Eichstätt
Viel Nostalgie und ein bisschen Höhenrausch

Der Toboggan auf dem Eichstätter Volksfest ist die älteste reisende Rutschbahn Europas

06.09.2013 | Stand 02.12.2020, 23:42 Uhr

Ein wahres Lichtermeer wird der „Toboggan“ bei Nacht. So können die Besucher auch bei Dunkelheit eine Rutschpartie wagen. Eine große Hürde ist für viele das rasend schnelle Förderband, das die Besucher nach oben bringt. Glücklicherweise muss niemand diesen Weg alleine gehen, die Helfer stehen gerne zur Seite. Sollte es doch mal jemand ohne Hilfe schaffen, wird er dafür gleich mit dem Läuten einer Glocke belohnt. - Foto: kno

Eichstätt (EK) Der Toboggan ist in diesem Jahr eine der großen Attraktionen auf dem Eichstätter Volksfest – ein echter Hingucker.

Das traditionsreiche Fahrgeschäft bietet nicht nur eine Menge Spaß, sondern auch viel Nostalgie: Die Anlage nennt sich „die höchste reisende Rutschbahn Europas“. Ein bisschen mulmig wird einem ja schon, wenn man die roten Metallstufen hinaufsteigt. Die eigentliche Herausforderung wartet bereits vor dem Rutschgang. Ein graues Förderband, das die Besucher zur Spitze des 24 Meter hohen Turmes bringt, saust halbschräg nach oben. Mit Anlauf soll der Gast auf das Band springen. Als ob es nicht schon schnell genug wäre! Los geht's. Wer wie viele Besucher ins Taumeln gerät, braucht sich keine Sorgen zu machen: Die kräftigen Helfer verhindern jeden Sturz. Die darauf folgende Treppe, die zur Spitze führt, ist dann kein Problem mehr. Vielmehr bietet sich bereits Gelegenheit zu einem wunderbaren Überblick über die Eichstätter Wiesn. Aber viel Zeit zum Genießen bleibt nicht, denn die 52 Meter lange Holzrutsche wartet schon. Bevor die Rutschpartie beginnt, bekommt jeder eine rote Filzjacke angelegt, die gegen mögliche Verbrennungen durch die Reibung auf dem glatten Holz schützt. Dann geht es auch schon los. Schnell nimmt man Fahrt auf und wird an die Außenwände der Rutsche gedrückt. Es geht zweimal schnell im Kreis, bevor der Besucher auf die Zielgerade zuschießt und schließlich unten ankommt. Geschafft!

Unter den Besuchern finden sich überraschend viele Erwachsene. Die Meisten haben Kinder dabei. Wie der 28-jährige Peter, der sich mit seinem Sohn auf den Toboggan wagte: „Von unten sieht das schon ganz schön gefährlich aus“, erzählt er, „aber es hat dann ziemlich Spaß gemacht.“ Auch Dominik Harrer aus Möckenlohe riskierte mit seinen beiden Kindern schon einige Fahrten. Als Kreisheimatpfleger hat er natürlich ein besonderes Interesse an der nostalgischen Rutsche: „Schön, dass es hier so etwas gibt. Es hat auch richtig Spaß gemacht“, meint er.

Nicht jeder traut sich: „Ich bleib lieber hier auf dem Boden“, lacht eine junge Mutter, während ihr Mann mit den Kindern gerade rutscht. Ganz anders die kleine Maria (10), die schon ihre dritte Fahrt in Folge hinter sich hat: „Nein, Angst hatte ich keine. Ich fand es toll!“.

Bei der älteren Generation werden nostalgische Gefühle wach, wie der Besitzer des Toboggan, William Fischer (44) aus Duisburg, erzählt: „Auf jedem Volksfest kommen viele ältere Leute, die als Kind hier schon gerutscht sind.“ Die Rutsche des Schaustellers existiert schon seit über hundert Jahren. Im Jahre 1907 stand sie zum ersten Mal auf dem Münchner Oktoberfest. Anfang der 70er Jahre wurde die altertümliche Anlage dann von den Eltern von William Fischer gekauft. Die Schaustellertradition der Familie reicht bis 1885 zurück. Bevor der Toboggan in den Familienbesitz überging, hatte Familie Fischer ein Wandervarieté mit Tieren. Als Tierattraktionen jedoch aus der Mode kamen, suchte die Familie Alternativen und legte sich die höchste reisende Rutsche Europas zu. Und im Jahr 1988 war die Rutsche auch schon einmal in Eichstätt, betrieben von Fischers Eltern.

Dieses Jahr also wieder. Dabei hat sich im Großen und Ganzen nicht viel seit den Anfangsjahren der Rutsche geändert. Zwar ersetzt inzwischen ein Elektromotor die Dampfmaschine, die einst das Förderband und die Beleuchtung am Laufen hielt. Die Eschenholzbretter der Rutsche werden regelmäßig ausgetauscht, ebenso die Gerüstteile aus Kiefern- und Eichenholz. Die Antriebsräder, die das Förderband in Bewegung versetzen, sind jedoch noch immer original aus dem Jahre 1907. Auch der Mechanismus und die Funktionsweise sind die Gleichen wie vor über hundert Jahren. Die Eichstätter können also auf dem Volksfest eine wahrhaft historische Attraktion bewundern – die international bekannt ist. Seit William Fischer die Anlage 2003 von seinen Eltern übernommen hat, ist er schon viel in Deutschland, „von Hamburg bis Garmisch“, und in Europa herumgekommen. Sogar direkt vor dem Königsschloss in Amsterdam stand der „Toboggan“ schon. „Da darf normalerweise noch nicht einmal ein Fahrrad stehen“, lacht der Besitzer.

Im vergleichsweise kleinen Eichstätt fühlt sich Fischer absolut wohl: „Ein gutes Publikum, es sind viele Familien hier und die Leute sind alle sehr freundlich“, sagt er. „Man merkt, dass die Besucher zu ihrem Volksfest stehen.“ Ihm sei Traditionsbewusstsein wichtig, erklärt er, und das finde man vor allem in Niedersachsen, Norddeutschland und – klar – in Bayern. Deshalb sei er in diesen Teilen Deutschlands auch am liebsten unterwegs.

Der Toboggan – das Wort benennt übrigens ursprünglich einen kanadischen Indianerschlitten – wird dieses Jahr bestimmt nicht das letzte Mal in Eichstätt Station machen, sondern soll noch lange über die Volksfeste und Jahrmärkte dieser Welt ziehen. William Fischer verbürgt sich mit einem Lächeln dafür und verspricht: „Den wird's immer geben.“