Böhmfeld
Schlüsselübergabe nach 36 Jahren

Alfred Ostermeier über seine Freude am Bürgermeisteramt in Böhmfeld

29.04.2020 | Stand 02.12.2020, 11:27 Uhr
  −Foto: Gemeinde Böhmfeld

Böhmfeld - Alfred Ostermeier kommt wenige Minuten zu spät zum Gespräch.

Der Bürgermeister war noch beim Notar, es ging um den Kotterhof, dessen Tür er nun aufschließt. "Das war mir ein Herzensanliegen", sagt er über die Zwischenfläche, die er für die Gemeinde gekauft hat. Es ist eine seiner letzten Tätigkeiten als Bürgermeister, denn am 1. Mai übergibt er das Amt an seinen Nachfolger Jürgen Nadler - nach 36 Jahren.

"Der Ostermeier kann eh nicht aufhören", sind manche Leute in Böhmfeld überzeugt. "Doch, ich höre auf", antwortet der 71-Jährige dann, der sich selbst als "amtssatt" bezeichnet. Dennoch - ans Aufhören hat der Böhmfelder in den vergangenen 36 Jahren nie gedacht. "Ich bin so lange Bürgermeister geblieben, weil immer was Neues gekommen ist", neue Aufgaben, neue Ziele. Auch jetzt, in den letzten Wochen seiner Amtszeit, habe er noch einiges vorgehabt, zudem standen Verabschiedungen im Kalender. Beim Entschleunigen, Runterkommen hat nun Corona "geholfen", die letzten Tage werden ruhiger als geplant.

Weder ruhig noch geplant waren die vergangenen 36 Jahre. Als Ostermeier 1978 in den Gemeinderat gewählt wurde, machte sich der Gymnasiallehrer keine Vorstellung davon, dass er sechs Jahre später seinen "Traumberuf" Bürgermeister ausüben würde. Doch als Amtsinhaber Willibald Fieger 1984 überraschend nicht mehr antrat, ließ sich Ostermeiers Onkel für die CSU aufstellen. Bei Audi beschäftigt, Nebenerwerbslandwirt, zwei kleine Kinder. "Ich hab gesagt, spinnst du, was willst du noch alles machen. " "Du hilfst mir schon", war die Antwort des Onkels und Ostermeier kam das erste Mal die Idee, selbst anzutreten, als Kandidat der SPD und der Freien Wähler. Mit 54 Prozent "schlug" er seinen Onkel. "Dann war drei bis vier Monate Sendepause", bis die beiden wieder miteinander redeten, heute ist es weit mehr als das: "Er ist mein größter Fürsprecher. "

Diese Rolle nahm auch Ostermeiers Großmutter ein, allerdings ohne, dass irgendjemand in der Familie davon gewusst hätte: 1958, Ostermeier war etwa zehn Jahre alt, kamen zwei Patres vom Orden der Redemptoristen nach Böhmfeld. "Meine Oma mütterlicherseits, sehr katholisch, Marienverehrerin, ist zu denen hin und hat gesagt, ,wir haben dahoam an Buam, der is g'scheit und der mecht Pfarrer werden'. " Die beiden Patres kamen kurz darauf zu seinen Eltern nach Hause, um den "Buam" für das Internat des Ordens in Ingolstadt zu gewinnen. "Das hat damals noch was gekostet" und Ostermeiers Vater war die Schule zu teuer. "Gott sei Dank hat sich meine Mutter durchgesetzt und ich durfte aufs Gymnasium gehen. " Dort begeisterte ihn der Sozialkunde- und Geschichtslehrer so sehr, dass er Lehrer werden wollte. "Ein bisschen verdanke ich meine Ausbildung auch der SPD", spielt der Rathauschef auf das 1969 eingeführte Bafög an, das ihm sein Lehramtsstudium in München ermöglichte.

Lehrer blieb er übrigens auch 1984 nach der Wahl weiterhin bis 1991. Zwei Töchter, Vorsitzender des Wasserzweckverbandes, Vorsitzender der Verwaltungsgemeinschaft, Mitglied des Kreisrates und des Kreisausschusses und natürlich Bürgermeister - "das war dann kein Leben mehr. " Ostermeier ließ sich beurlauben, seine Frau, ebenfalls Lehrerin, ging zurück in die Schule. "Das war die beste Entscheidung. Man macht nichts mehr richtig, und die Erziehung der Kinder ist mindestens genauso wichtig wie der Beruf. " Das gilt nicht nur für die eigenen Töchter, sondern auch die Böhmfelder Kinder. "Mir war immer wichtig, dass sie gut betreut werden. " Der Bau von Schulturnhalle sowie Kinderkrippe mit Hort und die Generalinstandsetzung des Grundschulgebäudes - all das kann sich Ostermeier auf die Fahnen schreiben. "Wir haben damals schon Hort und Krippe mit jeweils zwei Gruppenräumen geplant", viel zu groß damals nach Ansicht einiger. "Heute sind die Räume voll", sagt Ostermeier.

Das ist auch der Kotterhof oft, dessen Veranstaltungen "zu einem gewissen Markenzeichen für unser Dorf" geworden sind. Das wurde er aber, wenn man so will, eher durch Zufall. "Ich wohne im übernächsten Haus", erklärt der 71-Jährige, und konnte deshalb beobachten, wie 1994 ein ihm fremder Mann immer wieder dort um das alte Haus strich. "Das war ein Immobilienmakler, der kurze Zeit später auch zu mir kam. Der sagte, er wolle das ,alte Glump' wegreißen und was hinbauen wie in der Stadt. " Doch da hatte Ostermeier schon gehandelt und "Veränderungssperre Kotterhofareal" auf die Gemeinderatseingabe gesetzt. "Das ist ein baurechtlicher Trick", sagt der Bürgermeister, drei Jahre passiert nichts, in dieser Zeit kann der Bebauungsplan eingeschränkt werden. Der Makler verlor schnell das Interesse und in Böhmfeld wurde heftig diskutiert, weil Ostermeier den vorderen Teil des Areals - es war damals noch in drei Teile geteilt - erwarb. "Es wurde gesagt, der Ostermeier spinnt und kauft das alte Glump und die Leute haben zum Teil Recht gehabt, weil ich habe nicht gewusst, was ich damit mache. " Dann kam dem Rathauschef die "lokale Agenda 21" zugute, ein Programm, das eine Gemeinde in Richtung Nachhaltigkeit entwickeln soll. Die Arbeitsgruppe war sich schnell einig: zum Abreißen viel zu schade. Heute ist der Kotterhof Treffpunkt für die Gemeinderatssitzungen und besonders für kleine Feste. "Das hat voll eingeschlagen", freut sich Ostermeier - und legt den Blick frei auf ein Thema, das ihn seit Langem umtreibt: Wie soll das Dorf seinen dörflichen Charakter behalten, wie kann man es gleichzeitig nachhaltig und modern entwickeln? Denn in Böhmfeld schlummern "erhebliche Entwicklungspotentiale", wie es auch zwei Experten von der Regierung von Oberbayern im März bei einem Rundgang bestätigt haben. Alte leerstehende Stadel und Ställe ließen sich anders nutzen - als Dorfladen oder als Wohneinheiten für Jung und Alt - ,es gehe darum, "den Ortskern zu aktivieren".

Geht es heute mehr um die Entwicklung im Innenort, so war für Ostermeier zu Beginn seiner Amtszeit vor allem Bauland ein Thema. Damals wurde es ohne Auflagen ausgewiesen, der Eigentümer konnte es unbebaut lassen, weil er wusste, dass der Preis steigen wird. "Ein Schlüsselerlebnis war für mich, als ein Freund damals keinen Bauplatz bekommen hat, weil er aus einer sehr armen Familie kam. Das kann nicht sein", dachte sich Ostermeier, schaute sich um und wurde bei der Landeszentrale für politische Bildung fündig. "Mehr Bauland ist möglich", hieß die Broschüre und Ostermeier wandte sie auf Böhmfeld an: "Wir machen in Zukunft nur noch Bauland dort, wo die Bedingungen der Gemeinde von den Eigentümern akzeptiert werden" - und mindestens die Hälfte der Fläche zum Vorzugspreis an die Gemeinde verkauft wird. Heute sei das üblich - "wir waren zumindest in der Region wohl die Ersten".

Doch auch seine Misserfolge spricht der Bürgermeister offen an: Dass er die alte Schule nicht erhalten konnte, wurmt ihm bis heute, ebenso wie das Scheitern der Windradpläne - unter anderen wegen der wehrtechnischen Dienststelle in Manching, die Windräder waren zu hoch. "Man hat sich nichts vorzuwerfen, aber es schmerzt einen trotzdem. " Überhaupt treffen ihn die Dinge, die er nicht beeinflussen kann, am härtesten. "Verleumderische Sachen hintenrum, gegen die man sich nicht wehren kann", sagt Ostermeier, seien schwer zu verkraften, "denn wenn man sie aufgreift, verbreitet man sie ja". Er sei ein Freund des "produktiven Streitens", der klar seine Meinung sage. Das führe allerdings dazu, dass sich manche verletzt in ihr Schneckenhaus zurückzögen. Ein Bürgermeister müsse Moderator und Motivator sein, "der Motivator ist mir allerdings besser gelungen. Manchmal hätte ich mich mit etwas mehr Diplomatie leichter getan. " Das könne sein Nachfolger Nadler besser, "er setzt mehr auf Teamarbeit als ich. " Er übergebe sein Amt "in großer Hoffnung und voller Vertrauen", es sei eine anspruchsvolle, aber schöne Aufgabe, die Geschicke einer Gemeinde zu lenken. Oder um es kurz zu sagen: "Es hat mir voll daugt. "

EK