Hitzhofen
Ein Jahr unter der UN-Flagge

Antonia Kuhn aus Hitzhofen ist als Jugenddelegierte bei den Vereinten Nationen in New York

03.08.2018 | Stand 23.09.2023, 4:18 Uhr
Die Flagge der Vereinten Nationen ist immer dabei: Die Hitzhofenerin Antonia Kuhn ist zur Zeit als Jugenddelegierte in Deutschland unterwegs. Dabei entdeckt sie: Jugendliche sind oft sehr politisch. −Foto: Foto: Poese

Hitzhofen (EK) Ein Klischee besagt, man müsse junge Leute für Politik begeistern. Doch es ist oft andersherum: Man muss Politikern die Sichtweise der Jugend klarmachen. Das tut die Hitzhofenerin Antonia Kuhn. Als deutsche Jugenddelegierte fährt sie zur Generalversammlung der Vereinten Nationen nach New York und wird dort sogar eine Rede halten.

"UN-Generalversammlung" - das klingt für viele in etwa so verführerisch wie "EU-Verordnung". Beide Organisationen haben ein ziemliches Image-Problem: Ob Vereinte Nationen oder Europäische Union, sie gelten als so wendig wie ein Pottwal, als Verwaltungsmonstrum, als abstrakt und schwer zu durchschauen.

Ja, das Thema UN ist komplex, gibt Antonia Kuhn zu - aber es geht dabei schließlich auch um die Zusammenarbeit der Weltgemeinschaft. Die 23-Jährige ist angetreten, um gleich zwei Probleme anzugehen. Erstens: erklären, was die Vereinten Nationen tun und warum das nützlich ist. Und zweitens: die jungen Leute zwischen 14 und 25 Jahren einbinden, die kaum eine politische Interessenvertretung haben. Und das heißt, sie will nicht weniger tun als Jugendliche an der Weltpolitik teilhaben zu lassen.

"Jugenddelegierte zur UN-Generalversammlung" nennt sich das Ehrenamt, das die Hitzhofenerin für ein Jahr ausübt. Wieder ein sperriger Titel, dahinter steckt aber eine spannende Tätigkeit. Zusammen mit dem zweiten Delegierten, dem 22-jährigen Lukas Schlapp aus Nürnberg, wird sie zweimal nach New York zum Hauptsitz der Vereinten Nationen reisen und zwischendurch Touren durch Deutschland machen, um die politischen Forderungen der jungen Leute einzusammeln - die schreiben sie gleich auf ein Bettlaken, denn es werden wohl viele Ideen sein.

Antonia Kuhns Studium, Jura und Europarecht in Würzburg, muss gerade hinten anstehen. Zu viel ist los, seit sie sich im März im Auswahlverfahren für die Jugenddelegierten durchgesetzt hat. Engagiert und neugierig ist die 23-Jährige schon lange. Während ihrer Schulzeit am Eichstätter Gabrieli-Gymnasium verbrachte sie ein Jahr in Finnland, später kamen ein Freiwilligendienst und Aufenthalte in Brasilien, Mexiko, Schweden und nochmal Finnland dazu. Ihre Engagements: Austauschschüler betreuen, Amnesty International, Grüne Hochschulgruppe. Sie ist eine, die anpacken will. Wenn Antonia Kuhn über ihre neue Aufgabe als Jugenddelegierte spricht, hagelt es Argumente und Zahlen. "Demokratie heißt, alle beteiligten Gruppen mit einzuschließen", sagt sie. Rund 10,7 Prozent der Deutschen seien zwischen 14 und 25 Jahre alt. Aber nicht einmal zwei Prozent der Abgeordneten im deutschen Bundestag sind unter 30, die beiden jüngsten sind 25. Daran sehe man, dass der Jugend die politische Stimme fehlt.

Für das Ehrenamt der Jugenddelegierten zur UN-Generalversammlung, das seit 2005 jedes Jahr neu vergeben wird, kann man sich bewerben. Gespräche und ein Assessment-Center sollen ermitteln, welche zwei Kandidaten zwischen 18 und 25 Jahren am besten dazu geeignet sind, rund neun Millionen deutsche Jugendliche bei den Vereinten Nationen zu vertreten. Was man zum Beispiel können muss: altgediente Delegierte, die gerade ihre Ruhe haben wollen, in einer Kaffeepause ansprechen und von den Belangen der Jugend überzeugen - auf Englisch natürlich. Dass sie als zukünftige Jugenddelegierte solchen Herausforderungen gewachsen ist, hat Antonia Kuhn in Rollenspielen bewiesen und die Jury überzeugt.

Aus Spiel wird nun bald Ernst. Im Oktober und dann noch einmal im Februar werden Antonia Kuhn und Lukas Schlapp nach New York zum Sitz der Vereinten Nationen reisen. Dort beraten sie die deutsche Regierungsdelegation. "Der Fokus liegt nicht auf inhaltlicher Expertise, denn die können wir nicht haben", erklärt Antonia Kuhn. Natürlich haben erfahrene Diplomaten bei vielen Themen mehr Wissen. "Aber unsere Perspektive kann ein 60-Jähriger nicht haben", sagt die 23-Jährige.

Die beiden Jugenddelegierten werden den dritten Ausschuss der UN-Generalversammlung besuchen. Er beschäftigt sich mit sozialen, humanitären und kulturellen Fragen. Alle zwei Jahre wird dort auch über die sogenannte Jugendresolution verhandelt, eine Empfehlung an die Mitgliedsstaaten, die speziell Jugendthemen betrifft. Antonia Kuhns Amtszeit fällt in das Jahr dazwischen. Das betrübt sie aber nicht. "So können wir zu jedem Thema eine Jugendperspektive einbringen", sagt sie. Das tun sie zum Beispiel in ihrer Rede, die die 23-jährige und der 22-jährige Delegierte vor dem Ausschuss halten werden.

"Ich finde, junge Menschen sollten in allen politischen Prozessen einbezogen werden und Jugendpartizipation auf UN-Ebene gehört dazu", sagt Lisa Heemann von der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen (DGVN). Die Gesellschaft ist einer der beiden Träger des Programms "Jugenddelegierte zur UN-Generalversammlung" - übrigens ist es nicht das einzige Programm. Es gibt in Deutschland auch Jugenddelegierte für Nachhaltige Entwicklung und Jugendbeobachterinnen bei der UN-Frauenrechtskonvention.

Die beiden Jugenddelegierten Antonia Kuhn und Lukas Schlapp sind inzwischen zu ihrer Tour durch Deutschland gestartet. Jugendgruppen, Einrichtungen oder Schulen können sich als Tourstation anbieten (Anfrage an info@jugenddelegierte.de). "Ich finde es erstaunlich, dass so viel Interesse an den Vereinten Nationen da ist", berichtet Antonia Kuhn von ihren Eindrücken. Auf eine solche Haltung sei sie nicht nur bei fest organisierten Gruppen wie der Unicef-Jugend gestoßen, sondern zum Beispiel auch bei ihren Stationen in einer sozialen Wohngruppe und in einer Jugendarrestanstalt. "Da ist eine riesige Gesprächsbereitschaft da", sagt sie.

Die jungen Menschen, die sie trifft, bewegen vor allem die folgenden Themen stark: Klimawandel, Umweltschutz und Gleichstellung. "Es heißt ja oft, die Jugend sei nicht politisch, aber die Themen, die genannt werden, sind so wichtig", berichtet Kuhn. Diese Beobachtung teilt auch Lisa Heemann von der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen: "Junge Menschen weltweit haben gemeinsam, dass sie sich eine Zukunft mit Frieden, Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit wünschen - und das sind genau die Themen der UN."

Katrin Poese