Eichstätt
"Volksparteien erscheinen schwerfällig und veraltet"

Die KU-Politikwissenschaftlerin Eveline Hermannseder über den Absturz der CSU

16.10.2018 | Stand 02.12.2020, 15:27 Uhr

Eichstätt (upd) Die CSU galt bis zur Landtagswahl als eine der letzten großen Volksparteien Europas.

Auch wenn sie mit mehr als 37 Prozent einen deutlich höheren Stimmenanteil erzielt hat als Parteien in anderen Bundesländern, bestätigen die Ergebnisse einen generellen Wandel: "Heute ist es schwierig zu sagen, welche Funktionen Volksparteien in einem politischen System überhaupt noch erfüllen, da sie kaum noch existieren und in Zeiten von Individualisierung und punktueller Bürgerbeteiligung auch eher schwerfällig und veraltet erscheinen", sagt die Politologin Eveline Hermannseder von der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Für ihre Doktorarbeit verglich sie die Entwicklung der CSU und der Südtiroler Volkspartei. Strukturell habe die CSU in den vergangenen Jahrzehnten sicherlich Federn gelassen, etwa bezogen auf ihre Mitgliederzahl die von 184000 in 1987/88 auf knapp 141000 gesunken sei. Insgesamt sei die Wählerschaft der CSU in den letzten Jahrzehnten säkularer, gebildeter, älter und mittelständischer geworden.

"Die ältere Generation sieht in der Flüchtlingsthematik durchaus nicht ,Die Mutter aller Probleme', ebenso wenig wie die jüngere Generation. Die Älteren wünschen sich von der CSU einen höheren Stellenwert der Renten-, Pflege- und Gesundheitspolitik, während die Jüngeren vergeblich auf eine Verjüngung der Partei warten", erläutert Hermannseder. In Südtirol habe die SVP vorrangig die Aufgabe erfüllt, eine starke Autonomie zu erlangen, mit einer Stimme zu sprechen und sich gegen das Feindbild des italienischen Staates zu behaupten. Ähnliche Tendenzen der Abgrenzung ließen sich auch in Bayern beobachten. Dieses Konzept funktioniere aber inzwischen sowohl in Südtirol als auch in Bayern immer weniger. Hinzu komme, dass neben allgemeinen Ursachen für eine rückläufige Stammwählerschaft von Volksparteien (wie etwa die Ausdifferenzierung der Gesellschaft oder alternative Partizipationsformen beispielsweise in Bürgerinitiativen) speziell für die CSU auch ein Rückgang von Kirchenbindung in der Wählerschaft eine Rolle spiele.

Die bisherige Vorherrschaft der CSU habe auch ihre Wurzeln in den programmatischen Erneuerungsmechanismen der Partei gehabt, die gleichzeitig den Eigenheiten, Identitäten und Traditionen ihrer Wähler große Bedeutung beigemessen habe. "Inwiefern die CSU das in Zukunft schafft, bleibt abzuwarten", so Hermannseder.