Eichstätt
Home-Office-Kolumne Teil 7

Der Gatte, der Teenager und Ich - CORONotizen aus der Kleinstadt

31.03.2020 | Stand 02.12.2020, 11:38 Uhr
  −Foto: Wein, Elisabeth, Pollenfeld/Preith

Eichstätt - Jede Lage, so ernst sie auch sein mag, wird leichter, wenn wir uns unseren Humor bewahren - gerade auch, wenn man plötzlich viel mehr Zeit mit der eigenen Familie verbringt, als man vielleicht jemals wollte. Deshalb erzählt Autorin Elisabeth Wein in unserer Kolumne "CORONotizen aus der Kleinstadt", wie eine Familie, bestehend aus Mutter, Vater und Teenager-Sohn, ihren Corona-Alltag meistert. Und auch wenn es diese Eichstätter Familie tatsächlich geben und sich darin durchaus ein wahrer Kern finden sollte, sind doch alle Begebenheiten frei erfunden. Sie wollen vor allem eines: Sie in dieser schwierigen Zeit zum Lachen bringen.

 

Es gibt Tage, da fühlt man sich wie im falschen Film. Angekündigt unter dem Titel "Harmonie im Homeoffice" verspricht die Vorschau leichte Muse. In zarten Pastellfarben zeigt sie mich als duftigen Schmetterling der guten Laune, der die Familie umschwirrt, als weltbeste Kollegin die Firma bereichert und nebenbei noch einer kalbenden Kuh zum Mutterglück verhilft. Rosamunde Pilcher wäre neidisch.

Doch wie so oft hält die Vorschau ihr Versprechen nicht. Stattdessen im Programm: eine schlechte Reality-Soap in düsteren Farben, "Heim-Horror statt Harmonie": Schon morgens überhöre ich den Wecker, da mein Unterbewusstsein noch vollends mit verqueren Alpträumen beschäftigt ist. Eine große Rolle spielen darin Hamster, die sich um einen in Zellophan eingeschweißten Zwölferpack Menschen prügeln.


Mit diesem schrecklichen Bild vor Augen erwache ich. Mein Hirn applaudiert dem schlechten Nachtprogramm mit Kopfschmerzen. Der Blick auf die Uhr bringt den nächsten Schreck. Ich schaffe es also tatsächlich, sogar ins Homeoffice zu spät zu kommen. Bei der ersten Videokonferenz zeugt der Kissenabdruck in meinem Gesicht von der morgendlichen Schande - vom restlichen Zustand ganz zu schweigen. Kurz gesagt: An diesem Tag ist der Wurm drin, er wird es auch bleiben und ich lasse gerne jeden ungefragt daran teilhaben. Grummel.

Normalerweise kann mir die Familie aus dem Weg gehen, bis sich der motzende Godzilla wieder in die liebende Ehefrau und Mutter verwandelt hat. Im Moment jedoch ist kein Entkommen möglich. Der Teenager wünscht sich sehnsüchtig, dass der Mindestabstand von 1,50 Metern auch zu Hause gelten möge. Der Gatte sucht verzweifelt nach der Fernbedienung, um das Programm der verbal wild um sich beißenden Ehefrau zu beenden, und beneidet meine Kollegen, die mich zumindest in der Videokonferenz stumm schalten können.

Nun bin ich im Sternzeichen Löwe geboren - große Gesten, große Gefühle und großes Drama sind unvermeidlich. Genauso unweigerlich folgt dem lauten Raubtierfauchen der große Katzenjammer. Abends drapiere ich mich filmreif auf die Ottomane und seufze schwer in mein abendliches Glas Wein. Den Gedanken, dass der seit Corona deutlich gestiegene Alkoholkonsum vielleicht etwas mit meiner Katerstimmung zu tun hätte, schiebe ich mit theatralischer Geste zur Seite. Stattdessen verkrieche ich mich ins Bad, entzünde einen Jahresvorrat an Teelichtern und fülle die Wanne mit heißen Tränen. Langsam verwandeln sich Finger und Zehen in schrumpelige weiße Rosinen, langsam wird mir meine schlechte Laune langweilig. Wohl wäre eine Entschuldigung bei der Familie angebracht, doch wie schafft man aus einer solchen Szene einen würdevollen Abgang?

Die Lösung ist der Gatte selbst, der heldenhaft die Dampfschwaden zerteilt und einen Teebeutel in mein Badewasser hängt. "Gute-Laune-Tee" steht auf dem Etikett. "Lass Dich mal fünf Minuten darin ziehen", sagt er, "und dann ab ins Bett. Ich zieh auch meinen Superhelden-Schlafanzug an: Der hält zumindest die Hamster fern."

EK

(Fortsetzung folgt...)