Eichstätt
"I want you to panic"

Vortrag und Diskussion für eine klimagerechte Politik an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt

15.07.2019 | Stand 02.12.2020, 13:30 Uhr
Fordern tiefgreifende Veränderungen: Sina Reisch vom Anti-Kohlekraftwerk-Bündnis "Ende Gelände" (links) und rechts Eva Bulling-Schröter (Landessprecherin "Die Linke"). −Foto: Schiavone

Eichstätt (msv) Kein Thema wird aktuell gerade von jungen Generationen wohl so stark diskutiert wie der Klimawandel.

Die Rosa Luxemburg Stiftung Bayern und der Kurt Eisner Verein haben deswegen an die Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU) geladen, um über die aktuelle Klimabewegung und Energiepolitik zu diskutieren.

"I want you to panic like your house is on fire", mit diesem Satz hat die schwedische Schülerin Greta Thunberg weltweit Aufsehen erregt und auch die Veranstaltung an der KU stand am vergangenen Dienstag unter diesem Motto. Doch dabei stand weniger die "Friday for Future"-Bewegung im Vordergrund, sondern vielmehr die Kritik an der aktuellen Energiepolitik, die noch immer auf Kohlekraft setzt. Geladen wurden dazu die Pressesprecherin des Anti-Kohlekraft-Bündnisses, Sina Reisch, und Landessprecherin der Partei Die Linke, Eva Bulling-Schröter, als ehemalige umweltpolitische Sprecherin im Bundestag.

In ihrem Vortrag berichtet die Politikerin von den Klimakonferenzen, an denen sie teilgenommen hat. Dort habe sie "Klimazeugen" kennengelernt, also Menschen aus zumeist kleinen Staaten in Afrika, die direkt vom Klimawandel betroffen sind, beispielsweise durch Landgrabbing oder Zwangsumsiedlungen. Auf der Pariser Klimakonferenz wurde dann die Zwei-Grad-Grenze beschlossen. Die Erde solle sich demnach um nicht mehr als zwei Grad erwärmen, besser wären 1,5 Grad. Doch schon die Einhaltung der Zwei-Grad-Grenze scheine wenig realistisch, wie ein aktueller Sonderbericht des Weltklimarats (IPCC) und die CO2-Uhr des Mercator Research Institut on Global Commons and Climate Change (MCC) zeigt. Demnach wäre das CO2-Budget beim aktuellen CO2-Ausstoß in rund neun Jahren aufgebraucht.

Der individuelle Klimaschutz, wie auf das "Salamibrötchen zu verzichten", reiche alleine nicht aus, so Sina Reisch vom Anti-Kohlekraft-Bündnis "Ende Gelände". Man müsse "das Problem an der Wurzel anpacken" und das bedeute wiederum "ressourcengerecht zu wirtschaften statt wachstumsfokussiert". Das europaweite Anti-Kohlekraft-Bündnis fordert deswegen den sofortigen Ausstieg aus der Kohlekraftenergie. Denn die Klimakrise sei vor allem eine "Systemkrise", für die eine globale Energiewende und die Abschaltung der CO2-intensiven Kohlekraftwerke unerlässlich sei: "Die Krux an dem Ganzen ist, dass alle fossilen Ressourcen der Welt schon als Kapital in den Büchern von Staaten und Unternehmen stehen, die davon ausgehen diese zu verbrennen. Das heißt, um die Kohle in Wert zu setzen, muss man sie verbrennen. Und deswegen kommt es nicht zum sofortigen Ausstieg, weil die fossilen Ressourcen sofort wertlos werden würden. " Die Entscheidung der Kohlekommission, den Ausstieg im Jahr 2038 abgeschlossen zu haben, trage laut Reisch eher zum Problem bei, als es zu lösen: "Wir gestalten den ganzen Ausstieg so, dass wir noch möglichst viel verbrannt kriegen. " Deswegen fordert "Ende Gelände" eine demokratische Entscheidung im Umgang mit fossilen Ressourcen, doch "im Moment treffen diese Entscheidungen nur die Unternehmen und Staaten, die das Eigentum an diesen Ressourcen haben. " Die Frage nach dem Kohleausstieg, sie ist eine Eigentumsfrage. Für das Bündnis Grund genug, selber aktiv zu werden und sich mittels zivilen Ungehorsams für "Klimagerechtigkeit" einzusetzen. Wie das konkret aussieht, schildert Sina Reisch in der anschließenden Diskussionsrunde. So sind friedliche Massenblockaden an Bahnschienen oder Kohlekraftwerken ein probates Mittel der Aktivisten, wobei der friedliche und besonnene Protest das oberste Gebot des Bündnisses ist.

Sina Reisch und Eva Bulling-Schröter sind aber keine romantischen Idealisten. Ihnen ist klar, dass der strukturelle Wandel hin zu einer - wenn überhaupt möglichen - Klima-Netto-Null nicht nur Zeit, sondern auch tief greifende Veränderungen in der Wirtschaft, Mobilität, Bildung und Konsumverhalten bräuchte, wie Eva Bulling-Schröter es in ihrem Schlusswort auf den Punkt bringt: "Vieles wird nicht mehr so bequem sein, wie es früher war, aber Klimawandel wird künftig überhaupt nicht bequem sein. "