Eichstätt
"Kirche soll im Leben präsent sein"

14.09.2017 | Stand 02.12.2020, 17:30 Uhr
Die Erlöserkirche war sieben Jahre lang ein Arbeitsplatz von Pfarrer Sieghart Schneider. Zum 1. Oktober wird er nach Manching wechseln. −Foto: Poese

Eichstätt (DK) Nach sieben Jahren als Pfarrer der evangelischen Gemeinde verabschiedet sich Sieghart Schneider aus Eichstätt. Im Gespräch erzählt er, wie er seine Amtszeit in der katholisch geprägten Stadt empfunden hat.

Herr Schneider, bei ihrem Amtsantritt 2010 sagten Sie, die evangelische Gemeinde in Eichstätt sei „reizvoll“. Hat sich das bestätigt?

Pfarrer Sieghart Schneider: Ja, reizvoll ist das richtige Wort. Eichstätt hat mit Bischofssitz und Universität einen besonderen Charme. In diesem Gefüge evangelische Gemeinde zu sein, war für mich sehr interessant. 



Wie hat sich die Ökumene in Eichstätt entwickelt?

Schneider: Sehr positiv. Gerade jetzt beim Reformationsjubiläum ist deutlich geworden, dass wir nicht nur nebeneinander existieren als evangelische und katholische Kirche, sondern dass wir miteinander an die Reformation vor 500 Jahren denken. Für uns war es ein besonderer Höhepunkt der Wertschätzung und Anerkennung, dass Bischof Gregor Maria Hanke zum ökumenischen Pfingstgottesdienst gekommen ist und in seiner Predigt sehr persönlich aufgezeigt hat, wie evangelische Christen ihn beeinflusst haben. Es wäre früher nicht vorstellbar gewesen, dass ein katholischer Bischof hier in der evangelischen Kirche predigt, weil Martin Luther ja nach wie vor unter dem Bann steht. Aber das Jubiläum hat eine neue Perspektive eröffnet. Die römische Kirche merkt: Auch unsere eigene Kirche würde heute nicht so aussehen, wenn es die Reformation nicht gegeben hätte. Viele der Forderungen, die Martin Luther vor 500 Jahren erhoben hat, sind heute in der römischen Kirche normal, zum Beispiel die Messe in der Landessprache.



Auch in der evangelischen Gemeinde selbst hat sich viel getan. Sie haben zum Beispiel einen Männertreff gegründet. Warum gab es dafür Bedarf?


Schneider: In der evangelischen Kirche ist es, denke ich, ähnlich wie in der katholischen Kirche so, dass die Männer in der normalen Gemeindearbeit nicht so intensiv vorkommen wie die Frauen. Es ist ganz normal, dass es einen Frauenbund oder einen Frauenkreis gibt, aber dass sich die Männer treffen, ist relativ ungewöhnlich. Gerade aus der Perspektive von Männern ist es aber wichtig, sich auf Glauben und Kirche einzulassen. Wenn Männer alleine zusammen sind, kommunizieren sie erheblich anders als in gemischten Gruppen. Von daher war der Männertreff einfach dran und das ist eine feine Gruppe, die sich da zusammengefunden hat. 



Warum war Ihnen die Wiederbelebung des Kirchenchors ein Anliegen?


Schneider: Ich finde, dass man den Glauben sehr gut durch Singen und Musik ausdrücken kann. Ich freue mich sehr, dass der Kirchenchor zu neuem Leben erwacht und der Posaunenchor neu entstanden ist. Es gibt auch eine Flötengruppe und einen Projektchor, der moderne geistliche Musik in den Vordergrund stellt. Im Chor kann man Gemeinschaft leben und selber erfahren – es gibt eigentlich nichts, was gegen einen Chor spricht. 



Zu Ihrem Amtsantritt sagten Sie, dass Sie neugierig auf die Begegnung mit Studierenden sind. Wie war Ihre Arbeit in der evangelischen Hochschulgemeinde?


Schneider: Die Begegnung mit den Studierenden war für mich wichtig und wertvoll. Die Hochschularbeit war geprägt vom ökumenischen Miteinander in Kooperation mit der katholischen Hochschulgemeinde. Ich habe von den jungen Menschen viel gelernt: Wie ernsthaft sie ihren Glauben ausdrücken und leben. Wie sie über Kirche und Gott denken. Und wie stark sie vom Studium, aber auch von der religiösen Gleichgültigkeit einer säkularen Welt herausgefordert werden. In der Sommerschule der Tun.Starthilfe war die Religion auch ein Thema. Ich leitete einen Workshop, in dem ganz unterschiedlich geprägte Menschen – Migranten und Einheimische, Muslime und Christen, Sunniten und Schiiten – sich respektvoll begegneten und austauschten. 



Welche Erkenntnisse nehmen Sie mit aus Ihrer Zeit in Eichstätt?


Schneider: Der christliche Glaube prägt die heutige Generation nicht mehr so selbstverständlich wie früher. Gerade deswegen ist es wichtig, dass Kirche an der Hochschule, im Leben einer Gemeinde und im öffentlichen Leben präsent ist. Evangelische und katholische Christen können diese Präsenz eigentlich nur ökumenisch leben. Die Differenzen, die es zwischen beiden Konfessionen gibt, spielen für das Leben der meisten Leute keine besondere Rolle mehr.



Der Bau des neuen Gemeindezentrums hat Sie in Ihrer gesamten Amtszeit begleitet. Sind Sie mit dem Ergebnis der langwierigen Planungen zufrieden?


Schneider: Ich freue mich, dass das Ende der Bauzeit im Frühjahr 2018 absehbar ist. Wir haben dann eine Pfarrwohnung und ordentliche Gemeinderäume zur Verfügung. Der Bau hat mich sehr viel Zeit und Kraft gekostet. Das ist auch der wichtigste Grund, warum ich gehe: Es ist mir nicht gelungen, für unser Gemeindehaus Mittel aus der Ergänzungszuweisung (Gelder, über deren Zuteilung der Dekanatsausschuss entscheidet, Anm. d. Red.) zu erhalten. Meine Vorgesetzten haben sich zu den Unstimmigkeiten auf der Dekanatssynode nicht geäußert. Unter solchen Bedingungen kann und will ich nicht arbeiten.



Wo sehen Sie denn für Ihre Nachfolgerin oder Ihren Nachfolger noch Potenziale in der Gemeinde? Was könnte man weiterentwickeln, gerade jetzt in den neuen Räumen?


Schneider: Kinderchor und Jugendband sind bereits angedacht. Fürs Osterfrühstück, Fastenessen oder Frauenfrühstück haben wir dann endlich Küche und Platz. Man könnte auch einen Brunch-Gottesdienst anbieten – also Gottesdienst und anschließend wird miteinander gegessen. Man kann den Gemeinschaftsaspekt in der Kirchengemeinde erheblich besser pflegen, wenn man die entsprechenden Räumlichkeiten zur Verfügung hat.



Sie meinen vor allem den neuen großen Gemeindesaal?


Schneider: Ja, der große Gemeindesaal wird auch für Konzerte, für Kammermusik, für Vorträge oder Erwachsenenbildungsveranstaltungen nutzbar sein. Da waren wir bisher sehr eingeschränkt. 



Mit welchem Gefühl verabschieden Sie sich aus Eichstätt?


Schneider: Traurig macht mich, dass das zweite Pfarrhaus verkauft werden musste und es mir nicht gelungen ist, eine evangelische Kindertagesstätte aufzubauen. Dankbar bin ich für die vielen Menschen, die mich unterstützt und geschätzt haben. Es fällt mir schwer, sie loszulassen. Ich freue mich über alle, die sich motivieren haben lassen und jetzt in der Gemeinde mitmachen.

Das Gespräch führte Katrin Poese.