Eichstätt
In 555 Fällen Not gelindert

Der Sozialfonds des Willibald-Gymnasiums "Nachbar in Not" hat im vergangenen Jahrzehnt über 140 000 Euro ausgeschüttet

05.12.2017 | Stand 02.12.2020, 17:07 Uhr

Kuchenverkauf beim Elternsprechtag: Durch Aktionen wie diese fließt Geld in den Sozialfonds des Willibald-Gymnasiums "Nachbar in Not". - Foto: Graf

Eichstätt (EK) Im elften Jahr sammelt das Eichstätter Willibald-Gymnasium mittlerweile Mittel für den Sozialfonds "Nachbar in Not". Das Geld kommt Bedürftigen im Landkreis und der Stadt Eichstätt zugute.

In der Eingangshalle des Willibald-Gymnasiums herrschte am Freitag emsiges Treiben: Nicht weil sich die Schüler vor dem anstehenden Elternsprechtag ihre Nervosität aus den Gliedern schütteln mussten, sondern weil sie einen Kuchenverkauf organisierten, der eine wichtige Einnahmequelle für den Sozialfonds "Nachbar in Not" darstellt. Dessen Rechenschaftsbericht, der in jedem Jahr Auskunft über die Verwendung der Spendengelder gibt, liest man wohl mit einem lachenden und einem weinenden Auge.

Einerseits ist erfreulich festzustellen, dass "Nachbar in Not" seit seinem Bestehen in insgesamt 555 Fällen Not lindern und dabei über 140 000 Euro ausschütten konnte. Schaut man sich aber die konkreten Fälle an, kann man es fast nicht glauben, welche scheinbar banalen Formen Not oft annimmt. Eine alleinerziehende Mutter, deren Ex-Partner sie in einem finanziellen Chaos zurückgelassen hatte, war nicht in der Lage, ihrem achtjährigen Kind ein neues Bett mit Matratze zu kaufen. Oder: Als die Mutter eines Minderjährigen in Eichstätt an einer äußerst aggressiven Erkrankung innerhalb kürzester Zeit verstarb, konnte der - getrennt lebende - Vater in Hamburg wegen seines geringen Einkommens nicht die Kosten für den Umzug seines Sohnes übernehmen.

Not direkt vor unserer Haustüre zu lindern, war schon immer ein Anliegen der Schule, die sich seit Jahrzehnten in der Weihnachtsaktion das Ziel setzte, ein besonders förderungswürdiges Projekt in der Dritten Welt zu unterstützen. Daneben hatten Willy Scherer und der inzwischen verstorbene Dieter Eichiner 2007 die Idee, Armut zu bekämpfen, die - meistens im Verborgenen - direkt vor unserer Haustüre stattfindet. Schulleiter Claus Schredl übernahm diese Tradition begeistert bei seinem Dienstantritt vor vier Jahren.

Mag auch die Region Eichstätt gerade in der letzten Zeit immer wieder - wegen ihrer extrem niedrigen Arbeitslosenquote - als wirtschaftliche Musterregion Deutschlands angeführt werden, darf man dabei nicht übersehen, dass es trotz einer florierenden Wirtschaft eine Gruppe an Hilfsbedürftigen gibt, deren Zahl sich auch bei uns nicht verringert.

Vermeidung einer Stromsperre, Unterstützung bei einer Reparatur eines Haushaltsgerätes, Hilfe bei der Zuzahlung von Medikamenten, Beschaffung von Schulmaterial... Hinter jedem Fall steht eine verzweifelte Person, die ohne Hilfe von außen dieses - uns eher klein anmutende - Problem nicht lösen konnte.

Von Anfang an war klar, dass die Institution Willibald-Gymnasium nicht in der Lage gewesen wäre, die Unterstützung der Bedürftigen selbst vorzunehmen. Deswegen ging die Schule eine Partnerschaft mit der Caritas in Eichstätt ein, die Zuschüsse bewilligt, wenn alle anderen Möglichkeiten der Unterstützung und Förderung versagen. Hans Wiesner von der allgemeinen Lebensberatung an der Caritas-Kreisstelle Eichstätt schätzt an "Nachbar in Not", dass er "quasi aus dem Stand, ohne jegliche administrative Formalität, Mittel zur Verfügung stellen kann."

In einer Zeit, in der für Geldanlagen praktisch keine Erlöse mehr erzielt werden können, ist die Bereitschaft der Sparkasse Ingolstadt-Eichstätt, nach wie vor überdurchschnittliche Zinsen auszuschütten, besonders erwähnenswert.

Über den Zeitraum von zehn Jahren betrachtet, fallen aber sicher einige Entwicklungen auf, die Besorgnis erregen. So wird die Mehrzahl der Anträge von Frauen gestellt. Mit den Asylsuchenden kam 2015 eine weitere Gruppe an Bedürftigen dazu. Auch wenn die staatlichen Stellen die meisten Kosten übernehmen, können doch Situationen entstehen, in denen der Flüchtling finanziell nicht mehr weiter weiß: Fachdolmetscher helfen bei ärztlichen Untersuchungen, den Heilungsprozess deutlich zu beschleunigen; die Übernahme der Kosten von Lernmaterial oder auch Beförderung dienen in erster Linie dazu, den Einstieg ins Berufsleben zu fördern. Verstärkt ist zu beobachten, dass Anträge Energie- oder Mietschulden betreffen. In Verbindung mit anderen Fonds konnten aber Wohnungskündigungen oder Energiesperren bis jetzt verhindert werden.

Dass insgesamt die Zahl der Bedürftigen 2017 nicht kleiner geworden ist, beweist ebenfalls die Statistik: Bis Ende November 2017 wurden für dieses Kalenderjahr in 67 Notsituationen bereits rund 20 000 Euro an Unterstützung ausgeschüttet.

Bei allem Aufwand und aller Energie, die das Projekt "Nachbar in Not" allen Beteiligten abverlangt, machen dann aber Erfolgsmeldungen - wie die folgende - auch immer wieder Mut: Als in einer Familie mit vier Kindern die Mutter einen längeren Krankenhausaufenthalt antreten musste, waren Vater und Kinder auf die Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel angewiesen, wenn sie die Mutter besuchen wollten. Dies war nur möglich mit Unterstützung durch den Solidarfonds. Dankbar stellt der Vater fest: "Diese Besuche haben sicherlich erheblich zur Genesung meiner Frau beigetragen. Zudem hat mir der Gedanke sehr geholfen, in dieser schweren Zeit nicht alleine dazustehen."

 

 

HILFE BEANTRAGEN

Der Hilfesuchende (aus dem Landkreis Eichstätt) meldet sich bei der Caritas-Kreisstelle Eichstätt für einen Beratungstermin. Bei diesem Gespräch wird zuerst geprüft, ob eventuell Sozialleistungen - diese haben immer Vorrang - beantragt werden können. Erst dann besteht die Möglichkeit einer Unterstützung durch den Hilfsfonds. Dafür muss ein schriftlicher Antrag gestellt werden. Ansprechpartner ist Hans Wiesner, Weißenburger Straße 17, Telefon (08421) 97 55 13.