Eichstätt
Mundartpflege als Brücke zur Geschichte

"Dialekt und Schule": Lehrer aus ganz Bayern holen sich Anregungen an der Katholischen Universität

13.03.2014 | Stand 02.12.2020, 22:57 Uhr

Der »Glubb«: Bei einem Graffiti-Workshop konnten Lehrer den Dialekt grafisch umsetzen. - Fotos: max

Eichstätt (max) Die Mundart lebt. Das war der Tenor einer interdisziplinären Lehrerfortbildung zum Thema „Dialekt und Schule“, die am Dienstag an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt stattfand.

Auf Einladung von Monika Raml (Lehrstuhl Deutschdidaktik), die für das Projekt „Sprache im Fluss“ in den Altmühljura-Gemeinden zuständig war, hatten sich etwa 90 Tagungsteilnehmer aus ganz Bayern und allen Schularten eingefunden, um sich der Thematik aus verschiedenen Perspektiven anzunähern.

Mitinitiator und Organisator Hermann Ruch vom Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung (ISB) in München betonte, dass die Zeichen, sich in der Schule vermehrt mit der heimatlichen Mundart auseinanderzusetzen, günstig stünden. Heimat und Mundart hätten Konjunktur – im Kabarett, im Radio und im Fernsehen. Ruch zeichnete in einer historischen Entwicklungslinie die Zurückdrängung der Mundart seit dem 16. Jahrhundert auf. Diese gipfelte in einer Sprachbarrierendiskussion in den 1960er und 1970er Jahren, die durch den englischen Wissenschaftler Basil Bernstein ausgelöst worden war und in der deutschen Sprachdidaktik zu einer „Geringschätzung der Mundart als eines defizitären und daher minderwertigen Sprachsystems“ geführt hätte.

Um möglichst allen Kindern den sozialen Aufstieg zu ermöglichen, sei, so erläuterte Ruch, ein „kompensatorischer Sprachunterricht empfohlen“ worden. Allein die Standardsprache ermögliche eine optimale Kommunikation. Damit war nach Ruchs Aussagen auch die „Abqualifizierung von Dialektsprechern“ eng verbunden.

Doch seit 2001, jenem Jahr, in dem der Fall Florian aus dem bayerischen Oberland publik wurde (siehe eigener Bericht), habe sich die Situation verändert. Sprachwissenschaftler sehen heute die Mundart als „eigenes sprachliches System“, das in vielerlei Hinsicht der Standardsprache ebenbürtig, mitunter auch überlegen, ist.

Mundarten ermöglichten einen „individuellen und lebendigen Ausdruck“ und zeichnen sich durch Reichtum, hohe Bildhaftigkeit und eine große Klangfülle aus, erläuterte Ruch. Mundartsprecher würden „Nähe, Vertrautheit, Identifikation, emotionalen Rückhalt und Heimatgefühl“ vermitteln. Mundartpflege schlage Brücken zur Geschichte und zu den Traditionen. Sie bewahre die „sprachliche und kulturelle Vielfalt eines Landes“.

Den Bogen zum schulischen Kontext spannte dann Ulrich Kanz (ISB), der sich zunächst mit dem Begriff der „inneren Mehrsprachigkeit“ auseinandersetzte, um schließlich aus der 2014 aktualisierten Bekanntmachung „Pflege der deutschen Sprache“ die Forderung abzuleiten, dass Dialekte nicht nur als Unterrichtsgegenstand, sondern auch als Kommunikationsmedium zu sehen sind. Anhand des bereits ab kommendem Schuljahr gültigen Grundschullehrplans zeigte Kanz auf, welchen Stellenwert Dialekt und Mundart in Zukunft haben würden.

Im Anschluss folgte eine Podiumsdiskussion der Referenten mit Vertretern aus Schule, Wissenschaft und Gesellschaft. Das Podium war mit Klaus Wenzel (Präsident des Bayerischen Lehrerinnen- und Lehrerverbandes), Gerald Huber (Bayerischer Rundfunk), Richard Feigl und Johannes Schneider (Ignaz-Günther-Schule Altmannstein), Helmut Wittmann (Ministerialdirigent a. D., Bayernbund) besetzt.

Am Nachmittag wurden Workshops zur Umsetzung und Vertiefung von dialektbezogenen Themen im Unterricht angeboten. Dabei waren hauptsächlich Referenten im Einsatz, die bereits beim „Sprache im Fluss“-Projekt 2012 mit im Boot waren, zum Beispiel der Poetry-Slamer „Günni“ Dommel und die Dietfurter Online-Schülerzeitung Wadlbeisser mit Konrektor a. D. Johann Grad. Der Workshop „Dialekt-Graffiti“ nahm Bezug auf das Projekt „Wortschwall am Limes“, wo am Limes-Infopunkt in Titting von Schülern Stelen mit Wortskulpturen erstellt worden waren. Edgar Mayer, Hans Schnitzl-baumer und Gerhard Holz vermittelten Mundart-Kinderlieder und Conrad Pietschmann und Stadtführerin Hedwig Kölle ließen Audioguides im Dialekt erstellen.

Bei der Fortbildung wurden auch zwei Projekte aus der Praxis vorgestellt: das Fränki-Projekt, das Professorin Almut König und Monika Fritz-Scheup-lein vom Unterfränkischen Dialektinstitut (UDI) in Zusammenarbeit mit Schulen in Unterfranken organisieren sowie das Dialektforschungsprojekt „Sprache im Fluss“ (Projektleitung Raml, Mitarbeit Christine Heimerer), das sich durch seine regionale Bandbreite und thematische Vielfalt auszeichnete. Infos: www.sprache-im-fluss.de.