällen um, in denen Fremdgefährdung zu befürchten ist? Wie versorgt man ein Kind, das bei der in einer Krise befindlichen Person lebt? - mit diesen Fragen mussten sich die Mitarbeiter auseinandersetzen.

Der Krisendienst am Abend, am Wochenende und feiertags ist daher alles andere als ein Dienst am Telefon. Er sei durchaus mit großen Belastungen verbunden, sagt Hofmann. Gerade zu Beginn des Dienstes habe sie sich kaum getraut, das Telefon aus der Hand zu legen. "Kein Fall ist schließlich gleich, wir wissen nie, in welches Haus wir kommen, mit welchen Menschen und mit welcher Situation wir konfrontiert werden", erklärt die erfahrene Sozialpädagogin.

Bei aller Belastung können sich die Krisendienst-Mitarbeiter aber auch immer wieder über den großen Erfolg ihrer Arbeit freuen. Oft gehe es darum, den "Tunnelblick" , jene eingeengte Sichtweise eines in einer psychischen Krise befindlichen Menschen, die Handlungs- und Denkalternativen behindert, zu erweitern und Lösungen aufzuzeigen, sagt Mronga.

"Schon vermeintlich irrelevante Geschehnisse können eine tiefe Krise auslösen", erläutert auch Hofmann, die sich an den Fall einer stark depressiven und völlig resignierten Frau erinnert, deren Lebenspartner den Krisendienst um Hilfe bat. Schnell sei im Gespräch klar geworden, so Hofmann, dass starke Demütigungen, Enttäuschungen und eine Kündigung die Frau in eine tiefe Krise gestürzt hatten, die dann in wöchentlichen Beratungsgesprächen aufgearbeitet wurde. Zwar erfolgte abschließend auch ein Klinikaufenthalt, doch die Patientin schaffte es schließlich, ihre Krise erfolgreich zu überwinden.

"Es kursiert generell viel Angst, dass psychische Erkrankungen dauerhaft bleiben", erzählt Mronga. Problematisch sei auch, dass psychische Erkrankungen generell immer noch stark tabuisiert und stigmatisiert werden und für viele als befremdlich gelten. Grundsätzlich jedoch könne aber jede Krise gelöst werden.

Dagmar Kusche