Eichstätt
Kohlenstoffeinheit, die sich Mensch nennt

11.06.2010 | Stand 03.12.2020, 3:57 Uhr

Eichstätt (hbc) Nach dem Erfolg seines ersten Vortrags im Spiegelsaal stattete Harald Lesch Eichstätt erneut einen Besuch ab. Diesmal im Kolpingsaal. Dort gab es mehr Platz. Trotzdem mussten bereits eine halbe Stunde vor Beginn zusätzliche Stühle herbeigeschafft werden. Der Andrang war groß, der Wissensdurst entsprechend.

Wenn einer von Gott und der Welt erzählen kann, ohne dass es langweilig wird, dann der vom Fernsehen bekannte Physikprofessor Harald Lesch. Sein Vortrag im September behandelte bereits ein ähnliches Thema: "Gott und die Physiker." Nun drehte er den Spieß um und beleuchtete die Materie gewissermaßen von unten, vom Menschen her. "Was hat das Universum mit uns zu tun", lautete die zentrale Fragestellung. Sie beinhaltete nicht weniger als einen Spaziergang zu den Ursprüngen des Kosmos.

Das Universum – eine unendliche Geschichte? Jedenfalls "die größte Geschichte, die Menschen überhaupt erzählen können". Lesch entfaltete die Milliarden Jahre alte Erfolgsstory unseres Weltalls vor staunendem Publikum – übrigens maßstabsgetreu auch in ihrer räumlichen Ausdehnung. Denn von der Gegenwart des Hier und Jetzt bis zur fernen Vergangenheit des Urknalls legte der Physikprofessor tatsächlich einen kleinen Spaziergang zurück. Munter schritt er die ganze Länge des Podiums ab, um die ungeheuren Dimensionen der kosmischen Zeitläufte zu veranschaulichen.

Es ist ein Vergnügen, Lesch reden zu hören. Genauso lässig wie in seiner Sendung "Alpha Centauri" wirkte er auf das Publikum im Kolpingsaal. Mit dem gewohnten Augenzwinkern erzählte er den 200 Gästen die Geschichte vom Urknall, von der Ausdehnung des Universums, von den allergrößten und den allerkleinsten Dingen.

"Wie sich eine Wildsau in einer Gurkentruppe zu einem Rumpelstilzchen verhält", ungefähr so könne man sich die Physik vor dem Urknall vorstellen. Und ungefähr so meint Harald Lesch das auch. Physik vor dem Urknall sei nämlich Quatsch. Wer darüber ein Buch schreiben möchte, kann vielleicht großen Reibach machen. Aber keine Wissenschaft. Der langen Rede kurzer Unsinn: Es gibt vor der Entstehung des Universums – gar nichts. Der erste Anhaltspunkt für die Existenz von Etwas ist genau zehn hoch minus 35 Meter groß und damit die denkbar "kleinste Struktur, kleiner geht’s nicht."

Doch mit diesem Punkt fing irgendwie alles an. Wie genau, darüber könne auch die Physik nur Hypothesen aufstellen. Jedenfalls entstanden aus ihm die ersten Elemente, Wasserstoff und Helium. Das Periodensystem war bald darauf komplett "wie eine Briefmarkensammlung der DDR – es kam nichts mehr hinzu". Die Materie hatte sich gebildet, der Raum dehnte sich aus. Da sich Masse dem Gesetz der Gravitation unterworfen sieht, kann man sich diesen Prozess vorstellen wie ein großes, immer größer werdendes Netz mit besonders vielen Galaxien an den Knotenpunkten.

Das Verrückte an der ganzen Geschichte ist für Harald Lesch nun, dass es in dem Wechselspiel von Materie und kaltem Kosmos eine Kohlenstoffeinheit gibt, die sich Mensch nennt und Erkenntnisse über die komplexen Zusammenhänge des Universums gewinnen kann. Physik entzaubere die Wirklichkeit also keineswegs. "Wir leben in einer Welt, die so phantastisch ist, dass es einen fast schauert."

Selbst bei diesen hohen Temperaturen, wie sie herrschten, entbrannte im Anschluss noch eine heiße Diskussion. Pater Johannes Haas leitete sie. Das Thema des Vortrags ließ bei allen wissenschaftlichen Erörterungen vor allem eine Frage offen: Ist der Mensch allein im Universum, oder gibt es einen Gott? Harald Lesch winkte ab. Dazu müsse man keinen Astrophysiker befragen. Der Tankwart um die Ecke wisse darüber genauso gut Bescheid.