Eichstätt
Home-Office-Kolumne Teil 6

Der Gatte, der Teenager und Ich - CORONotizen aus der Kleinstadt

30.03.2020 | Stand 02.12.2020, 11:38 Uhr
  −Foto: Wein, Elisabeth, Pollenfeld/Preith

Eichstätt - Jede Lage, so ernst sie auch sein mag, wird leichter, wenn wir uns unseren Humor bewahren - gerade auch, wenn man plötzlich viel mehr Zeit mit der eigenen Familie verbringt, als man vielleicht jemals wollte. Deshalb erzählt Autorin Elisabeth Wein in unserer Kolumne "CORONotizen aus der Kleinstadt", wie eine Familie, bestehend aus Mutter, Vater und Teenager-Sohn, ihren Corona-Alltag meistert. Und auch wenn es diese Eichstätter Familie tatsächlich geben und sich darin durchaus ein wahrer Kern finden sollte, sind doch alle Begebenheiten frei erfunden. Sie wollen vor allem eines: Sie in dieser schwierigen Zeit zum Lachen bringen.

 

Der Gatte hat Frühlingsgefühle. Keine Sorge, es folgt keine Beschreibung der komplizierten Balzrituale unseres Ehelebens - obwohl sie es durchaus wert wären, Thema eines schulischen Lehrfilms zu werden. Die älteren unter uns können sich noch an die 16-Millimeter-Lichttonfilme erinnern, die in brotlaibgroßen Blechdosen daherkamen und eine Schulstunde voll komatösem Schlaf im abgedunkelten Bio-Saal versprachen. Vorausgesetzt, es gelang dem jeweiligen Lehrer, im Kampf gegen den Projektor siegreich vom Felde zu ziehen.

So schön die Vorstellung auch ist, das Werben des jungen Gatten auf Zelluloid zu bannen und damit den Teenager dauerhaft zu verstören, geht es um etwas anderes: der Gatte und der Garten. Während ich mich darauf beschränke, Zeitschriften wie "Landidee", Landlust" und "Landplage" zu lesen und die Blumentöpfe auf der Terrasse neu zu arrangieren, ist am Gatten ein Großgrundbesitzer verloren gegangen.
Jedes Jahr im Frühling durchschreitet er unsere ausgedehnten Ländereien - oder wie man ein durchschnittlich großes Grundstück in der Neubausiedlung sonst bezeichnet - und plant umfangreiche Erdbewegungsarbeiten. Mein kümmerliches Gemüsebeet, das mit dem Jahresertrag von zwei Karotten und einem Kohlrabi jeder Beschreibung spottet, weicht flugs einem orientalischen Pavillon, der morsche Sandkasten verwandelt sich in einen buddhistischen Zen-Garten und aus meiner kaputten Wäschespinne zaubert der Gatte einen expressionistischen Rosenbogen. Ja, ich muss es zugeben, er ist der MacGyver von Mulch und Mischkultur.

Doch nun fehlt dem Gatten für die Umsetzung seiner Ideen der wichtigste Partner. Ich bin dieser aufgrund mangelnder handwerklicher Qualifikation nicht und auch der Teenager wird nur gegen seinen Willen ans Tageslicht gezerrt. Nein - es ist der Baumarkt. Und dieser hat bekanntlich derzeit geschlossen. Der Gatte zeigt bereits deutliche Entzugserscheinungen. Nicht nur, dass er mit eingezogenem Haupt durch den Garten schleicht und sein inaktives Schicksal bedauert! Lümmle ich mich in meinen Liegestuhl, um in der Homeoffice-Mittagspause die Sonne zu genießen, wirft der Gatte Punkt 13 Uhr den Laubbläser an und macht seinem Unmut lautstark Luft.

Für den Samstag, klassischerweise Hauptarbeitstag aller Kleingärtner, befürchte ich das Schlimmste. Und tatsächlich: Kaum bin ich im geliebten Liegestuhl in den Tiefschlaf gefallen, weckt mich ein Kitzeln an den nackten Zehen. Vor mir kniet der Gatte, bewaffnet mit einer Nagelschere: "Muss Rosen düngen", wispert er mit irrem Blick, "brauche Hornspäne." Nur durch einen Hechtsprung entkomme ich dem Missbrauch meiner Zehennägel und flüchte mich in den Gartenschuppen.

Der Teenager eilt zur Rettung und lockt seinen Vater mit einer Spur aus Düngestäbchen zurück ins Haus. Dort binden wir den Gatten mit Blumendraht auf der Couch fest und lesen ihm aus alten Gartenprospekten vor, bis er eingeschlafen ist. Ich küsse den Gatten auf die Stirn und flüstere: "Ich habe im Notfall-Vorrat noch einen Sack Rindenmulch - den bekommst Du, wenn Du aufwachst, mein Schatz."

EK

(Fortsetzung folgt...)