Eichstätt
"Schritt auf die Gesellschaft zugehen"

Tagung an KU: Diskussion über zukunftsfähige Landwirtschaft - Weiger nimmt Verband in die Pflicht

29.06.2018 | Stand 23.09.2023, 3:36 Uhr
Leidenschaftliche Podiumsdiskussion im Vorlesungssaal: Josef Mayer, Professor Alois Heißenhuber, Moderatorin Eva Lell, Günther Felßner, Josef Wetzstein, Konrad Schmid und der Bund-Naturschutz-Vorsitzende Hubert Weiger (von links nach rechts) diskutierten über eine zukunftsfähige Landwirtschaft. −Foto: Fotos: Mühling

Eichstätt (EK) Zwei Tage voller Diskussionen rund um das Thema Landwirtschaft: Eine Tagung an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt bot einige spannende Vorträge, Workshops und Diskussionen zum Thema "Zukunftsfähige Landwirtschaft". Organisatoren und Teilnehmer waren rundum zufrieden mit der Veranstaltung, die von Hubert Weiger initiiert wurde.

BR-Moderatorin Eva Lell bat zu Beginn jeden Teilnehmer um eine kurze Antwort. Die Betonung lag dabei auf "kurz". Hubert Weiger kam war jedoch gerade in Fahrt gekommen. Er sprach von einer "Hilflosigkeit der Politik", weil man sich weigere, ein klares Leitbild der Landwirtschaft zu definieren. Lell intervenierte: "Das war der 2. Satz." Weiger: "Ich habe einen Strichpunkt gemacht." Gelächter im Publikum.

Wenn man so will, war Weiger nicht der einzige Teilnehmer der Podiumsdiskussion, der erst nach einigen Strichpunkten zum Punkt kam. Eva Lell musste also nicht nur einen kritischen Blick auf den Inhalt, sondern auch auf die Uhr werfen, was ihr beides sehr gut gelang.

Im Rahmen der Landwirtschaftstagung an der Katholischen Universität füllte sich am Dienstagabend der Vorlesungssaal, wie es sich ein jeder Professor wünschen würde: Knapp 100 Zuhörer kamen zur Podiumsdiskussion. Die KU hatte zum Thema "Perspektiven einer zukunftsfähigen Landwirtschaft - was muss passieren?" verschiedene Gesprächspartner geladen: Prof. Dr. Alois Heißenhuber (Agrarökonom), Prof. Dr. Hubert Weiger (Vorsitzender des Bunds für Umwelt und Naturschutz Deutschland), Ministerialdirektor Konrad Schmid (Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten) waren ebenso dabei wie Günther Felßner (Bayerischer Bauernverband), Josef Wetzstein (Bioland, LVÖ Bayern) und Josef Mayer (Katholische Kirche).

Zunächst durfte jeder Teilnehmer ein kurzes Statement abgeben. Günther Felßner vom Bauernverband sagte zum Beispiel: "Bauern wollen nachhaltig produzieren, aber wir sehen uns einem Umfeld gegenüber, das höchste Standards fordert und wenig zahlt." Konrad Schmid vom Staatsministerium meinte: "Vielfalt und Vielzahl sind die Schlüsselworte in der Agrarpolitik." Vielfalt müsse man bewahren und eine Vielzahl von Betrieben müsse man erhalten.

Hubert Weiger machte sich Notizen zu den anderen Standpunkten, ehe er kritisierte, dass die Landwirtschaft nicht als ganzheitliche Politik gesehen werde, sondern als kleinerer Bereich. "Wir werden ihr nicht gerecht", monierte er.

Während der Diskussion machte Johanna Saxler fleißig Fotos und schrieb mit. Die 25-Jährige studiert Nachhaltiges Ressourcenmanagement an der Technischen Universität in Freising und war extra für die Landwirtschaftstagung nach Eichstätt gekommen. Ihr Schwerpunkt an der Uni: Ökolandbau. Begeistert lauschte sie der Diskussion. "Es sind viele große Namen gekommen." Die Idee zur zweitägigen Tagung hatte Hubert Weiger. Im Mai 2017 wandte er sich an Ingrid Hemmer, Professorin der Geografie an der KU. Hemmer organisierte anschließend gemeinsam mit ihren Mitarbeitern, allen voran Ina Limmer, die Tagung in Eichstätt.

Im Priesterseminar am Leonrodplatz konnten sich Studenten, Wissenschaftler, Landwirte und interessierte Bürger Vorträge, Workshops und Diskussionen zum Thema "Zukunftsfähige Landwirtschaft" anhören. Die Tagung war insgesamt auf die aktive Beteiligung des Publikums ausgerichtet. In Workshops und Diskussionen brachten sich die Teilnehmer mit ein.

Am Schluss sollten die Teilnehmer ihr Feedback auf eine Stellwand schreiben. "Essen war super", stand dort. Oder: "Tolles Team und Zusammenarbeit." Einer schrieb: "1*", einziges Manko: "Nächstes Mal vielleicht Informationen über die Parksituation."

Ina Limmer, wissenschaftliche Mitarbeiterin und Mitorganisatorin, meinte: "Wir wollten einen Beitrag dazu leisten, dass sich Landwirtschaft zukunftsfähig entwickelt und die Eichstätter Bevölkerung dafür sensibilisieren." Limmer war "rundum zufrieden" mit der Tagung. Nur die Workshops seien "nicht so workshoppig" gewesen. Hier habe die Möglichkeit zur Beteiligung gefehlt, weil man zuerst die komplexen Themen erklären musste.

Dafür durften sich die Teilnehmer an der Podiumsdiskussion mit Moderatorin Eva Lell beteiligen. Gut zehn Leute erhoben sich von ihren Stühlen und setzten sich nach vorne, um mit Hubert Weiger und Co. zu diskutieren. Ein Landwirt erzählte, was er von vielen jungen, intelligenten Leute mitbekomme: "Das sind leidenschaftliche Bauern, aber sie wissen nicht, ob sie Bauern werden wollen, wenn sie angepflaumt werden: Was machst du da? Du bist ja ein Tierhalter." Er sprach dabei von "Bauernbashing".

Moderatorin Lell wies anschließend darauf hin, dass sich die Branche damit auch auseinandersetzen müsse und nicht sagen könne: Ihr seid alle gemein zu uns. Hubert Weiger sah das ähnlich: "Die Landwirtschaft kann nicht sagen: Wir machen alles richtig und haben das schönste Landschaftsbild, vielmehr muss sie es schaffen, vorhandene Probleme zu akzeptieren." Danach müsse man den Weg zu einem gesellschaftlichen Dialog suchen. Dafür nimmt er den Bauernverband in die Pflicht: "Der Verband muss einen Schritt auf die Gesellschaft zugehen."

Außerdem sei die Bildung "eine zentrale Lösung dafür, dass der Wert von Lebensmitteln wieder erkannt und honoriert wird. Qualitätslebensmittel haben einen Preis." Den Stellenwert der Landwirtschaft zu verdeutlichen, sei eines der wichtigsten Ziele der Tagung gewesen.

Nach mehr als zwei Stunden Diskussion war es Johanna Saxler, die das Problem treffend auf den Punkt brachte. Auf die Frage, was sie von der Tagung mitnehme, antwortete sie: "Es ist auf jeden Fall nicht einfach, eine gute Lösung in der Zukunft zu finden, weil man viele Seiten berücksichtigen muss."

Bastian Mühling