Eichstätt
Irritation in der Männerrunde

KU-Präsidentin Gabriele Gien über Frauen in Führungspositionen und das Aufbrechen routinierter Muster

03.03.2017 | Stand 02.12.2020, 18:33 Uhr

Hat den Spagat zwischen Karriere und Familie geschafft: Uni-Präsidentin Gabriele Gien. - Foto: Kretzmann

Eichstätt (EK) Ständig wechselnde Gesprächspartner, viele Auswärtstermine, Reisen zu und mit internationalen Partnern: Der Tagesablauf von Professor Dr. Gabriele Gien ist alles andere als eintönig. Seit Oktober leitet die studierte Sprach- und Literaturwissenschaftlerin als Präsidentin die Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU). Ihr Werdegang an der KU kann sich durchaus sehen lassen: ab 2009 Lehrstuhlinhaberin, anschließend Vizepräsidentin, dann Senatsvorsitzende und bis Oktober schließlich Interimspräsidentin.

Doch eine Frau an der Spitze einer Universität? Eher ein seltenes Bild, schließlich ist dieses Amt überwiegend mit Männern besetzt, ebenso wie Posten in Hochschulgremien oder im Senat. Wirft es da nicht den routinierten Ablauf der "mächtigen" Männer durcheinander, wenn plötzlich eine Frau mit am runden Tisch sitzt? "Die Art des Diskurses ist auf jeden Fall eine andere, eine die Männer nicht gewohnt sind", sagt die 55-Jährige. Sie selbst beschreibt sich als eine Person, die sehr gut zuhören kann und auch Rückfragen stellt, was in einer solch oft ritualisierten Runde nicht immer üblich sei: "Das kann zum einen irritieren, aber zum anderen auch routinierte Muster aufbrechen." Das Gefühl, nicht gleichwertig behandelt zu werden, habe sie dennoch nie gehabt, denn die Dialoge seien stets auf Augenhöhe gewesen.

Die gebürtige Münchnerin, die mit ihrem Mann, Opernsänger Laurence Gien, in Augsburg wohnt, ist auch der Meinung, dass Frauen anders mit Konflikten umgehen: "Ich glaube, dass sie eher mal versuchen, zu moderieren und auszugleichen und sich nicht so sehr als Personen in den Mittelpunkt stellen."

Aber wie lässt sich eine wissenschaftliche Karriere mit der Familie vereinbaren? "Es war nicht immer einfach, aber es geht, und ich glaube auch, dass die Kinder so viel früher selbstständig werden, was bei meinem Sohn und meiner Tochter deutlich sichtbar ist", sagt die zweifache Mutter. Gien hatte, wie sie selbst sagt, relativ viel Glück. Sie habe immer Doktormütter und Betreuer gehabt, die kinderfreundlich waren. So konnte sie ihre Tochter während der Promotionszeit auch überall hin mitnehmen. Man müsse sich dennoch aktiv ein Netzwerk schaffen. "Insgesamt war es bereichernd, beides miteinander zu verbinden, obwohl es zeitweise schon schwierig war, beispielsweise bei ungeplanten Ereignissen, etwa wenn eines meiner Kinder krank wurde", erinnert sich die 55-Jährige zurück. Für sie sei es auch nie das Ziel gewesen, nur zu Hause bei den Kindern zu bleiben, da sie beides gerne macht - Mutter und zugleich Wissenschaftlerin sein.

Gien glaubt dennoch, dass eine Frau mehr als ein Mann leisten muss, um eine Führungsposition zu erlangen. "Ein gutes Selbstbewusstsein sowie der Wille sind entscheidende Faktoren, um erfolgreich zu sein." Flexibilität hinsichtlich der Planung einzelner Karrierebausteine sowie das frühzeitige Aneignen von entsprechenden Kompetenzen seien Gien zufolge ebenfalls wichtige Faktoren.

An einer Universität müsse sich eine Frau mehr beweisen, wenn es etwa darum geht, berufen zu werden. "Es wird immer so ein bisschen quotenmäßig diskutiert, ob denn nicht auch eine Frau auf der Liste stehen muss; ich glaube da fällt es manchen noch schwer, einen differenzierten Blick zu haben", so Gien. Jemand, der Familie und Kinder habt, könne einfach nicht so viel publiziert haben, aber dennoch wissenschaftlich genauso gut sein. Da fehle vielen noch der Blick auf das Gesamtengagement, meint die Präsidentin.