Eichstätt
Emotionen transportiert

Kammerchor und Mitglieder des KU-Sinfonieorchesters gestalten nächtliches Konzert

07.06.2018 | Stand 23.09.2023, 3:27 Uhr
Der Kammerchor der KU unter der Leitung von Nico Schneidereit sang "Lieder ohne Worte". Jakob Schlung begeisterte bei dem nächtlichen Konzert als Solo-Cellist. −Foto: Fotos: Mayer

Eichstätt (EK) So außergewöhnlich wie der Beginn des Konzertes - 22 Uhr -, so außergewöhnlich war auch das Konzertprogramm, das der Kammerchor sowie Mitglieder des Sinfonieorchesters der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt im International House darboten.

"Lieder ohne Worte - Ein Abend ohne Text" war auf der Ankündigung zu lesen: Dass Instrumentalmusik ohne Text geht? Klar! Aber geht auch Singen ohne Text? Die Antwort dazu gab bereits Sergej Rachmaninow, als er Antonia Wassilijewna Neschdanowa, einer der bedeutendsten russischen Sängerinnen des 19. Jahrhunderts, gegenüber äußerte: "Wozu sind die Worte, wenn Sie doch fähig sind, alles besser und viel mehr mit Ihrer Stimme und durch Ihre Interpretation auszudrücken, als jedermann dies mit Worten täte?" Es geht also nicht um Worte, sondern um Ausdruck pur. Einer Vokalise genügen die Vokale, um mit ihnen zu transportieren, was an Emotion rüberkommen soll.

"Wenn man den ganzen Tag über zu viele Worte gehört, geredet und gelesen hat, dann soll dieses Konzert dazu dienen, zu entschleunigen, den Tag in Ruhe ausklingen zu lassen", ergänzte KU-Orchesterleiter Uwe Sochaczewsky, der am Klavier die Instrumentalstücke begleitete.

Komponisten aller Epochen, nicht nur Rachmaninow, hat es gelegentlich gereizt, Musik aus purer Lust am Klang der menschlichen Stimme zu schreiben. Und andere bemühten sich wiederum, Instrumentalmusik so zu schreiben, als sei sie für eine menschliche Stimme gedacht

Der Titel "Lieder ohne Worte" ist zunächst untrennbar und einhellig mit 48 lyrischen Klavierstücken des Komponisten Felix Mendelssohn-Bartholdy verbunden, die in acht Heften zu jeweils sechs Nummern erschienen sind. Die Bezeichnung, die vielleicht eine Eigenschöpfung des Komponisten ist, geht womöglich auf dessen Schwester Fanny Hensel zurück und steht für gesangliche Melodien mit durchgehenden Begleitfiguren, wodurch die Kompositionen in die Nähe kantabler Konzertetüden rücken. Deshalb waren auch einige Instrumentalstücke aus dem Oeuvre Mendelssohn-Bartholdys entnommen, solistisch von Barbara Rüttinger (Violine) und Jakob Schuld (Cello) dargeboten. Beide bestachen durch ihr sehr souveränes, technisch versiertes und ausdrucksstarkes Spiel. Sowohl Läufe und Melodie als auch die Stimmungswechsel der einzelnen formal unterschiedlichen Teile wurden sehr schön herausgearbeitet, die Melodie sorgfältig von den Interpreten artikuliert. Das berühmte "Venezianische Gondellied" (op.19,6) hatte Orchesterdirigent Uwe Sochaczewsky für acht Hände am Piano arrangiert, wo es dann sehr eng zuging, als er sich zusammen mit Vera Beschorner, Paul Beck und Nico Schneidereit ans Klavier drängelte.

Zwischen den Instrumentalstücken trat immer wieder der Chor unter Leitung von Nico Schneidereit in Erscheinung. Der Kammerchor der KU präsentierte außergewöhnliche Stücke, wie zu Beginn das ruhige "Silent Prayer" aus der Feder von Mikkail Shukh oder das Chorwerk Gøta, das sich im Repertoire der schwedischen Gruppe Real Group befindet, dem der Kammerchor dem wortlosen Vocal-Jazz-Stück durch seinen ausgefeilten Sound seinen eigenen Stempel aufdrückte. Sehr dezent werden die beiden Solisten Katharina Hartl (Querflöte) und Veronika Schmitt (Sologesang) beim "Hebrew Love Song" von Eric Whitacre vom Chor gerahmt. Man merkte dem Chor an, dass er eine Vorliebe für diese Art von Musik gefunden hatte, wo es in erster Linie darum geht, die individuellen Stimmungen sehr differenziert und sensibel umzusetzen.

Höhepunkt aus Chorsicht war sicher das Schlussstück "Tempest Rhapsody" von Daniel Elder. In dem von einer unheimlichen Tondichte geprägten Stück des jungen, aus der impressionistischen Bewegung stammenden amerikanischen Komponisten richtet sich der Fokus automatisch und unverblümt auf den empfindungsvollen Aspekt der Vertonung, die es dem Sänger und Zuhörer ausdrücklich erlaubt, über die tiefe Bedeutung der Musik nachzudenken.

Weitere wortlose Werke, darunter eben die eingangs schon erwähnte berühmte "Vocalise" von Rachmaninow mit seinen herzzerreißenden Melodielinien, Gabriel Faures gleichnamiges Stück oder Paul Dukas "Vocalise-etude alla gitana" wurden von Katharina Hartl (Flöte) beziehungsweise Veronika Werner solistisch brillant mit einer großer emotionaler Intensität interpretiert.
 

Edgar Mayer