Eichstätt
Globale Herausforderungen im Blick

Papst erlässt 50-seitiges Papier zur Reform der Arbeit kirchlicher Universitäten Reaktionen aus KU

20.02.2018 | Stand 02.12.2020, 16:47 Uhr

Im Gespräch in der Bildungskongregation im Vatikan: Uni-Präsidentin Gabriele Gien und der Untersekretär Pater Friedrich Bechina. Wir haben mit den beiden über die von Papst Franziskus erlassene Konstitution gesprochen. - Foto: Klenk/upd (Archiv)

Eichstätt (EK) Papst Franziskus will die Arbeit kirchlicher Hochschulen und Fakultäten neu gestalten und aktuellen Herausforderungen anpassen. Das Kirchenoberhaupt hat eine Konstitution veröffentlicht, die sich wie eine Beschreibung der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt liest.

Das Dokument setzt neue Prioritäten für Forschung und Lehre. Andererseits soll es die kirchliche Hochschullandschaft neuen Bildungsreformen wie dem Bologna-Prozess anpassen. Franziskus zufolge gelte es, den Dialog auch mit nichtkatholischen oder nichtreligiösen Fachleuten zu suchen, das Wissen trotz fachlicher Differenzierung und unterschiedlicher kultureller Ausdrucksformen zu bündeln sowie ein Netzwerk von Einrichtungen und Forschungsschwerpunkte zu bilden, die sich auf das Studium der "epochalen Probleme" von heute konzentrieren und dazu "geeignete, realistische Lösungsvorschläge machen". Kurzum: Die kirchlichen Hochschulen mit ihrem ganz eigenen Charisma sollen Papst Franziskus zufolge sich auf allen Gebieten der Wissenschaft offen mit den Theorien auseinandersetzen, interdisziplinär arbeiten und sich verstärkt den globalen Problemen widmen und Lösungsansätze erarbeiten; Franziskus nennt ganz konkret Flucht und Migration.

Die Zeilen aus Rom lesen sich an vielen Stellen so, als wäre die KU die Blaupause für das Papier gewesen. Damit kann sich vor allem Universitätspräsidentin Gabriele Gien in ihrem Arbeiten bestätigt sehen, wie ein leitender Mitarbeiter der für die Erarbeitung des Papiers zuständigen vatikanischen Kongregation für das Bildungswesen, Pater Friedrich Bechina, auf Anfrage unserer Zeitung sagt: "Das Schreiben bedeutet in erster Linie eine Bestätigung der wesentlichsten Entscheidungen und Strategien unserer einzigen Katholischen Universität in Deutschland." Mehr noch: Die KU habe "ja hat eigentlich die Anliegen des Papstes schon durch die eigene Hochschulpolitik vorweggenommen". An der Altmühl selbst reagierte man erfreut auf die Worte des Papstes. "Das Papier greift vieles auf, was in unserem Entwicklungs- und Strategieplan steht", sagte KU-Präsidentin Gabriele Gien. Das Schreiben mache deutlich, dass Vernetzung und Zusammenarbeit wichtige Grundgedanken innerhalb der Katholischen Universitäten seien.

Das Schreiben des Papstes, das den Titel "Veritatis Gaudium (Freude an der Wahrheit)" trägt, legt auch Wert auf eine gute Lehre. "Eichstätt hat sich immer schon durch eine hervorragende Lehre und durch eine sehr hohe Zufriedenheit der Studenten mit dem, was ihnen hier rundum geboten wird, ausgezeichnet", hebt Untersekretär Bechina hervor. Gerade aber auch für eine katholische Universität gehe es darum, "zu zeigen, dass die Botschaft des Evangeliums selbst nicht etwas Langweiliges, Zweitklassiges, Uninteressantes ist". Uni-Präsidentin Gien legte im Gespräch mit unserer Zeitung besonderen Wert darauf, die hohe Qualität und die hohe Qualifikation der Studien, der sich die KU verpflichtet weiß, zu betonen: "Wir wollen Menschen bilden, die Wissenschaftskommunikation können, die die Sprache finden, Wissenschaft in nichtwissenschaftliche Kontexte zu übertragen."

Insgesamt werden in dem Schreiben kirchliches Studium und Forschung als Teil der Mission der Kirche verstanden. Darin müssten alle Gläubigen eingebunden und befähigt werden, nicht nur Kleriker und Experten. Sie soll hineinwirken in die Gesellschaft. "Das entspricht unserer ,Third-Mission-Strategie'", sagte Gabriele Gien. Untersekretär Bechina, der seit 2001 im Vatikan arbeitet, erklärte, dass er die KU hier auf einem guten Weg sehe: "Hier werden tatsächlich Menschen umfassend gebildet, die in der Lage sein sollen die genannte und notwendig ,Revolution der Kultur' aktiv mitzugestalten." Gien erweiterte diesen Gedanken: "Man darf sich hier nicht in erster Linie als alleinige katholische Organisation sehen, sondern muss das im Netzwerk verstehen." Das im kirchlichen Sprachgebrauch als Konstitution erlassene Schreiben - also bindendes Gesetz - betont auch die Gesamtverantwortung der Bischöfe eines Landes für die katholischen Universitäten.

In Bezug auf Eichstätt, wo bislang nur die bayerischen Bischöfe die Hauptlast der kirchlichen Finanzen tragen, sagte Bechina: "Nach meiner nun schon recht langen Erfahrung sind sich die Bischöfe in Deutschland dieser Verantwortung bewusst." Er sei sich sicher, "dass auch die Bischöfe in Deutschland das neue Papstdokument als Ermutigung und Bestätigung sehen werden".

Wissenskultur für eine Welt im Umbruch

Eichstätt (upd) „Die Konstitution ,Veritatis gaudium‘ zeichnet das Bild einer Universität, die sich sozial engagiert, den gesellschaftlichen Realitäten aussetzt und über Fachgrenzen hinweg arbeitet“, sagt der an der KU lehrende Professor Martin Kirschner (Foto: Klenk). Er arbeitet derzeit federführend am Aufbau eines Zentrums an der KU, das sich mit den nun auch in „Veritatis gaudium“ formulierten fächerübergreifenden Fragen von Kirche, Religion und Gesellschaft befassen wird – sowohl aus historischer Perspektive als auch im Blick auf die gegenwärtige Situation. Dies fügt sich ein in den an der KU bestehenden interdisziplinären Austausch über Fächer und Kulturen hinweg, die Etablierung von sozialem Engagement mit wissenschaftlicher Reflexion und einem breiten Angebot, das den Studierenden Gelegenheit zur Persönlichkeitsbildung bietet. In „Veritatis gaudium“ spiele zudem der Dialog mit anderen Konfessionen und Konfessionslosen eine große Rolle. Dabei gehe es auch um das Überbrücken gesellschaftlicher Polarisierung. „Papst Franziskus spricht den kirchlichen Universitäten in diesem Kontext eine strategische Rolle zu – nicht als Bastion der Rechtgläubigkeit, sondern – wie er schreibt – als ,kulturelles Laboratorium‘, in dem vom Glauben inspiriert und in einem breiten Dialog die Wirklichkeit gedeutet und Handlungsperspektiven entwickelt werden.“