Eichstätt
Ein Märchen über Gewalt

Theatergruppe am Willibald-Gymnasium beschäftigte sich mit "Gut und Böse"

12.07.2018 | Stand 23.09.2023, 3:42 Uhr
Ein intensives, nachdenkliches Stück erlebten die Zuschauer bei den beiden Theaterabenden am Willibald-Gymnasium. −Foto: Foto: Graf

Eichstätt (EK) "Was ist stärker - das Gute oder das Böse?" Mit dieser Frage beschäftigten sich die Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufen sieben bis neun des Willibald-Gymnasiums in ihrem Theaterstück, das sie zwei Mal in der Aula der Schule auf die Bühne brachten.

Im November hatten sich die Schüler auf ein modernes Märchen von Michael Köhlmeier als Stückvorlage geeinigt: Inspiriert von antiken Sagen oder Volksmärchen erzählt der Autor in seinem Buch "Wer hat dir gesagt, dass du nackt bist, Adam?" zu zwölf Schlüsselbegriffen Märchen. Die Theatergruppe wählte aus dieser Sammlung den wohl schwersten Brocken: "Die Traurige. Ein Märchen über Gewalt."

Märchen kennen kein Erbarmen: Wer könnte einem traurigen Mädchen, das mit leiser Stimme und gesenktem Blick um Arbeit bittet, widerstehen? Der Bauer, der ein guter Mensch sein will, sicher nicht. Ohne weitere Fragen nimmt er sie auf und nach und nach verfallen alle Anwesenden auf einem kleinen Bauernhof der Begierde, der jungen Frau um jeden Preis helfen zu wollen.

Die Traurige, die in diesem Märchen das Böse verkörpert, fordert als Preis für ihr Lachen den Schmerz der Anderen. Seifenpulver im Kartoffelpüree und Rizinusöl im Most führen zu allgemeiner Übelkeit und zur Entlassung der Mägde. Die angezündete Scheune und der zu Tode gerittene Rappe treiben die Tochter und die Bäuerin vom Hof. Der Traurigen verschaffen diese Aktionen immer nur für kurze Zeit eine grausame Lust. Die Traurige hat es leicht, denn sie ist über jeden Verdacht erhaben, darin liegt die eigentliche Gewalt ihrer Trauer.

Der Bauer, der am Ende allein mit der Traurigen, die nun die Böse genannt wird, todunglücklich auf dem Hof lebt, kann auch ihren letzten Wunsch nicht zurückweisen und heiratet sie. Die Böse ist am Ziel, ob sie dadurch ihr Glück gefunden hat, verrät das Märchen nicht.

In monatelanger Probenarbeit hat sich die Theatergruppe mit der Frage beschäftigt, was die Bösen eigentlich antreibt, und dabei sind auch die Schauspieler der Traurigen immer wieder auf den Leim gegangen, weil sie - wie die Figuren im Märchen - einfach nicht akzeptieren wollten, dass dieses Mädchen nicht zu retten ist.

In zahlreichen Improvisationen haben die Schüler experimentell immer neue denkbare Auswege durchgespielt. Ein märchenhaftes Ergebnis ohne Kollateralschäden konnten sie jedoch nicht finden. Aber was wäre das für ein Märchen, das den Leser um das gute Ende betrügt? Aus dieser Not heraus wendeten sich die Spieler bei den beiden Aufführungen in Brecht'scher Manier an das Publikum selbst: "Verehrtes Publikum, nur kein Verdruss. Wir sehen selbst, das ist kein rechter Schluss ..." Fünf verschlossene Umschläge standen zur Auswahl bereit und ein Zuschauer entschied mit seiner zufälligen Wahl das Ende, das anschließend an diesem Abend gespielt wurde. Als Darsteller agierten: Bauer und Bäuerin waren Matthias Engelhard (7b) und Emily Beck (7c), Tochter und Opa waren Jule Behringer (7a) und Daniel Klüber (7b), die zwei Mägde des Hofes wurden gespielt von Lea Bauch (8b) und Melanie Eberlein (9c), als Erzähler fungierte Fritz Meyer (7c) und die schwierige Rolle der Traurigen spielte sehr beeindruckend Hannah Berber (8c). Einstudiert wurde das Stück von Deutschlehrerin Almut Weyergraf, die nach 20 Jahren als Spielleiterin an verschiedenen Schulen mit diesem Stück aufhört.

Andreas Graf