Ingolstadt
Open Air am Berg: Kassier vor Gericht

32-Jähriger soll Verein um über 70000 Euro geschädigt haben - Aus seiner Sicht waren Entnahmen berechtigt

14.10.2020 | Stand 23.09.2023, 14:45 Uhr
Gute Musik, ausgelassene Stimmung: Das Open Air am Berg hatte bisher für jede Menge positive Schlagzeilen gesorgt. Die aktuelle Situation sieht anders aus. Am Mittwoch wurde das Geschehen von der Bühne in den Gerichtssaal verlagert. −Foto: Traub, DK-Archiv

Ingolstadt - Auf den ersten Blick scheint der Fall vor dem Ingolstädter Amtsgericht klar: Auf dem Vereinskonto fehlt Geld und auf dem Privatkonto des Kassiers finden sich unklare Zahlungseingänge.

 

Hinzu kommen Lügen und verschwundene Unterlagen. So einfach ist es aber nicht. Der Angeklagte hat nämlich Erklärungen dafür.

Es geht um den Joke e. V. (Jugend organisiert Kultur Eichstätt), ein Verein, der das Musik-Festival "Open Air am Berg" organisiert. Angeklagt ist ein 32-Jähriger, der sich als früheres Vorstandsmitglied um die Finanzen gekümmert hat. Ihm wirft die Staatsanwaltschaft vor, mittels unberechtigter Überweisungen, Barabhebungen und Erstattungen von Tankrechnungen den Verein zwischen Januar 2017 und August 2018 um über 70000 Euro geschädigt zu haben (wir berichteten).

"Nie wollte ich dem Verein Schaden zufügen oder mich selbst bereichern", erklärte der angeklagte Verwaltungswirt zu Beginn seiner Einlassung am Mittwoch. Zwar habe er mit Karte Geld vom Vereinskonto abgehoben, aber nur, um es in Münzgeld zu tauschen. Er sei nämlich von der Befürchtung getrieben gewesen, das Wechselgeld könnte ausgehen, während "das Festival in vollem Gange ist". Von hohen fünfstelligen Beträgen berichtete er, die dafür erforderlich gewesen seien. Warum nicht direkt über das Vereinskonto? Weil bei der Bank des Vereins erhebliche Gebühren fürs Geldwechseln anfielen, bei seiner Bank nicht.

Außerdem habe er sich Geld zurückgeholt, was er vorher dem Verein "privat vorgestreckt" hätte. Auch wenn es um 17000 Euro gegangen sei, habe er anderen von der Leihe nichts gesagt. Woher er denn so viel Geld hatte, wollte Staatsanwältin Johanna Harder wissen. "Schwarzgeld", das aus einer Nebentätigkeit stamme, antwortete der Angeklagte nach Abstimmung mit seinem Verteidiger Markus Meier. Mehr wollte er dazu nicht sagen, um sich nicht "um Kopf und Kragen zu reden".

Zudem, so der ehemalige Kassier, habe er neben seiner Tätigkeit in der öffentlichen Verwaltung mit einem Internethandel Einnahmen im "deutlich fünfstelligen Bereich" erzielt. Von gut 5000 Euro sprach der Kriminalbeamte, der die Kontoauszüge des Angeklagten geprüft hat. Dass er Tankrechnungen in Höhe von etwa 1700 Euro abgerechnet hat, entspreche seinen Auslagen für Vereinsfahrten, insbesondere solchen für das Aufhängen von Plakaten, so der 32-Jährige. Warum dann Tankrechnungen aus dem Ausland abgerechnet wurden, obwohl nur im Inland plakatiert wurde? Die abgerechneten Fahrten hätten schon vorher stattgefunden, er sei in Vorleistung gegangen, erklärte der Angeklagte.

Die Aufarbeitung der Vorgänge gestaltet sich für das Schöffengericht unter Vorsitz von Stephan Gericke auch deshalb schwierig, weil viele Unterlagen fehlen. Der Angeklagte gab an, diese per Post auf Anforderung an den vom Verein beauftragten Rechtsanwalt verschickt zu haben. Dort sind die Unterlagen aber offenbar nicht angekommen, auch hat wohl keiner nachgehakt. Zum jetzigen Zeitpunkt scheinen Details zum Verbleib der Dokumente nicht mehr aufklärbar. Dass seine Angaben für Außenstehende nicht immer nachvollziehbar sind, räumte der Angeklagte selbst ein. Er habe irgendwann den Überblick über die Finanzen des Vereins verloren, aber "den Absprung nicht geschafft". Anstatt sich anderen anzuvertrauen, habe er "alles mit sich selber ausmacht". Weil dies mittlerweile krankhafte Züge angenommen habe, sei er vor Kurzem in einem psychiatrischen Krankenhaus wegen Depressionen und "ängstlich vermeidender Persönlichkeitsstörung" behandelt worden.

Das Urteil soll am kommenden Montag fallen. Die bisherigen Zeugen, vorwiegend Vereinsmitglieder, konnten die Darstellung des Angeklagten in den wesentlichen Punkten eher nicht erschüttern.

EK

Andreas Müller