Eichstätt
Ein weltweites Sprachrohr

Interview zum "Tag der Menschenrechte" mit den Eichstätter Vertretern von Amnesty International

09.12.2018 | Stand 02.12.2020, 15:04 Uhr
Engagieren sich in Eichstätt aktiv für Menschenrechte: Stefan Arndt, Lea Heeren und Gabriele Casper (von links) sprechen für die drei Eichstätter Gruppen von Amnesty International. −Foto: Straßer

Eichstätt (EK) Vor genau 70 Jahren, am 10. Dezember 1948, wurde die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von den Vereinten Nationen verabschiedet. Damit wurde die "Anerkennung der angeborenen Würde und der gleichen und unveräußerlichen Rechte aller Mitglieder der Gemeinschaft der Menschen", wie es in der Präambel der Erklärung heißt, als international gültig festgeschrieben.

Amnesty International (AI) ist die größte unabhängige Bewegung, die weltweit für die Menschenrechte eintritt. Aus diesem Anlass sprach der EICHSTÄTTER KURIER mit den Vertretern der Organisation vor Ort: Gabriele Casper, seit 1982 bei der Eichstätter AI-Gruppe, Lea Heeren, seit 2016 bei der Eichstätter AI-Hochschulgruppe, und Stefan Arndt, seit 2013 bei der AI-Hochschulgruppe und Gründungsmitglied der noch jungen AI-Asylgruppe Eichstätt.

Amnesty International und auch die deutsche AI-Sektion gibt es seit 1961. Wie kam es zur Gründung Ihrer Gruppen, gab es einen konkreten Anlass, beziehungsweise: Was war die Motivation zur Gründung?

Stefan Arndt: Die Asylgruppe ist ein Zusammenschluss aus Mitgliedern der beiden bereits bestehenden Eichstätter AI-Gruppen, der sich gegründet hat, als in Eichstätt die Abschiebehaftanstalt eröffnet wurde. Für Amnesty International ist es als Nichtregierungsorganisation möglich, Zugang zu solchen Anstalten, auch zum ehemaligen Transit- und jetzigen ankerzentrum in Manching zu bekommen, das war der Grund.

Lea Heeren: Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, andere Studenten auf einzelne, akute Menschenrechtsverletzungen weltweit aufmerksam zu machen. Ich war selbst bei der Gründung 2007 natürlich noch nicht dabei, aber ich kann mir vorstellen, dass es dazu kam, weil man in der Gruppe einfach mehr erreicht, leichter Aufmerksamkeit erzielt und sich für Aktion in Schichten aufteilen kann.

Gabriele Casper: Auch ich war bei der Gründung der Eichstätter AI-Gruppe Ende der 1970er-Jahre noch nicht dabei, habe mich aber mit dem Gründungsmitglied Brun Appel über die Zeit unterhalten. Die Motivation, etwas zu tun, sich zu engagieren, war damals sehr groß, auch die Gruppe war damals sehr groß. Ich denke auch, dass eine Einzelperson das nicht leisten kann, was eine Gruppe zu tun vermag.

Die Aktivitäten von AI weisen meist auf Missstände im Ausland hin. Ist in Deutschland also in Sachen Menschenrechte also alles gut?

Arndt: Nein, das liegt an dem Grundsatz, dass die AI-Sektionen nicht im eigenen Land arbeiten - in politisch nicht stabilen Regionen ist das für die Gruppen ein Schutz. Es gibt aber auch Ausnahmen, wie eben die Asylgruppen, die sich für Menschen und ihre Rechte hier vor Ort einsetzt.

Provozierend gefragt: Warum ist es für uns in Deutschland überhaupt von Bedeutung, wie es um Menschenrechte in anderen Ländern steht?

Casper: Wenn man wie wir in der glücklichen Lage ist, in einem Land zu leben, in dem man nicht in Gefahr ist, wenn man den Mund aufmacht, wenn man agiert, dann sollte man das nutzen. Empathie ist eine menschliche Eigenschaft. Und letztlich geht es auch um Gerechtigkeit.

Arndt: Es gibt viele Länder, auch in Europa, in der die Einhaltung der Menschenrechte erst vor wenigen Jahrzehnten durchgesetzt wurde - oder heute wieder in Gefahr ist. Man vergisst oft das, was vor der eigenen Haustüre oder in der eigenen Vergangenheit passiert ist.

Was stand am Anfang im Vordergrund Ihrer Arbeit - und hat sich der Schwerpunkt seitdem verlagert?

Casper: Am Anfang stand vor allem das Engagement für so genannte Adoptionsfälle im Vordergrund. Jede Gruppe hatte einen politischen Gefangenen aus der westlichen und einen aus dem östlichen Teil der Welt, für den sie jahrelang gearbeitet hat - mit Appellbriefen an die Regierung, aber auch, indem sie sich bemüht hat, persönlich mit dem gefangenen in Kontakt zu treten. Die Eichstätter Gruppe hat zum Beispiel einen vietnamesischen Offizier, der in der Garage seines eigenen Hauses gefangen gehalten wurde betreut und mit Medikamenten versorgt. Seine Familie, die damals nach Frankreich flüchten konnte, war sogar einmal zu Besuch hier.

Heeren: Das finde ich interessant, das kenne ich gar nicht mehr, dass es auch persönliche Kontakte gab. Heute läuft fast alles über AI Deutschland, wir beteiligen uns an gruppenübergreifenden Kampagnen, da wird mehr auf die Masse an Unterschriften für einen speziellen Fall gesetzt.

Arndt: Da es uns ja noch nicht lange gibt und wir uns ganz konkrete Aufgaben gesetzt haben, ist unser Schwerpunkt klar: Wir machen Asylrechtsberatung, kontrollieren zum Beispiel anhand der Dokumente, ob eine Abschiebung rechtmäßig ist. Im Ankerzentrum begleiten wir auch Asylverfahren. Es ist aber so, dass wir uns inzwischenmehr auf betroffene Frauen konzentrieren, am Anfang war das Klientel gemischter.

Viele Ehrenamtliche, die sich sozial oder in einer Menschenrechtsorganisation engagieren, sehen sich seit ein paar Jahren öfters Angriffen und Kritik ausgesetzt als früher. Wie ist Ihre Erfahrung?

Casper: Das kann ich für Eichstätt nicht so bestätigen. Wenn wir einen Stand machen, sei es beim Altstadtfest, bei der Nacht der Lichter oder auch auf dem Wochenmarkt, und vorher in der Zeitung darüber informiert wurde, dann kommen die Leute ganz gezielt zu uns. Die Bereitschaft zu helfen ist bei uns generell sehr groß.

Heeren: Ja, in Eichstätt lebt man ja auch ein bisschen in einer heilen Welt, und die Studenten sind für unsere Aktionen meistens sehr offen. Wenn sie nicht gleich unterschreiben, dann nehmen sie gerne Infomaterial mit.

Arndt: Da wir mit unsere Gruppe ein für manche Leute offenbar provokantes Thema behandeln, geht es mir da etwas anderes. Wir sind in Manching durchaus schon von Passanten aggressiv und rassistisch angegangen worden. Aber wir bekommen auch viel positive Bestätigung.

Casper: Wie ich vom AI-Generalsekretariat erfahren habe, gibt es aber in anderen Ländern, etwa in der Türkei, in Ungarn oder auch in Indien, durchaus Probleme für Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International. Da werden Konten gesperrt, die Arbeit der Regionalbüros vor Ort wird gezielt erschwert.

Trotz solcher Tendenzen ist der heutige Tag ja auch ein Anlass, einmal auf positive Entwicklungen zurückzuschauen. Was ist für Sie persönlich der größte Verdienst von Amnesty International im Bezug auf die Menschenrechte?

Casper: Es ist sicher ein großer Verdienst von Amnesty, den Begriff der Menschenrechte und das Gefühl für ihre Bedeutung in das Bewusstsein der Weltöffentlichkeit gebracht zu haben. Waren an der Entstehung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte rund 15 Menschenrechtsorganisationen beteiligt, kamen zur Weltmenschenrechtskonferenz 1993 bereits etwa 1500 Gruppierungen.

Heeren: Was ich beeindruckend finde, ist, dass es durch Amnesty weltweit Menschen gibt, die sich ein Mitspracherecht erkämpft haben, die über das Sprachrohr Amnesty gehört werden. Darüber hinaus ist es für mich jeder einzelne kleine Erfolg, eine Freilassung oder eine Todesstrafe, die nicht vollstreckt wurde, der größte Erfolg von Amnesty - und auch das, was mich antreibt, mich zu engagieren.

Arndt: Da kann ich mich nur anschließen. Amnesty International ist als Organisation heute ein Symbol. Für viele Menschen auf der Welt bedeutet es sehr viel, zu wissen, dass Amnesty an ihrem Thema, an ihrem Fall dran ist. Amnesty gibt Leuten Hoffnung, die sonst keine hätten. In unserer Arbeit hier in der Abschiebehaftanstalt versuchen wir allerdings eher, den Leuten nicht zu viel Hoffnung zu machen, da wir nie wissen, wie ein Fall ausgeht. Wir versuchen, die Gespräche so nüchtern wie möglich zu führen, dass ist auch für mich persönlich wichtig, um das alles nicht zu nah an mich heranzulassen.

Casper: Ich habe erst kürzlich von Amnesty Deutschland einen Brief weitergeleitet bekommen, den der äthiopische Journalist Eskinder Nega geschrieben hat. Darin spricht er über die furchtbare Zeit, die er wegen seiner Arbeit im Gefängnis verbracht hat. Er schildert sehr eindringlich seine Erlebnisse, die Folter, die Repressalien. Aber auch, dass er selbst in der dunkelsten Zelle immer gewusst habe, dass Amnesty International für ihn eintritt, und wie wichtig das für ihn gewesen sei. Im Frühjahr wurde er freigelassen.

Die Fragen stellte Katrin Straßer.
 Drei Amnesty-International-Gruppen in EichstättDie Eichstätter Gruppe von Amnesty International wurde 1978 gegründet und setzt sich seitdem für die Wahrung der Menschenrechte ein.Die Gruppe besteht aus aktiven wie passiven Mitgliedern und wird durch eine Vielzahl von Förderern bei ihrer Arbeit für die Menschenrechte unterstützt. Einmal im Monat findet ein Treffen der Mitglieder statt, bei dem Aktionen geplant und besprochen werden. Die Gruppe hat sich in der Vergangenheit unermüdlich und oft erfolgreich für die Freilassung von politischen Gefangenen eingesetzt. Außerdem nimmt die Gruppe an Aktionen und Kampagnen von Amnesty International teil und setzt sich so für die weltweite Durchsetzung der Menschenrechte ein. Dazu werden zum Beispiel Fotoausstellungen, Mahnwachen, Filmvorführungen und Unterschriftenaktionen organisiert. Wer mitmachen möchte, kann sich per E-Mail melden unter gabriele. casper@altmuehlnet. de. Die Amnesty International Hochschulgruppe Eichstätt wurde im Sommersemester 2007 gegründet. Die Hochschulgruppe besteht aus mehreren Themengruppen, die schwerpunktmäßig arbeiten. Zusätzlich nimmt auch die Hochschulgruppe an aktuellen Kampagnen und Aktionen von Amnesty International teil. Die Aktivitäten finden überwiegend auf dem Universitätsgelände der Katholischen Universität in Eichstätt statt: zu folgenden Themen wie Menschenrechtsverletzungen in China, Menschenrechtsbildung an Schulen, gewaltlose politische Gefangene in Weißrussland, Landminen im Irak, oder auch zur Situation der Flüchtlinge. " Wer mitmachen möchte, kann sich per E-Mail melden unter aihg. eichstaett@ web. de. Die Amnesty International Asylgruppe Eichstätt entstand 2017 durch einen Zusammenschluss von Mitgliedern der beiden vorgenannten Gruppen und wurde 2018 "offiziell". Die Untergruppe von Amnesty berät Geflohene in der Abschiebehaft Eichstätt und den Transitzentren um Ingolstadt in Asylfragen, auch in Zusammenarbeit mit dem Münchner Flüchtlingsrat. Besonders im Zusammenhang mit den oft undurchsichtigen Schnelllverfahren ist die Gruppe unterstützend tätig. Wer mitmachen möchte, kann sich per E-Mail melden unter beratung@amnesty-asylgruppe-eichstaett. de. EK