Kösching
Hoch hinaus

Radfahrer Monika Baumann und Christian Wagner folgen auf Pamir-Highway europäischem Fernreisetraum

20.07.2018 | Stand 23.09.2023, 4:09 Uhr
Unzählige Pässe überqueren Monika Baumann und Christian Wagner auf ihrem Weg über den Pamir-Highway, die Hauptverkehrsstraße des Pamir-Gebirges in Zentralasien. −Foto: Fotos: privat

Kösching (EK) Seit ihrem letzten Heimatbesuch an Weihnachten haben die Köschingerin Monika Baumann und Freund Christian Wagner auf ihrem Weg nach Aus tralien weitere 7000 Kilometer zurückgelegt. Auf dem Rad durchquerten sie für Daheimgebliebene eher ungeläufige Länder wie Turkmenistan oder Tadschikistan.

Auf der Terrasse von Baumanns Elternhaus in Kösching erzählen die Radreisenden über zwei Stunden von ihren Erlebnissen seit Georgien - und das ist nur eine kurze Zusammenfassung der vergangenen sieben Monate. Sie gönnen sich eine Pause in der Heimat, um Christian Wagners Tochter Anna zu besuchen und das Visum für China zu beantragen. 13000 Kilometer haben sie seit Juni 2017 hinter sich gelassen. Nun sind sie in der Stadt Osch im zentralasiatischen Kirgistan angekommen. Das "Reich der Mitte" ist das nächste Ziel - aber nicht leicht zu erreichen. "Man muss für jede Nacht eine Hotelbuchung im Voraus aufweisen können", sagt Baumann. Und weil die beiden mehr als 30 Tage in der Türkei verbracht hatten, mussten sie vor ihrer Rückkehr nach Asien im Generalkonsulat der Volksrepublik China in München vorsprechen.

Abgesehen von langwierigen Einreiseprozeduren nach Aserbaidschan oder in den Iran hatten Baumann und Wagner aber bisher kaum Probleme an den Grenzen. Inlands konnten sich die beiden vor Gastfreundlichkeit oft kaum retten. "Je weiter es in Richtung Osten ging, desto mehr wurde sie", sagt Wagner. Kaum ein Tag verging, an dem der 39-Jährige und seine Freundin keine Einladung von Privatmenschen, Restaurants und Hotels erhielten oder Wasser, Joghurt und Obst in die Hände gedrückt bekamen. Ein höfliches "Nein, danke" kam selten infrage. "Wir haben uns angewöhnt, Geschenke anzunehmen, sonst würden wir immer ewig diskutieren", sagt Baumann deshalb.

Auch Polizei und Militär mühten sich um das Wohl der Radler. So war in Aserbaidschan der Winter hereingebrochen. "Es war nasskalt, harte Bedingungen, um draußen zu fahren", erzählt Wagner. "Der Nebel war so stark, dass die Polizei uns von der Straße gefischt hat." Zwar durften sie nicht auf der Wache übernachten, dafür auf dem Polizeigelände zelten - angeblich zum Schutz vor Wölfen.

Im Iran machten Baumann und Wagner ähnliche Erfahrungen. "Wir wurden oft gewarnt, dass wir im Winter nicht draußen schlafen sollen", sagt Wagner. Sie taten es dennoch. Morgens überprüften Polizisten häufig, ob es den Deutschen in ihren Zelten gut geht. Gar nicht so verwunderlich, wachten die beiden in der Varzaneh-Wüste überraschend unter einer dicken Schneedecke auf. "Das sah aus wie in der Antarktis", beschreibt Baumann.

Nach einem Abstecher nach Dubai sowie in den Oman mit Tauchgängen und Besuch von Anna ging es durch den kargen Osten des Irans inklusive der Wüste Dascht-e Lut zurück in Richtung Turkmenistan. Dort erwartete Baumann und Wagner ein besonders spannender Teil der Reise. Denn: "Turkmenistan ist eins der am wenigsten bereisten Länder der Welt", weiß Baumann.

So war es ungewiss, ob die 32-Jährige und ihr Freund überhaupt einreisen dürfen. Gerüchten zufolge lehnt Turkmenistan, das vor allem von Erdgas lebt und "von einem demokratischen Diktator" regiert wird, die Hälfte aller Visaanträge ab. "Trotz der Horror-Geschichten gab es für uns aber kein Problem", sagt Baumann. Von der turkmenischen Botschaft in Deutschland erhielten sie per E-Mail eine Einreisebestätigung. Allerdings galten die Visa so kurz, dass eine Durchreise per Rad unmöglich war. "Wir sind mit dem Zug gefahren, damit wir Zeit haben, etwas vom Land zu sehen."

In der Hauptstadt Ashgabath erschien den beiden "alles komplett neu". Sie erzählen von vierspurig ausgebauten Straßen und klimatisierten Bushaltestellen, vom auffälligen Fehlen von Werbetafeln, von der großen Polizeipräsenz sowie Schülern und Studenten in Uniform. Als enorm beschreiben Baumann und Wagner die Bürokratie: "Die Turkmenen brauchen ein Visum für das eigene Land, wenn sie in Weißrussland studieren und ihre Heimat besuchen wollen."

Während Usbekistan mit "Top-Destinations" trumpfen konnte, schildert Wagner die nächste Station Tadschikistan als "very pure country": Auf dem Weg in Richtung Pamir-Highway erlebten die Radler nicht nur "superhohe Berge", sondern auch große Armut. "An den Grenzstationen haben sie uns um Kugelschreiber angebettelt", berichtet Wagner. Auch das Stromnetz war dürftig - mancherorts nur drei Stunden am Tag funktionsfähig. Bemerkenswert zudem die Dusche: "Es gab einen Eimer mit kaltem und einen mit heißem Wasser, dazu eine Schöpfkelle", erinnert sich Baumann. "Aber das sind Luxusprobleme."

Im Hochgebirge schließlich, wo die Radler auf dem Pamir-Highway dem "Fernreisetraum vieler Europäer" folgten, gab es gar keine Dusche mehr. "Nur einen kalten Fluss zum Reinspringen", sagt Wagner. Das geringste Problem, denn weil er und seine Begleiterin sich wegen der mit Motorrad- und Fernreisefahrern regelrechten Überfülltheit der Straße für eine abgeschiedenere Route entschieden, war die Strecke bald nur mit Schotter bedeckt. "Es ging hoch, hoch, hoch, der höchste Pass war über 4300 Meter", sagt Wagner. Oft mussten die beiden ihre Räder schieben, das Gepäck die steile Straße hochtragen. Für eine Strecke von rund 200 Kilometern benötigten die Radler sieben Tage. Aber: "Das war eine geile Landschaft", sagt Baumann.

Für die Fahrräder war der Highway ebenfalls eine Herausforderung. Sechsmal flicken am Tag war keine Seltenheit. Zu Hause wurden deshalb nicht nur ein neues Zelt, sondern auch neue Reifen bestellt. An diesem Montag geht es von Deutschland aus zurück nach Asien - wo die beiden auch erst einmal bleiben werden. Denn Wagner und Baumann haben ihre Pläne geändert. Australien wird vermutlich doch nicht das Endziel: "Wir werden länger unterwegs sein als geplant und würden in Australien in die Regenzeit kommen", sagt Baumann. Stattdessen peilen sie nun Südostasien an - auch, um wieder mehr tauchen zu können. "Australien machen wir vielleicht später mal."

Tanja Stephan