Ingolstadt
Kein Platz für geistig behinderte Menschen?

Elternbeiräte des Caritas-Zentrums St. Vinzenz wünschen sich ein Wohnheim für Erwachsene im Landkreis Eichstätt

21.09.2018 | Stand 23.09.2023, 4:10 Uhr
Weißer Fleck auf der Karte: Jürgen Holl und Susanne Kopp kämpfen dafür, dass im Landkreis Eichstätt ein Wohnheim für geistig behinderte Erwachsene errichtet wird. −Foto: Schattenhofer

Ingolstadt/Eichstätt (EK) Vielleicht hilft es, wenn sie ihr Anliegen jetzt, im Vorfeld der Bezirkstagswahlen, öffentlich machen? Seit Langem schon kämpfen Susanne Kopp und Jürgen Holl vom Elternbeirat des Caritas-Zentrums St. Vinzenz in Ingolstadt darum, dass ein Wohnheim für geistig behinderte Erwachsene im Landkreis Eichstätt geschaffen wird.

"Die Lage ist dramatisch", so Kopp, "denn es gibt keinen einzigen Platz. Das ist ein Armutszeugnis für den Landkreis, der nahezu schuldenfrei ist." Die Elternbeiräte schildern einen typischen Fall, so wie er immer wieder vorkommt: Eine Mutter kümmert sich alleine um ihren geistig behinderten Sohn, der Vater ist schon verstorben. Plötzlich muss die Frau ins Krankenhaus - aber wohin mit ihrem Sohn? Der junge Mann wird kurzerhand in einem Altenheim untergebracht. Keine optimale Lösung in dieser ohnehin belastenden Situation.

Gäbe es genug Plätze in geeigneten Wohnheimen, so könnten viele geistig behinderte Menschen ohnehin beizeiten von daheim ausziehen - so wie es bei gesunden Menschen üblich ist. "Je länger sich so ein Auszug hinauszieht, desto schwieriger wird die Lage", erklärt Susanne Kopp. "Den Eltern schwinden mehr und mehr die Kräfte, während der geistig behinderte Mensch immer weniger bereit ist, in ein Wohnheim zu ziehen." So werde das Problem verschoben, aber nicht behoben.

Jürgen Holl zeigt eine Broschüre des Bayerischen Landesamtes für Statistik aus dem Jahr 2016, wonach die Lage in der gesamten Region 10 nicht besonders rosig ausschaut: In den meisten Landkreisen sowie in Ingolstadt gibt es auf 1000 Einwohner "bis unter zwei Plätze", geht aus einer Grafik hervor. Das ist die unterste Kategorie. Nur im Landkreis Pfaffenhofen ist die Versorgung besser. "Eigentlich müsste im Landkreis Eichstätt ein weißer Fleck sein, denn es gibt dort keinen einzigen Platz", sagt Jürgen Holl. "Im benachbarten Landkreis Weißenburg-Gunzenhaussen dagegen kommen auf 1000 Einwohner 11,6 Plätze. Minimum und Maximum liegen direkt nebeneinander." In Bayern liegt der Schnitt bei 2,4 Wohnheimplätzen.

Laut den Elternbeiratsmitgliedern stammt etwa die Hälfte der Kinder und Jugendlichen von St. Vinzenz aus dem Landkreis Eichstätt. Kopp und Holl kämpfen nun schon seit bald zwei Jahren um den Bau eines Wohnheimes für geistig behinderte Erwachsene. Sie haben Briefe an Bezirksräte und Behindertenbeauftragte geschrieben, sie haben ihr Anliegen dem Bezirk Oberbayern sowie den Bürgermeistern aus dem Landkreis Eichstätt vorgetragen, denn zunächst wird ja ein passendes Grundstück benötigt. Die Reaktionen waren teils sehr skeptisch: "In unsere Gemeinde passt das nicht", hieß es angeblich.

Doch Kritik üben wollen die Eltern nicht, sondern nur "wachrütteln". Und aufgeben erst recht nicht, zumal der Caritasverband signalisiert habe, die Trägerschaft eines solchen Projekts zu übernehmen, wie Holl betont.

Außerdem hat das Kabinett in seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause ein Sonderinvestitionsprogramm beschlossen, um kleine, flexible Wohneinheiten zu errichten, in denen Menschen mit und ohne Behinderung leben sollen. Susanne Kopp ist begeistert: "Genau das brauchen wir. Aber nicht in München oder Nürnberg: Wir wollen unsere Kinder ja in der Nähe haben, damit wir uns oft treffen und besuchen können."

Vielleicht findet sich doch noch eine kleine Gemeinde im Landkreis Eichstätt, die ein Grundstück zur Verfügung stellt? Susanne Kopp versichert: "So ein Wohnheim ist eine Bereicherung für die Gesellschaft und das Zusammenleben."

Ministerpräsident Markus Söder (CSU) erklärte bei der besagten Kabinettssitzung: "Ein starkes Land ist immer nur so stark, wie es sich um die Schwächsten kümmert."

Suzanne Schattenhofer