Kipfenberg
Mehr als Brauchtum und Volkstanz

100 Jahre Trachtenverein "D' Altmühltaler Kipfenberg" - Eingeschworene Gemeinschaft über Generationen hinweg

15.02.2021 | Stand 18.02.2021, 3:33 Uhr
Freizeitspaß in Kipfenberg: Schuhplatteln mit Deandldrahn um den Maibaum 2007 −Foto: Trachtenverein Kipfenberg

Kipfenberg - Am 16. Februar 1921 hoben einundzwanzig Männer und eine Frau einen neuen Kipfenberger Verein aus der Taufe und gaben ihm den Namen "Gebirgs-Trachten-Erhaltungsverein D' Altmühltaler Kipfenberg".

Die Versammelten wählten den Unternehmer August Mayr zum 1. Vorstand. Aber warum gründeten die "Geißhenker" einen Verein zur Erhaltung der Gebirgstrachten und nicht einen Verein zur Erhaltung der Altmühltaler Tracht?

König Maximilian II. Joseph (1848-1864) sah in der staatspolitisch motivierten Trachtenförderung ein Mittel, ein bayerisches Nationalgefühl zu wecken und die verschiedenen Landesteile zu einem einheitlichen Staatsgefüge zusammenzuführen. Gerne zeigten sich König und Hofstaat in der Tracht. Im Jahr 1883 kam es zur Gründung eines ersten Trachtenvereins in Bayrischzell. Auch Kipfenberger Bürger wurden von der Schwärmerei für das Gebirge erfasst.

Im März 1908 erschien ein Aufruf in der Eichstätter Volkszeitung: "Gebirgstrachtenverein Kipfenberg. Seit kurzem hat sich dahier eine stattliche Zahl Herren zusammengeschlossen, die es sich zur Aufgabe machen, soviel als möglich in schmucker Gebirgstracht zu erscheinen. " Der drohende Krieg hatte wohl die sofortige Gründung des Trachtenvereins verhindert, die schließlich 1921 erfolgte.

Schon drei Jahre später besannen sich einzelne Vereinsmitglieder der Altmühltaler Tracht ihrer Vorfahren. Diese Tracht wurde nicht mehr getragen, sie war schlichtweg unmodern geworden. Bei der Versammlung im Januar 1924 kam es zu einer wichtigen Änderung des Vereinsnamens, der nun in "Gebirgs- und Volkstracht-Erhaltungsverein D' Altmühltaler Kipfenberg" umbenannt wurde. Das Wörtchen "Volk" machte den Unterschied. Bei den Umzügen und anderen Veranstaltungen des Trachtenvereins können seitdem beide Trachten nebeneinander bewundert werden. Wie schön ist es doch, wenn die Buam den Schuhplattler tanzen und beim "Deandldrahn" die Röcke fliegen. Eine Augenweide, wenn die Musi aufspielt und die kleinen Trachtler der Kinder- und Jugendgruppen um den Maibaum tanzen oder Männer und Frauen in der Altmühltaler Tracht Volkstänze aufführen.


Fahne und Trachtlerhütte

Was ist ein Brauchtumsverein ohne Fahne und ein Trachtenverein ohne Trachtlerhütte? Schon drei Jahre nach der Gründung konnte der Trachtenverein die Fahnenweihe verbunden mit der Einweihung der Vereinshütte feiern. Der Vorstand hatte bald nach der Vereinsgründung Bürgermeister Anton Allio samt Marktgemeinderat um die Überlassung eines Grundstücks für den Standort einer Hütte gebeten. Die Bitte wurde gewährt, ein Platz am Fuße der Felswand des Michelsberges zur Verfügung gestellt, und die Trachtler errichteten in Eigenregie ihre "Felsenhütte". Am 19. Juli 1924 wurde sie im Beisein der Gastvereine eingeweiht. Da im selben Jahr Kipfenberg erstmals mit Strom versorgt wurde, konnte die Hütte sogar beleuchtet werden.

Abends freuten sich die Gäste über eine Standmusik und über die Ehrentänze im Postgarten. Nachts erstrahlte der Michelsberg im Glanz eines Brillantfeuerwerks. Am nächsten Tag wurde bei einem Gottesdienst auf dem Marktplatz die Fahne geweiht. Nachdem die Fahnenbraut Babette Hutter die Fahne an den Fähnrich August Niederreuther übergeben hatte, eilte die gesamte Festversammlung zum Festzelt im Postgarten, wo das Programm seinen Verlauf nahm. Und siehe da, abends gab es noch eine "feenhafte Schloßbeleuchtung" zu bestaunen.

Verein in der Krise

Blühendes Trachtlerleben nach der Vereinsgründung im Jahr 1921, aber schon nach einem knappen Jahrzehnt geriet der Trachtenverein in eine schwierige Phase. Die Wirtschaftskrise mit hoher Arbeitslosigkeit wirkte sich auch auf den Trachtenverein aus. Statt der üblichen zwölf Mitgliederversammlungen begnügte man sich 1929 mit zwei Versammlungen. Nicht wenige Mitglieder gerieten in finanzielle Nöte und konnten den Vereinsbeitrag nicht mehr bezahlen. Anfang der 1930er-Jahre verschlimmerte sich die Situation weiter. Vorstand Adolf Kastner musste 1931 das Kipfenberg zugesagte Gautrachtenfest wegen der schlechten finanziellen Lage absagen. Auch die beliebten Theaterspiele fielen aus, es war kein Geld für die Anschaffung von Requisiten vorhanden.

Mit der "Machtergreifung" durch den Nationalsozialismus 1933 und dessen Totalanspruch auf alle Bereiche des öffentlichen Lebens verschärfte sich die Situation. Dem Verein brachen die Mitglieder weg. Die jungen Männer wurden nach ihrer Zeit in der Hitlerjugend vom Dienst im Wehrertüchtigungslager, vom Reichsarbeitsdienst und schließlich von der Wehrmacht in Beschlag genommen. Die Mädchen gingen zum BdM (Bund deutscher Mädchen), danach absolvierten sie ihr Pflichtjahr und wurden in den weiblichen RAD (Reichsarbeitsdienst) eingegliedert. Wer hätte da noch Zeit und Lust gehabt, sich im Trachtenverein zu engagieren.

Der Druck auf den Verein wurde spürbar. Schon wenige Monate nach der Machtergreifung forderte die Hitlerjugend die Mitbenützung der Almhütte. Das Ansinnen konnte zurückgewiesen werden. Nicht verhindern ließ sich die Forderung der Partei, an der Vereinsfahne müsse ein Fahnenband mit dem Hakenkreuz angebracht werden. Im Winter 1933 verlangte die Ortsgruppe der NSDAP, die Laienspielgruppe des Vereins solle zu Gunsten der "Winterhilfe" ein Theaterstück aufführen. Die nationalsozialistische Gemeinschaft "Kraft durch Freude" (KdF) bemühte sich um die Integrierung des Trachtenvereins in ihre Organisation. Mit dem Trachtenverein hätte KdF jederzeit Leute für ihre propagandistischen Veranstaltungen zur Hand. Gäste vor allem aus den Großstädten, die mit KdF-Bussen nach Kipfenberg kamen, mussten bei bayerischen Heimatabenden unterhalten werden.

Trotz gelegentlicher Mitwirkung bei NS-Veranstaltungen wehrte sich der Trachtenverein nach Kräften, seine Unabhängigkeit aufzugeben. Aber die KdF-Organisation war nicht zimperlich und griff zum Mittel der Erpressung: "Sämtliche aktive Mitglieder müssen sich dem Kultur-KdF-Vereinsring anschließen, ausserdem (bedeutet in diesem Zusammenhang andernfalls. Red. ) das Auftreten im Platteln, Theaterspielen, Musik oder dergleichen untersagt wird. " Dies teilte der Vorstand den Mitgliedern in einer Versammlung mit.

Der Verein war am Sterben. Als letzte Aktivität richtete der Trachtenverein im September 1938 ein "Trachtentreffen" aus. Mit diesem Gautreffen endete der so hoffnungsvoll gestartete "Gebirgs- und Volkstrachtenverein D' Altmühltaler Kipfenberg". Der Verein löste sich auf.

Neubeginn nach dem Krieg

Es war nicht einfach, den Verein nach dem Krieg wiederzubeleben. Die amerikanische Militärregierung hatte das Sagen, ohne ihre Lizenz war eine Neugründung unmöglich. Nach langem Warten erteilte Landrat Otto Betz am 19. Juli 1946 im Einverständnis mit der Militärregierung die Vereinsgenehmigung. Der Trachtenverein erwachte zu neuem Leben.

Im Jahr der Währungsreform 1948 wurde zu aller Freude wieder ein Maibaum aufgestellt. Zur Fahnenweihe in Gaimersheim im Sommer 1949 fuhr eine Abordnung des Vereins mit dem Omnibus, für die Jugendgruppe war freilich kein Platz mehr, die Buam strampelten zum Fest mit ihren Fahrrädern. Ein aufregendes Erlebnis aus dem Jahr 1952 war die erste Teilnahme beim berühmten Trachten- und Schützenzug am Oktoberfestsonntag in München. Ein Problem war mit der Felsenhütte gegeben, die während der Kriegsjahre baufällig geworden war, und im Mai 1948 abgebrochen werden musste. Mit vereinten Kräften bauten die Trachtler am alten Standort eine neue Hütte auf, die 1949 eingeweiht wurde.

Der Trachtenverein Kipfenberg war wieder stark genug, auch große Gautrachtenfeste durchzuführen. Im August 1954 feierte der Verein sein 33. Gründungsjubiläum, verbunden mit dem 29. Donaugautrachtenfest, das als "Gauwasserfest" in die Annalen des Verbandes einging. Es regnete den Sommer über und an den beiden Festtagen ohne Unterbrechung und für die wenigen Zuschauer war ein "Bunter Festzug unter Regenschirmen" zu bestaunen, wie im "Eichstätter Kurier" zu lesen war. Dafür war das Wetter beim 47. Gautrachtenfest, verbunden mit dem 50-jährigen Gründungsfest des Trachtenvereins, im August 1971 super, und ganz Kipfenberg freute sich wieder über ein Großereignis in seinen Mauern.

Das Limesfest hatte noch keine lange Tradition, und daher war es naheliegend, das Gautrachtenfest mit dem Limesfest zusammenzulegen. Das Fest wurde ein großer Erfolg und die Menschen strömten in Scharen in die Großgemeinde. Der Festgottesdienst an Mariä Himmelfahrt fand auf dem Marktplatz statt und bekam eine besondere Note durch die Kräuterweihe, wobei die Trachtlerinnen mit ihren Kräuterbüscheln ein schönes Bild boten. Im Jahr 1984 änderte der Trachtenverein Kipfenberg ein zweites Mal seinen Namen. Die Vereinssatzung verzichtete nun völlig auf den Hinweis auf das "Gebirge" und brachte mit dem Wort "Heimat" ein neues Namenselement ein. Der Verein bezeichnet sich seitdem als "Heimat- und Volkstrachtenverein ,D' Altmühltaler Kipfenberg'". Zum ursprünglichen Hauptvereinszweck, der Pflege der Volkstrachten, kamen als neue Aufgaben die Erhaltung des Dialektes, die sorgsame Aufbewahrung historischer Kunstwerke und der Schutz heimischer Erinnerungsdenkmäler wie Kapellen, Berg- und Feldkreuze, Marterl und Votivbilder dazu.

Im Jahr 1986 verbot die Verwaltung der Marktgemeinde wegen der stets drohenden Gefahr von Steinschlag die weitere Benützung der Hütte. Nach Verhandlungen mit der Burgbesitzerfamilie konnte der Verein unter der Führung von Hans Hutter 1989 ein passendes Grundstück an der Burgstraße erwerben. Die Hütte unter dem Felsenmassiv des Michelsberges wurde mit Hilfe von Ingolstädter Pionieren abgetragen, mit dem alten Balkenwerk am neuen Platz wieder aufgebaut und an Ostern 1992 eingeweiht.

Der Platz in der Hütte war freilich arg beschränkt. Daher wurde der Beschluss zu einem Anbau gefasst. Am 21. März 2004 konnte die erweiterte Hütte eingeweiht werden. Nach dem Festgottesdienst nahmen die beiden Geistlichen Pfarrer Wolfgang Butzer und Pastor Hermann Kolell die Weihe vor. Seit dem Hüttenbau an der Burgstraße sind fast zwei Jahrzehnte ins Land gegangen, und die Sommerfeste an der Trachtlerhütte bei Bier und Brotzeit mit der Kipfenberger Blaskapelle oder der Tanzlmusik erfreuen sich bei der Bevölkerung großer Beliebtheit.

Gegen Ende des 20. Jahrhunderts konnten die "Altmühltaler" im Jahr 1997 nochmals mit einem großartigen Fest aufwarten, dem 76. Gründungsfest mit Fahnenweihe in Verbindung mit dem 73. Gautrachtenfest. Die Fahne von 1924 war unansehnlich geworden, die Risse im Seidentuch waren nicht zu übersehen. Beim Sonntagsgottesdienst weihte Pfarrer Johann Weber das neue Prachtstück. Fahnenmutter Edda Hutter und Fahnenbraut Maria Fleischmann übergaben die Fahne an Fähnrich Thomas Straus. Am Festzug beteiligten sich unter den Klängen von neun Blaskapellen sechzig Vereine mit 2500 Trachtlern.

Bei den Neuwahlen am 13. November 2005 erfolgte ein Generationenwechsel im Vorstand. Nach fast 24 Jahren nahmen Hans Hutter als Vereinsvorstand und seine Frau Edda als Beauftragte für die Pflege der Trachten ihren Abschied. Mit Brandinspektor Christian Straus übernahm ein Jüngerer das Ruder. Neue Ideen wurden geboren, neue Aktivitäten ausprobiert. Auf Gauverbandsebene fanden in Kipfenberg 2007 das Frühjahrssingen, 2008 der Gaujugend-Volkstanz und 2009 das Gaujugend-Zeltlager statt.

Im Juni 2011 feierte der Verein das 90-jährige Gründungsjubiläum mit einem Festgottesdienst und einem reichen Unterhaltungsprogramm auf dem Marktplatz. Auch die Ausrichtung des 50. Gauwertungsplattelns wurde dem Trachtenverein Kipfenberg übertragen. Als Beitrag zum 750-jährigen Marktjubiläum 2016 ließen sich die Trachtler etwas Besonderes einfallen. Am geographischen Mittelpunkt Bayerns wurde den vielen Besuchern demonstriert, wie man einen Maibaum ohne technische Hilfsmittel allein mit Körperkraft aufstellt.

EK