Eichstätt
"Heute schon gelogen?"

Geistreicher und kurzweiliger Festvortrag von Professor Klaus Stüwe über Lügen in der Politik

20.01.2019 | Stand 02.12.2020, 14:48 Uhr
Festredner war der Politikwissenschaftler Professor Klaus Stüwe. −Foto: Chloupek, Eva, Eichstaett

Eichstätt (chl) Der Festredner des gestrigen Neujahrsempfang hatte sein Publikum bereits mit dem ersten Satz gewonnen: "Hand aufs Herz: Haben Sie heute schon gelogen?

" So eröffnete der Vizepräsident der Katholischen Universität und Politikwissenschaftler Klaus Stüwe seinen geistreichen und kurzweiligen Vortrag zum Thema: Lügen in der Politik.

Lügen an sich seien nicht prinzipiell verwerflich. "Schön Sie zu sehen" hätten an diesem Vormittag sicher so manche gesagt, die das Gegenteil gedacht haben. Gesellschaftlich und moralisch ginge das in Ordnung, meinte Stüwe unter schmunzelnder Zustimmung des Publikums. Auch in der Politik könne es Situationen geben, wo Lügen aus Gründen der Staatsräson sogar geboten sein könnte. Stüwe teilte hier die Auffassung des Soziologen Max Webers zur Verantwortungsethik: In Einzelfällen könne Wahrhaftigkeit einen größeren Schaden anrichten als die Lüge - etwa als Kanzlerin Merkel und Finanzminister Steinbrück in der Finanzkrise 2008 die Spareinlagen wider besseres Wissen für "sicher" befunden hätten.

Eine regelrechte "Kultur der Lüge" , in der Glaubwürdigkeit kein gemeinsamer Nenner mehr sei, gefährde allerdings die repräsentative Demokratie. Stüwe blickte hier nicht nur auf die USA und die viel zitierten "alternativen Fakten". Wenn Tatsachen systematisch ignoriert und deren Belege ihre Autorität verlieren, dann sei man in der "postfaktischen Demokratie" angekommen. Hier seien Lügen ohne Sanktionen möglich - und genau hier beginne die Gefahr für die Demokratie. Wichtigste Akteure, um dem gegenzusteuern, seien die Bürgerinnen und Bürger selbst: "Eine Lüge funktioniert nur, wenn sich Leute finden, die sich belügen lassen. " Stüwe schloss seinen Vortrag deshalb mit dem Aufruf an alle: "Bleiben Sie kritisch! Lassen sie sich nicht belügen, und nehmen Sie es nicht hin, sondern regen Sie sich auf, wenn es doch jemand versucht! "