Eichstätt
Eine Qual, zuzuhören

Verhörprotokoll der "Hexe" Ursula Bonschab verlesen - Jurahaus-Verein fordert Erinnerungskultur an die Opfer

11.08.2020 | Stand 23.09.2023, 13:28 Uhr
  −Foto: Steimle

Eichstätt - "Am Ort der Folter ist ihr abermals lang und breit zugesprochen worden.

" Ursula Bonschab wurden die Arme hinter dem Rücken gefesselt und sie daran hochgezogen - um ihr, der vermeintlichen Hexe, ein Geständnis zu entlocken. Die Bürgermeisterin weigert sich: "Aber fruchtlos", heißt es darum knapp im Verhörprotokoll, "danach abgeführt und verwahrt. "

Viele der Gäste, die zur Lesung "Bonschab - ein Name auf den Tod" im Höfchen des Museums "Das Jurahaus" gekommen sind, halten den Blick gesenkt, manch einer schüttelt von Zeit zu Zeit fassungslos den Kopf. "Es war für uns eine Qual, das zu transkribieren", sagt Künstler Wolfram P. Kastner, der sich des Protokolls gemeinsam mit dem Journalisten Claus-Peter Lieckfeld angenommen hat. Es ist auch eine Qual zuzuhören, wie die damals 36 Jahre alte Bonschab ab dem 1. März 1627 gut zwei Monate lang "systematisch psychisch und physisch" misshandelt "und zerbrochen" wird, wie Kastner sagt. Es habe ihn sehr betroffen gemacht, wie eine Person "in der Blüte ihres Lebens" gequält, um ihr Eigentum gebracht und getötet worden sei. All dies hat Kastner künstlerisch verarbeitet, weshalb sich die Ausstellungseröffnung "BischofsMacht und HexenMord" im Jurahaus-Museum anschließt.

Doch warum gerade hier? "Es hat etwas mit der Stelle zu tun, an der das Haus steht", erklärt die Vorsitzende des Jurahausvereins, Eva Martiny. Im 30-jährigen Krieg 1618 bis 1648 seien die Häuser im Buchtal zerstört worden, das Museumsgebäude selbst stammt aus dem Jahr 1657. Wie Professor Erich Naab bei seinen Recherchen entdeckt habe, könnte die Metzgerfamilie, die wie die Familie von Ursula Bonschab unter Bischof von Westerstetten weitgehend ausgelöscht wurde, im Vorgängerbau des Hauses gelebt haben. Dass aber auch das Türgewände von ihnen stammt, lasse sich nicht belegen, sagt Martiny, es trägt allerdings ein Metzgerbeil als Zunftzeichen. Sicher ist dagegen, dass die sogenannten Hexen auf dem Weg zum Hinrichtungsplatz durch das Buchtal hinauf zum Galgenberg gehen mussten, fährt die Vorsitzende fort.

Ihnen allen gemeinsam gehe es darum, die vielen Opfer "aus der Anonymität herauszuholen", sie zu rehabilitieren und ein öffentliches Gedenken möglich zu machen. Einen wichtigen Schritt ist man diesem Ziel schon näher gekommen: "Bei einem Gespräch mit unserem neuen Oberbürgermeister Josef Grienberger haben wir erfahren, dass eine Gedenktafel in Auftrag gegeben wurde", sagt Martiny, diese solle am Rathaus angebracht werden. Sie habe sich dagegen einen "säkularen Kreuzweg" hinauf zum Hinrichtungsplatz gewünscht, aber "vielleicht kommt das noch", wie Kastner sagt. Ursula Bonschab wird gleich am ersten Tag mehrfach gefoltert, ihr werden die Haare geschoren und "ihr ins Gemüte geredet". Sie "gesteht", eine grünliche Salbe und ein gleichfarbiges Pulver vom Teufel bekommen zu haben, "um Mensch und Vieh Schaden zuzufügen". Immer wieder widerruft sie, betont ihre Unschuld: "So wahr ein Gott ist, sie sei keine Unholdin (. . . ) und bittet deswegen, die Herren Commissarii wollen ihre Hände nicht in ihrem Blute waschen". Doch die Herren Commissarii wissen ganz genau, was sie hören wollen, stellen Fragen, die bestimmte Antworten nahelegen, und geben die weiteren Themen vor: "Abgeführt und verwahrt, nebenbei ist ihr das Kinderausgraben, Kellerfahren und Wettermachen zu bedenken aufgegeben worden. " Außerdem interessieren sich Bonschabs Häscher für ihre "Komplizen". Wer keine Namen nennt, wird weiter gefoltert. Die Bürgermeisterin gab in manchen Fällen Personen an, "die verzogen oder verstorben waren", sagt Lieckfeld, doch allein damit hätten sie die "Herren" nicht davonkommen lassen und so nennt sie weitere Namen aus ihrem Bekanntenkreis - 33 insgesamt. Dabei muss Ursula Bonschab beschreiben, was die Personen getan haben, etwa "gegessen und getrunken, sei getanzt und gesprungen", und auch, was die "Verdächtigen" trugen. "Sie in einem veilchenblauen Rock, ihr Buhlteufel aber in Gestalt eines stattlichen Studenten in schwarzen, vornehmen Kleidern", heißt es im Protokoll. "Man könnte die Vielfalt der damaligen Mode nachzeichnen", sagt Lieckfeld, "die Exaktheit sollte damals die Aussage unterstreichen. "

Zum Ende hin muss die 36-Jährige Angaben zu ihrem Vermögen machen, als Ehefrau des Bürgermeisters und Gastwirtin zählte sie zur bürgerlichen Mittelschicht. Bonschab erklärt, wer was bekommen solle. Ihrem letzten Wunsch wurde nicht entsprochen. Alle Blätter seien in der Mitte durchgestrichen, heißt es, "als wenn die Vermächtnisse als annuliert anzusehen sind". Die Verfolger haben sich also am Vermögen der Gequälten bereichert.

Zwei Dinge möchten Kastner und Lieckfeld anregen: Zum einen sollen die Menschen Rehabilitierung erfahren. Dazu gehört neben der Tafel am Rathaus auch eine steinerne Tafel im Kreuzgang des Doms. Doch es soll nicht nur auf die Folter hingewiesen werden, auch die Nennung aller Namen an prominenter Stelle ist den Beteiligten wichtig.

Außerdem solle eine umfangreiche wissenschaftliche Forschung betrieben werden. Das könne, sagt Kastner, der Lehrstuhl für neuere Geschichte an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt übernehmen, der dafür Gelder der Deutschen Forschungsgemeinschaft bekommen könne. Es gebe noch genügend Protokolle, die nicht transkribiert seien. Doch das Anliegen reicht über die Forschung hinaus: "Folter ist keine Sache der Vergangenheit", betont Lieckfeld, er wolle, dass die Kirche Räume zur Rehabilitation von Folteropfern zur Verfügung stelle.

Ihm lasse dieses Verbrechen gegen die Menschlichkeit keine Ruhe, betont Kastner, der sich bereits seit 1982 mit der Hexenthematik beschäftigt. Vielen der Zuschauer scheint es ähnlich zu gehen. "Ich stehe voll hinter euch", sagt eine Frau, um "Macht und Geld" sei es gegangen, sagt eine andere, mit dem "Unter-den-Teppich-Kehren", solle Schluss sein.

Am Ende bat Ursula Bonschab um eine "gnädige Strafe". Diese bestand darin, dass sie zuerst "durch das Schwert hingerichtet, und darauf verbrannt wurde".

EK

Tina Steimle