Eichstätt
Herausforderung für Rettungskräfte

Spektakuläre Großübung von Rotem Kreuz und Bergwacht in steilem Gelände unterhalb der Burg

15.04.2018 | Stand 23.09.2023, 2:55 Uhr
Mit zahlreichen "Verletzten" hatten die Einsatzkräfte vom Eichstätter Roten Kreuz und der Dollnsteiner Bergwacht bei ihrer Großübung am Fuße der Willibaldsburg zu kämpfen. Trotz der schwierigen Bedingungen klappte das Zusammenspiel der Beteiligten reibungslos. −Foto: Mayer

Eichstätt (EK) Ein herrlicher Frühlingstag, unterwegs im malerischen Altmühltal, sei es als Wanderer oder als Radfahrer. Die vielen Winkel und Wege laden auch rund um die Eichstätter Burg zum Entdecken ein. Doch dann passiert es.

Ein Downhillbiker fährt mit überhöhter Geschwindigkeit in den abschüssigen Bastionsgarten und übersieht das Geländer, stürzt darüber und liegt schwerverletzt im unwegsamen Gelände. Damit nicht genug. Ein weiterer Radler, der ihm ausweichen will, fällt auch über die Brüstung und liegt ebenfalls im unzugänglichen Hang. Im Bastionsgarten selbst befinden sich weitere Verletze aus einer nachfolgenden Wandergruppe - einer mit Herzinfarkt, der nächste mit einem stumpfen Bauchtrauma, zwei Personen sind im Schockzustand. Eine hysterisch und planlos herumrennende Ausflüglerin setzt den Notruf ab und informiert die eintreffenden Rettungskräfte undifferenziert und hyperventilierend.



Auch wenn die Situation inszeniert und sicher so nicht alltäglich ist, kann sie sich für die Rettungskräfte schnell zu einer großen Herausforderung entwickeln, besonders wenn sich die Verletzten in einem Terrain befinden, das nur schwer zugänglich ist und auch nicht mit den Rettungsfahrzeugen angefahren werden kann.
Am Samstagnachmittag wurde ein solcher Massenanfall von Verletzten (MANV) - so nennt sich im Fachjargon ein derartiges Schreckensszenario - in einer konzertierten Aktion von verschiedenen Einsatz- und Rettungskräften bei der Willibaldsburg höchst professionell geübt. Ziel der Übung war es, wie Wilhelm Lange vom BRK Eichstätt betonte, die Zusammenarbeit der einzelnen Einheiten des BRK Eichstätt zusammen mit der Bergwacht Dollnstein, die als Unterstützung für die Bergung der verunfallten Radler aus dem nur schwer zugänglichen Gebiet hinzugezogen wurde, zu intensivieren und zu professionalisieren. Acht ehrenamtlich tätige Mitarbeiter des BRK um Bereitschaftsleiter Giovanni Saltarelli, die im Vorfeld instruiert und täuschend echt geschminkt worden waren, mimten die Verletzten.

Für Notarzt Dr. Sebastian Fuchs gestaltet sich die Situation beim Eintreffen am Unfallort sehr unübersichtlich. Die Aufgabe für ihn ist nicht leicht: Anstatt sich um jeden Betroffenen einzeln zu kümmern, muss er die Anzahl der verletzten Personen und die Schwere ihrer Verletzungen erfassen, den Ort des Geschehens erkunden und sich einen Überblick verschaffen, um die Grundlage für eine strukturierte Versorgung zu schaffen. Alle Verletzten werden von ihm gesichtet und nach einem farbcodierten System in vier Kategorien eingeteilt. Dieses Vorgehen wird als "Triage" ("Einteilung") bezeichnet: Damit ist gemeint, dass die Patienten erst hinsichtlich ihrer Dringlichkeit gesichtet werden, bevor die eigentliche Behandlung beginnt. Ausnahme: die beiden Verletzten, die sich im Hang befinden und von denen sich wohl einer im kritischen Zustand befindet.

Fuchs übermittelt der Rettungsleitstelle eine kurze Lagebeschreibung, löst das Stichwort "MANV" aus, um Unterstützung nachzufordern. Schnell wird klar: Die Bergwacht Dollnstein muss alarmiert werden. In Kürze trifft Stefan Kalliga als Organisatorischer Leiter Rettungsdienst (OrgL) ein, er übernimmt die einsatztaktische Abwicklung und unterstützt den Notarzt bei der Sichtung und der Sicherung der Vitalfunktionen der Schwerstverletzten. Später wird er auch die Verteilung der Patienten auf die umliegenden Krankenhäuser übernehmen. In der Zwischenzeit ist auch die Bergwacht Dollnstein vor Ort, um sich um die Verletzte zu kümmern, die sich im Hang in einer teilweise kritischen Situation befinden.

Dabei geht alles Hand in Hand, denn die Hilfsorganisation um Franz Mittermeier ist ein eingespieltes Team. Auch bei der Bergwacht ist ein Notarzt mit im Einsatz: Dr. Michael Grüner, der als Gründungsmitglied der Bergwacht seit 2009 im knapp 30-köpfigen Team dabei ist, ist gefordert und diagnostiziert ein Schädel-Hirn-Trauma, das einen zügigen Abtransport in eine Spezialklinik erfordert. Priorität bei der Behandlung des Schädel-Hirn-Verletzten hat vor Ort noch die Wiederherstellung beziehungsweise Stabilisierung der Vitalfunktionen in Form einer Intubation. Mit neun Mann sind die Bergretter im Einsatz. Die Bergretter lagern die verletzte Person in den Luftrettungssack und befestigten diesen für den Abtransport auf der Gebirgstrage.

Bei der anderen Person, bei der sich eine Fraktur herauskristallisiert, wird das Bein für den schonenden Abtransport ruhiggestellt. Anschließend wird der Patient mit einer weiteren Gebirgstrage talwärts abtransportiert. Währenddessen sind weitere Einsatzgruppen nachgerückt und haben im Bastionsgarten einen Behandlungsplatz eingerichtet, in dem der Herzinfarkt-Patient, der Schockzustand sowie das Bauchtrauma fachmännisch erstversorgt werden. Der Abtransport dieser Verletzten erfolgt dann mit ehrenamtlich besetzten Rettungswagen aus Eichstätt und Kösching und mit dem geländetauglichen Fahrzeug der Bergwacht, in das ein Patientenraum integriert ist.

"Die Zusammenarbeit der an dieser großangelegten Übung beteiligten Institutionen hat hervorragend funktioniert. Mit dem Konzept zur Bewältigung von Großschadensereignissen bei einer hohen Anzahl von Verletzten sind wir in Eichstätt sehr gut vorbereitet": Das Fazit der an der Übung beteiligten Organisationen - Bergwacht Dollnstein, die Schnelleinsatzgruppe (SEG) Transport Eichstätt West, die SEG Behandlung Eichstätt West, die SEG Informationen und Kommunikation (luk) Eichstätt und ein Einsatzleiter Rettungsdienst (ELRD) - fiel sehr positiv aus.

Edgar Mayer