Mindelstetten
Sechseinhalb Stunden Hörgenuss

Rüdiger Woog aus Großmehring geht mit seinem Roman "Anna und der Winter" neue Wege

12.10.2017 | Stand 02.12.2020, 17:22 Uhr

Der Großmehringer Autor Rüdiger Woog vor Anna Schäffers Geburtshaus in Mindelstetten. Dort spielt ein Teil seines Romans "Anna und der Winter". Dieser ist gerade auch als Hörbuch (gelesen von Julia von Tettenborn) erschienen. - Foto: Gülich

Mindelstetten/Großmehring (EK) Wir treffen uns am Ort des Geschehens. Rüdiger Woogs Roman "Anna und der Winter", der gerade als Hörbuch erschienen ist, spielt unter anderem in Mindelstetten. Es ist ein merkwürdiges Gefühl, an einem sonnigen Herbsttag auf einmal dort zu sein - fast, als befände man sich im Buch.

Gleich könnte die jüngste der Protagonistinnen, die Literaturdozentin an der Eichstätter Universität, an der Kirche und an der Bank, auf der wir sitzen, vorbeilaufen und im Café nebenan verschwinden. Vielleicht würde sie vorher noch kurz am Grab von Anna Schäffer, der Freundin und lebenslangen Gefährtin ihrer Großmutter Miriam, verweilen und uns dann im Vorbeigehen kurz zunicken ...

Rüdiger Woog, im Pförringer Ortsteil Lobsing aufgewachsen, erzählt, wie sich seine eigene Beziehung zu Anna Schäffer - der verstorbenen Mystikerin und in der Region Ingolstadt höchst verehrten, erst selig-, dann heiliggesprochenen Persönlichkeit - gewandelt hat: "Neben ihrer Rolle als Lokalattraktion, auf die man mit Fug und Recht stolz war, kam immer mehr eine andere Dimension zum Tragen - nämlich, wie präsent das Leben und Wirken des ,Schreiner Nanderls' auch heute noch ist", erzählt der 46-jährige Autor. Genau dieses Thema prägt Woogs Buch, das allerdings keine Heiligengeschichte sein will (und auch keine ist), sondern ein moderner Roman.

Ende September ist "Anna und der Winter" nun auch als Hörbuch erschienen, das erste Hörbuch überhaupt in Woogs Stamm-Verlag Spielberg. Aber wie wird aus einem Roman ein Hörbuch? Das sei ein Experiment des Verlags, mit der Zeit zu gehen, die Geschichte auch für Nichtleser parat zu haben, berichtet Woog. "Man will ja was sagen als Autor. Und mit dem Buch hatte ich bisher am meisten zu sagen. Da ist es wunderbar, dass nun auch Nicht- oder Wenigleser die Geschichte kennenlernen können." Diese Woche wurde "die Anna" für den Deutschen Hörbuchpreis eingereicht. Und rein praktisch? Wie geht man vor? Woog muss nicht lange überlegen. Es gibt Sprecherportale im Internet; da habe der Verlag das Projekt eingestellt. "Dann sind ganz verschiedene Interpretationen bei uns eingegangen. Die hört man einfach an und lässt sie auf sich wirken. Bei Julia von Tettenborn, habe ich sofort gedacht: €šDie ist es!' Sie spricht so, wie ich mir die Geschichte gedacht habe. Andere Sprecherinnen fand ich mal zu kindlich, zu lustig, zu theatralisch", so der Autor - und eine Stimme mit Berliner Akzent habe ihm auch nicht gepasst, ergänzt er lachend.

Anfang 2017 war das Casting, im April dann die Aufnahmen im Studio - immer wieder mit Absprachen. "Was ist ein Janker", fragte da die Sprecherin zum Beispiel telefonisch zwischendurch schnell mal nach. Und liegt beim Ort Mindelstetten die Betonung auf "Mindel" oder auf "stetten"?

Entstanden sind schließlich sechs Stunden und 31 Minuten (ungekürztes) Hörvergnügen. Julia von Tettenborn, Schauspielerin aus Köln, hat ein großes Stimmenrepertoire, ohne dabei übertrieben zu wirken, und moduliert die verschiedenen Charaktere unaufdringlich, aber mit sehr feinem Gespür. Man versinkt sofort in die Geschichte, wenn man ihr zuhört.

Ganz besonders ist das Erleben gerade für die Ingolstädter und Eichstätter Hörer durch die vielen regionalen Bezüge. "Die Szenen und Figuren sind für mich existent, wie die Schauplätze real sind", so der Autor.

Rüdiger Woog bezeichnet sich selbst in Bezug auf das Schreiben als "Gelegenheitstäter". "Inspiration und Ideen bekomme ich permanent und ich freue mich, wenn ich sie dann verarbeiten und loswerden kann", sagt der Großmehringer, der in Ingolstadt arbeitet und auch hauptberuflich mit dem Thema Sprache zu tun hat. Woogs Lieblingshobby neben dem Schreiben ist ein eher ungewöhnliches: Er liebt es, Bäume zu pflanzen. "Das gibt mir den Superkick!", hält er fest - seine Begeisterung ist sofort zu spüren. Und es ist ja auch fast ein bisschen wie das Bücherschreiben: Einmal eingepflanzt, wachsen Baum und Geschichte gleichsam weiter.