Eichstätt
Home-Office-Kolumne Teil 22

Der Gatte, der Teenager und Ich - CORONotizen aus der Kleinstadt

29.05.2020 | Stand 02.12.2020, 11:16 Uhr
  −Foto: Wein, Elisabeth, Pollenfeld/Preith

Jede Lage, so ernst sie auch sein mag, wird leichter, wenn wir uns unseren Humor bewahren - gerade auch, wenn man plötzlich viel mehr Zeit mit der eigenen Familie verbringt, als man vielleicht jemals wollte.

Deshalb erzählt Autorin Elisabeth Wein in unserer Kolumne "CORONotizen aus der Kleinstadt", wie eine Familie, bestehend aus Mutter, Vater und Teenager-Sohn, ihren Corona-Alltag meistert. Und auch wenn es diese Eichstätter Familie tatsächlich geben und sich durchaus ein wahrer Kern in den Begebenheiten finden sollte, sind sie doch alle frei erfunden. Sie wollen vor allem eines: Sie in dieser schwierigen Zeit zum Lachen bringen.

Seit mehr als zwei Monaten wird der Teenager nicht mehr artgerecht gehalten. Gemeint ist damit nicht die Heimbeschulung, obwohl die Mitnahme von Passivbildung derzeit wirklich schwierig ist. Anders ausgedrückt: Generationen von Schülern saßen nur zur Deko im Matheunterricht, jetzt wird ihnen sogar dieses kleine Erfolgserlebnis verwehrt.

Auch in Sache Hygiene würden wir den "Genehmigt"-Stempel des Gesundheitsamtes bekommen. Zu Beginn der Pandemie waren wir etwas besorgt, hatte doch der Teenager verkündet, ab jetzt die Dusche zu meiden. Corona werde - so seine Begründung - durch Tröpfcheninfektion übertragen. Da er aber bereits am nächsten Tag seine rituellen Waschungen wieder aufnahm, die dem Nachduschenden nur noch kaltes Wasser übriglassen, zerstreuten sich unsere Bedenken.

Was waren wir blauäugig. Denn nun, wo das Corona-Korsett nicht mehr so eng geschnürt ist, legt der Teenager seltsame Verhaltensweisen an den Tag. Obwohl er in Sachen Freilauf von Anfang an alle hygienekonformen Freiheiten hatte, erwies sich sein innerer Grottenolm stärker als jeder Bewegungsdrang. War er genervt, zog er sich nur tiefer in die dunklen Höhlen seines Zimmers zurück. Doch nun schwingt er sich täglich aufs Fahrrad, um nach einiger Zeit in seltsamer Hochstimmung zurückzukehren. Fragen nach seinem Treiben werden nicht beantwortet, dafür finde ich beim Wäschewaschen neben dem gewöhnlichen Sammelsurium in seinen Hosentaschen (Kopfhörer, Kleingeld, die "Blaue Mauritius") erstaunlich viele Fetzen von Alufolie.

Das Rätsel löst sich, als der Gatte und ich in der Stadt zufällig den Teenager erspähen, der sich in eine dunkle Gasse drückt. In seinen Händen glitzert es verdächtig. Unverkennbarer Döner-Duft liegt in der Luft. Als uns der Teenager bemerkt, zischt er uns jedoch nur ein "Mein Schatz" entgegen und entschwindet mit seiner fleischigen Beute in die Schatten der Altstadt. Wer mag, stelle sich dazu wabernde Nebelschwaden, eine sich verdunkelnde Sonne und den Soundtrack aus "Herr der Ringe" vor.

An der Verwandlung des Sohnes zu Gollum sind wohl der Gatte und ich schuld. Oder besser gesagt, die nicht artgerechte Haltung. Schließlich gehört es zum Teenagerleben, alle Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung in den Wind zu schlagen. Jetzt haben wir aber während Corona äußerst gesund gekocht. Tonnen von Gurken wurden gehobelt, Salate geschleudert, Tomaten filetiert und dem sich sträubenden Teenager einverleibt. Die Folge: eine emotionale Leere, die sich anscheinend nur durch heimliche Ausflüge ins Fast-Food-Land füllen ließ.

Wir stellen den Teenager am Altmühlufer und versuchen ihm zu erklären, dass Döner ein Genussmittel sei, kein Suchtmittel. Doch wir stoßen auf taube Ohren, was vielleicht daran liegt, dass der Teenager sich Zwiebeln in eben jene stopft. Da hilft nur noch eins: Wir locken ihn mit einer Currywurst-Attrappe ins Auto und reiben ihm zur Akut-Medikation die Brust mit Fritteusenfett ein. Ab morgen heißt es dann Familientherapie im Wirtshaus - inklusive Speisekarten-Mantra, Pommesgewürz-Aroma-Massagen und täglicher Schnitzel-Inhalation.

EK

(Fortsetzung folgt. . . )