Eichstätt
Ein Chirurg der "alten Schule"

Zum Tod des langjährigen Arztes an der Klinik Eichstätt Dr. Peter Schindler

20.07.2018 | Stand 23.09.2023, 4:10 Uhr
Dr. Peter Schindler ist am 6. Juli gestorben. −Foto: Foto: privat

Eichstätt (EK) Nun ist er also doch von uns gegangen.

Dr. Peter Schindler. Er, den viele von uns für unsterblich hielten, ist nach kurzem Krankenlager am 6. Juli im Alter von 83 Jahren gestorben.

Nach Facharztausbildung für Chirurgie und Tätigkeit in mehreren Kliniken begann Dr. Schindler 1976 seinen Dienst als Oberarzt der Chirurgie in der Klinik Eichstätt unter Chefarzt Dr. Friedrich Hug, dessen langjähriger Stellvertreter er auch war. Seine "chirurgische Heimat" war die Bauchchirurgie. Viele Patienten verdanken ihm Heilung oder auch ihr Leben. Schindler war ein innovativer Chirurg. Er brachte als Spezialgebiet die Proktologie - die Behandlung von Erkrankungen des Enddarms - mit in das Leistungsspektrum der chirurgischen Abteilung ein. Mit großem Engagement und intensivem persönlichen Kontakt hat er sich - teilweise unter widrigen Umständen - der operativen Versorgung und ambulanten Weiterbetreuung dieser Erkrankungen gewidmet. Auch die Einführung der zum damaligen Zeitpunkt neuartigen Klammernahtgeräte für Operationen am Magen-Darm-Trakt ist das große Verdienst von Dr. Schindler. Sie sind heute unverzichtbarer Bestandteil jeder Bauchoperation.

Die Etablierung der Herzschrittmacherimplantation zusammen mit der Internen Abteilung hat er maßgeblich mitgetragen. Dr. Schindler war ein Chirurg der "alten Schule", ein penibler, vorsichtiger und ruhiger Operateur. Er drängte sich nie in den Vordergrund, kümmerte sich intensiv um die von ihm behandelten Patienten, er führte sie streng und nahm an ihrem Schicksal mit großem Einfühlungsvermögen teil. Lange vor Einführung eines offiziellen Risiko-Managements hat er sein "Schwarzbuch" geführt, in dem er eigene, vermeintliche oder offensichtliche Fehler der Mitarbeiter minutiös aufzeichnete. Er wusste, dass Komplikationen in der Chirurgie unvermeidbar sind, er nannte die Vorkommnisse "Nackenschläge, die jeden Chirurgen treffen".

Er selbst blieb von schweren persönlichen Rückschlägen nicht verschont. Ein Unfall brachte ihn an den Rand des Abgrunds. Mit unglaublicher Willenskraft hat er sich ins Leben zurückgekämpft und bis zu seiner Pensionierung als Chirurg gearbeitet. Er hat es sich, seinen Mitarbeitern und nicht zuletzt auch seiner Familie durch seine manchmal sehr direkte Art nicht immer leicht gemacht. Aber er war nie verletzend, immer kollegial, höflich zurückhaltend. Seine Sprüche, Anekdoten und Witze, seine Dialoge bei Visiten mit Patienten und Kollegen, "seine" proktologische Sprechstunde, die er zelebrierte, sind legendär, seine früheren Mitarbeiter zehren heute noch davon, manche seiner "Weisheiten" werden noch in Generationen die Runde machen ("Nimm Schweres leicht, nimm Leichtes schwer. ").

Die Frage nach der Zufriedenheit und den "menschlichen Dingen" war bei jedem Patientenkontakt essenzieller Bestandteil des Gespräches. Es gab keine Situation, zu der Schindler nicht eine Lebensweisheit kannte, um einen persönlichen Rat war er nie verlegen. Wenn das Ende einer Operation absehbar war, hat er, angestachelt durch seine Mitarbeiter, aus seinem unerschöpflichen Repertoire seine Sentenzen zum Besten gegeben, unter Beifall der Älteren und ungläubigem Staunen der Jungen.

Das Rauchen, früher eine Leidenschaft, hat er in späteren Jahren gegen harte sportliche Tätigkeit mit Jogging und Skilanglauf ausgetauscht. Er gehörte zu den Gründungsmitgliedern der Langlaufsportgruppe des SV Marienstein und firmierte sogar als Wettkampfarzt. Selbst als aktiver Fußballer hat er sich noch in der Klinikmannschaft verdient gemacht. Er war aber auch den "feinen" Sportarten nicht abgeneigt. Jahrelang hat er im Schachclub in Eichstätt gespielt, nach seinen eigenen Angaben mit mäßigem Erfolg, das Schafkopfen - sonst eher etwas Oberbayerisches - hat ihm als verwurzeltem Oberfranken großen Spaß gemacht. Unvergesslich seine Volksfestabendbesuche mit Klinikmitarbeitern. Die tägliche Lektüre einer großen Boulevardzeitung war ihm eine genüssliche Freude, das ihm lesenswert Erscheinende hat er farbig markiert zur Lektüre für die Mitarbeiter("ich hab schon mal das Wichtigste angestrichen, damit man nicht alles lesen muss").

Das Alter forderte auch von ihm Tribut. Mehrfach musste er seine frühere Klinik nicht als handelnder Chirurg, sondern als duldender Patient aufsuchen. Mit seinem Tod geht einer der letzten allumfassend gebildeten Chirurgen. Alle, die ihn kannten und mit ihm arbeiten durften, werden ihn als liebenswerten Menschen und Freund in lebhafter Erinnerung behalten. Unser Mitgefühl gilt seinen beiden Töchtern und deren Familien. Servus Dr. Schindler! Du wirst uns fehlen.

Matthias Karch