Eichstätt
"Stallgespräch" über Schweine

Johannes Scharl vom Häringhof will mit Vorurteilen bei der Nutztierzucht aufräumen und für Transparenz sorgen

24.01.2014 | Stand 02.12.2020, 23:10 Uhr

 

Eichstätt (EK) Muttersauen, die während der Phase des Säugens zwar stehen und liegen, sich aber nicht umdrehen können, Schweine, die einen Sender im Ohr haben, der bestimmt, was und wie viel sie zu fressen bekommen, männliche Ferkel, die ohne Betäubung kastriert werden. Das alles gehört zu einem heutigen Schweinezuchtbetrieb dazu.

Johannes Scharl, der auf dem Häringhof bei Eichstätt genau so einen Betrieb hat, redet nicht lang um den heißen Brei herum: Tierhaltung in der Landwirtschaft stelle stets einen Kompromiss dar. „Zwischen dem, was das Tier in freier Wildbahn machen würde und dem, was wir von dem Tier wollen.“

Allerdings sei es ihm wichtig, gängige Schlagworte und pauschale Vorurteile auszuräumen. Deshalb hat der Bayerische Bauernverband (BBV) zu einem „Stallgespräch“ auf dem Häringhof eingeladen. Das war wörtlich zu verstehen, denn der Großteil der Veranstaltung ging in den verschiedenen Bereichen des hochmodernen Schweinestalls über die Bühne.

Johannes Scharl, stellvertretender BBV-Kreisobmann, betonte, ihm sei daran gelegen, Transparenz zu schaffen. Sein Beruf stehe am Pranger, sagt er: „Wir sind irritiert über das Feindbild, zu dem wir geworden sind.“ Er verweist auf die Demonstration in Berlin am Samstag, bei der sich unter dem Transparent „Wir haben es satt“ zehntausende Menschen gegen industrielle Landwirtschaft, Massentierhaltung und übermäßigen Einsatz von Antibiotika in der Tierzucht und -haltung ausgesprochen haben.

Viele dieser Forderungen unterschreibt Scharl sogar. „Das sind wichtige Fragen und Themen.“ Aber es gebe wirtschaftliche Zwänge. Zwar sei er „Landwirt mit Leib und Seele“, doch verdiene er damit auch seinen Lebensunterhalt. Und vieles sei anders als in der Öffentlichkeit dargestellt. Zunächst einmal müsse man sich fragen, was die Bedürfnisse eines Schweins seien. Damit befindet sich Scharl mitten im Thema Massentierhaltung. „Eine Sau interessiert es wenig, ob sie mit zehn, mit 100 oder mit 1000 anderen zusammen ist, sondern, ob es ihr gut geht.“

Trächtige Sauen werden im Häringhof individuell gefüttert. Jede hat einen Chip im Ohr, der dem automatisierten Futterstand mitteilt, wie viel und welche Nahrung gerade dieses Tier bekommt. Das Futter wird übrigens am Häringhof selbst hergestellt und zusammengemischt. Der Stall der trächtigen Sauen verfügt über einen Freilauf und die Tiere können ungehindert wechseln.

Nach 108 Tagen der Trächtigkeit wechseln die Sauen in den Abferkelstall. Die Tragezeit beträgt fast exakt 115 Tage, weshalb alle Sauen innerhalb von zwei Tagen, meist donnerstags und freitags, ihre Jungen werfen. Während der Säugezeit werden die Schweine in massiven Kastenständen innerhalb ihres Pferchs untergebracht. Stehen und liegen ist kein Problem; umdrehen oder mehrere Schritte machen können die Tiere nicht. „Die Körbe werden immer wieder kritisiert“, weiß Scharl nur zu gut. Doch ohne Korb würde die Sau zu viele Ferkel erdrücken. In Österreich probierten es die Landwirte ohne Körbe. Da seien die Verluste auf 15 Prozent hochgeschnellt. Außerdem gibt es einen weiteren Grund: Eine Muttersau wiegt um die 250 Kilogramm. Wenn ein Ferkel quiekt, werden ihre Beschützerinstinkte geweckt und sie greift an. Was passieren kann, wenn sich eine viertel Tonne aggressiven Schweins auf jemanden zubewegt, lässt sich ausmalen. Für die Ferkel gibt es übrigens eine eigene Fußbodenheizung. Die Entwicklung in den Ställen bleibt freilich nicht stehen. Um den Schweinen eine möglichst der Natur angepasste Umgebung zu bieten, wird in Versuchsanstalten seit einem halben Jahr der Einsatz von Jutesäcken getestet. Dieses Material wird den Muttersauen als Nestbaumaterial angeboten, was sie offenbar gut annehmen, wie Scharl zu berichten weiß. Deshalb bittet er darum, den Landwirten Zeit zu geben, um bestimmte Dinge in der Zucht und Mast ändern zu können.

Auch in die Verabreichung von Antibiotika sei bereits vor längerer Zeit Bewegung gekommen. Früher sei es üblich gewesen, Antibiotika zur Leistungsförderung einzusetzen. „Das ist zehn Jahre her und inzwischen verboten“, sagt der Tierarzt Josef Schneider aus Landershofen. Auch präventiv werden keine Antibiotika verabreicht, nur wenn ein Tier tatsächlich krank sei. Und das betreffe fünf Prozent oder weniger des Bestandes. Der Tierarzt hatte auch ein Zahlenbeispiel bereit: In der Tiermedizin werden jährlich 1700 Tonnen Antibiotika verabreicht, in der Humanmedizin 400 Tonnen. Auf die Körpermasse heruntergerechnet, sieht es aber schon anders aus: Die Bevölkerung nimmt durchschnittlich pro Kilogramm Körpergewicht und Jahr 340 Milligramm zu sich; im Tierbereich sind es 2,5 Milligramm pro Kilo und Jahr. Dennoch lässt Schneider keinen Zweifel: „Der Verbrauch muss reduziert werden.“ Auch hier wird nach Ersatz gesucht – ein Forschungsthema sind derzeit Kräuterextrakte.