Eichstätt
Auch ein Steakhouse ist dabei

31 Immobiliendarlehen stehen im Mittelpunkt des Finanzskandals im Bistum Eichstätt

25.05.2018 | Stand 23.09.2023, 3:21 Uhr
Das Idyll trügt: Der Finanzskandal beschäftigt das Bischöfliche Ordinariat in Eichstätt (links) nach wie vor sehr. −Foto: Schneider

Eichstätt (DK) Der Finanzskandal im Bistum Eichstätt beschäftigt nicht nur die Ermittler, sondern nach wie vor die Öffentlichkeit. Immer wieder gibt es neue Meldungen und Hintergrundinformationen. Die Staatsanwaltschaft erklärte zwischenzeitlich, dass sie nur noch von einem "gesicherten Vermögensschaden von rund einer Million Dollar" ausgehe - statt ursprünglich 60 Millionen (umgerechnet etwa 51,2 Millionen Euro). Der Anwalt des ehemaligen Diözesan-Mitarbeiters erklärte jetzt, dass sein Mandant nur bereits existenten Weisungen Folge geleistet habe. Wie sieht der Stand der Dinge überhaupt derzeit aus?

 

DIE AUSGANGSLAGE

Zwischen 2014 und 2016 soll der ehemalige stellvertretende Finanzdirektor des Bistums insgesamt rund 60 Millionen Dollar aus dem kirchlichen Anlagevermögen in ungesicherte Kredite in die USA ausgereicht haben. Die Kreditlaufzeiten lagen zwischen zwei und fünf Jahren, der Zinssatz bei sieben bis zehn Prozent. Nach Aussage des Anwalts des heute Beschuldigten bewegte er sich damit in der Vorgabe des Dienstherrn, der "beispielsweise ein Renditeziel von acht bis zehn Prozent" angestrebt habe. Wirtschaftsprüfer sahen in den Krediten Ungereimtheiten, es fehlten laut Bistum Unterlagen. Daraufhin wurden weitere Kreditinvestitionen unterbunden, im Herbst 2016 trennte man sich vom Vize-Finanzdirektor. Wenig später kristallisierte sich intern heraus, dass es sich offenbar um kriminelle Machenschaften gehandelt haben könnte. Im Juli 2017 ließ der Bischof Strafanzeige gegen seinen früheren Vize-Finanzdirektor und einen US-Kompagnon stellen. Die beiden Männer haben sich Angaben der Staatsanwaltschaft zufolge "teilgeständig" eingelassen und sind mittlerweile beide unter Auflagen auf freiem Fuß. Die Ermittlungen laufen allerdings weiter. Beobachtern zufolge dürften sie sich nun, nach der Freilassung der beiden Beschuldigten aus der Untersuchungshaft, auch weiter hinziehen. Verfolgt werden demnach die Vorwürfe der Untreue, der Bestechung und der Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr. Eigenen Angaben zufolge hat der Bischof im Zuge der Affäre auch über einen Rücktritt nachgedacht. Er wollte sich aber "nicht vom Acker machen", sondern der Verantwortung stellen und zur Aufklärung beitragen, sagte er unserer Zeitung.

DIE IMMOBILIEN

Die Darlehensgeber haben Grundstücke in den USA eingekauft in der Hoffnung, dass sich dort große Discounter oder Firmen ansiedeln. Ein Beispiel für die 31 ausgereichten Darlehen ist ein etwa 1,8 Hektar großes Gelände in Florida, auf dem unter anderem ein Steakhouse steht. Einem Auskunftsportal im Internet zufolge wurde es für 2,9 Millionen Dollar an die Finanzkammer des Bistums "verpfändet".

DIE BESCHULDIGTEN

Bei den beiden Beschuldigten handelt es sich um einen 52-jährigen Ex-Mitarbeiter des Bistums sowie den etwa zehn Jahre älteren US-Projektentwickler. Der 52-Jährige ist studierter Theologe und war in jungen Jahren Mitglied des Zisterzienserordens, bevor er unter anderem an der Universität Navarra Management studierte. Über einen privaten Kontakt zu Bischof Hanke, den dieser auch bestätigte, kam es schließlich zu einer Beratertätigkeit für das Bistum. Diese mündete in ein Anstellungsverhältnis als Vize-Finanzdirektor. Zuvor war der Mann bei einer internationalen Investmentbank beschäftigt. Sein US-Kompagnon stammt aus Norddeutschland, ist Mitte 60 und war unter anderem im Vorstand einer renommierten Privatbank in Frankfurt tätig, bevor er in den Immobilienbereich wechselte. Sein Name taucht in mehreren Dutzend US-amerikanischen Gesellschaften als Manager auf.

DER SCHADEN

Die Staatsanwaltschaft ging bei der Annahme der Strafanzeige und bei den ersten Ermittlungen davon aus, dass die aus dem Bistumsvermögen ausgereichten 60 Millionen Dollar (nach aktueller Umrechnung rund 50,6 Millionen Euro) nahezu unwiederbringlich verloren sein könnten: Es sei damit gerechnet worden, dass die Rückzahlungsansprüche nicht durchsetzbar seien, teilte Oberstaatsanwältin Andrea Mayer auf Anfrage mit. Von dieser Auffassung ist man offensichtlich nun abgewichen. Wirtschaftsstrafrechtler Saliger sagt: Dem bekannten Grundsatz "im Zweifel für den Angeklagten" nach sei die Staatsanwaltschaft "auf der sicheren Seite, wenn sie nur ,gesicherte Vermögensschäden' anklagt". Das könnte im Umkehrschluss heißen: Die ausgereichten Darlehen sind nicht (mehr) Bestandteil einer möglichen Anklage. Dennoch kann das Bistum nach wie vor nicht sagen, wie viel Geld aus dem Anlagevermögen verlustig gegangen ist: Es kann also sein, dass die Kirche von Eichstätt doch noch bluten muss, sollten die Gelder nicht zurückfließen. Die Gesamtsumme der ausstehenden Darlehen liegt aktuell bei etwa 55,15 Millionen Dollar.
 

Die Schlacht beginnt - Ein Kommentar von Marco Schneider

Die Gegenseite hat zum Angriff geblasen: Nach fast drei Monaten Untersuchungshaft ist der ehemalige stellvertretende Finanzdirektor des Bistums Eichstätt mittlerweile auf freiem Fuß und hat sich durch seinen Anwalt nun erstmals öffentlich positioniert. Der Mann wehrt sich − wie zu erwarten war − gegen die Darstellung seines früheren Arbeitgebers, er habe an den offiziellen Wegen vorbei Geschäfte gemacht, die mutmaßlich kriminell waren. Vielmehr habe er sich, so lässt er durch seinen Rechtsbeistand sinngemäß ausrichten, bei allen Anlagen nur an den vorgegebenen Zielen seines Dienstherrn orientiert. Diese Ziele, acht bis zehn Prozent Rendite zu erwirtschaften, seien bereits weit vor dem Dienstantritt als Vize-Finanzdirektor festgelegt worden.

Nun sind solche Einlassungen − von welcher Seite sie auch kommen − immer mit Vorsicht zu genießen. Sie haben letztlich ja den Sinn, den jeweils eigenen Kopf so gut als möglich aus der Schlinge zu ziehen und die einem angelasteten mutmaßlichen Straftatbestände soweit wie möglich von sich zu weisen. Dennoch lassen die Aussagen des Anwalts aufhorchen.

Wer in Zeiten einer beginnenden weltweiten Bankenkrise Renditen von bis zu zehn Prozent anstrebt, muss wissen, dass das nicht risikolos möglich ist. Befremdlich mutet hier auch an, dass offenbar der Bischof selbst an jenem Beschluss beteiligt war, Gewinne aus Geschäften anzustreben, die jenseits einer konservativen Anlagestrategie liegen. Dass dabei dann auch Gelder in möglicherweise nicht geringer Höhe verlustig gehen könnten, sollte jedem klar sein.

Mit der öffentlichen Aussage des Rechtsbeistands des früheren Vize-Finanzdirektors hat nun eine Schlammschlacht zwischen den verschiedenen Parteien in dieser Finanzaffäre Fahrt aufgenommen. In die wird sich wahrscheinlich auch noch der US-Kompagnon, der diese Woche auf freien Fuß gesetzt wurde, einklinken. An ihrem Ende wird es möglicherweise auch Verlierer geben, die sich bislang eher geschickt im Hintergrund gehalten haben oder die als Aufklärer vorneweg marschierten.

Marco Schneider