Eichstätt
"Ein Raum von großer Einfachheit"

13.05.2015 | Stand 02.12.2020, 21:18 Uhr

Die Kirche Heilige Familie mit Kindergarten und Schwesternwohnheim. Der Kindergarten beherbergt inzwischen ein Pfarrzentrum, nachdem ein Neubau für die Kinderbetreuung errichtet wurde; im Schwesternwohnheim wohnt der Geistliche - Foto: Diözesanmuseum

Eichstätt (EK) Als der damalige Dompfarrer Willibald Scherb in der April-Ausgabe des Pfarrbriefs 1965 auf die bevorstehende Fertigstellung der neu gebauten Kirche Heilige Familie im Osten der Stadt hinwies, war eine Skepsis über das Bauwerk nicht zu überhören: Man werde, so schrieb Scherb, dem Architekten und seinen Mitarbeitern die Anerkennung nicht versagen können, „ganz gleich, wie jemand etwa über modernen Kirchenbau denkt“. Die Moderne habe „nun einmal eigene Gesetze, die man respektieren muß.

Man darf sich nicht erwarten, etwa die Stimmung, die von einer Barockkirche mit ihrem goldenen Glanz und ihren vielen Heiligenbildern ausgeht, wie wir sie in der Schutzengel- oder Walburgiskirche kennen, zu erleben“. Scherb dürfte die Stimmung auch in der Bevölkerung ziemlich deutlich wiedergegeben haben.
 
In einer barocken Stadt wie Eichstätt eine moderne Kirche mit dem Gedankengut des Zweiten Vatikanischen Konzils und dessen Liturgiereform zu bauen hat damals zu heftigen Diskussionen geführt. Auch heute sind diese noch nicht ganz abgeklungen. Von einer „Werkshalle“ war die Rede, und auch noch in Zeiten des Salesianerpaters Alfred Blöth (Pfarrer von 1993 bis 2008) fand sich ein Zettel im Opferstock mit dem Satz: „Für diese greisliche Kirche gebe ich keinen Pfenning“.

Mit dem Neubau hat der damals 41-jährige Baurat Karljosef Schattner, der 1957 das Bauamt der Diözese Eichstätt übernommen hatte, durchaus Mut bewiesen. Denn moderne Kunst war damals im Stadtbild von Eichstätt nicht zu finden. Lediglich in einigen Privathäusern oder auch in Kapellen hinter den Mauern von Internaten oder Klöstern fand man sie.

In dem bewusst nüchtern gehaltenen Kirchenraum fällt das steinerne Kreuz im Altarraum ganz besonders in den Blick. Dem architektonischen Stil der Kirche entsprechend verzichtet es auf die gewohnte Darstellung des leidenden Herrn und enthält stattdessen den aus dem Messritus stammenden Lobpreis Gottes: „Durch ihn und mit ihm und in ihm wird Dir, allmächtiger Vater, in der Einheit des Heiligen Geistes, alle Ehre und Verherrlichung.“

Damit orientierte sich Schattner an den Vorstellungen der Architektur der klassischen Moderne, wie Emanuel Braun in der Festschrift zum Jubiläum „50 Jahre Kirche Heilige Familie“ schreibt: den Sakralraum nur mit der notwendigen liturgischen Einrichtung auszustatten. Durch diese Reduzierung sollte der Raum selbst seine Würde ausstrahlen können. Entwurf und Ausführung der liturgischen Orte Altar, Ambo, Tabernakel, Priestersitz und Taufstein übernahm der Bildhauer Blasius Gerg, Haslach. Den Altar in der Seitenkapelle hat Schattner selbst entworfen. Er sollte der Verehrung der Muttergottes dienen. Vor einer Metallplatte wurde eine gotische Madonnenfigur aus dem 14. Jahrhundert aufgestellt, die das Diözesanmuseum Eichstätt als Leihgabe zur Verfügung stellte. Schattner selbst sprach davon, „mit den konstruktiven Elementen einen Raum von grosser Einfachheit zu schaffen“.

Die Errichtung eines neuen kirchlichen Sprengels im Osten der Stadt war notwendig geworden, als die Stadt nach dem Zweiten Weltkrieg an Einwohnern zunahm, hauptsächlich bedingt durch die Ansiedelung von Heimatvertriebenen und durch neue Einrichtungen, wie der Bayerischen Bereitschaftspolizei. Die Wohnungsbaugesellschaft der Stadt Eichstätt errichtete einige zweigeschossige Wohnanlagen. Ab den 60er Jahren kam die Bebauung des Spindeltals, der Kipfenberger Straße, der Eichendorffstraße und des Gewerbegebietes in der Industriestraße und in der Sollnau hinzu. Auch in Landershofen wuchs die Bevölkerung. Am Haselberg wurde in den 60er Jahren ein großes Neubaugebiet ausgewiesen, in Pfünz entstanden Siedlungen im „Schwemmfeld“.

Die Dompfarrei, zu der das Gebiet damals und bis 1981 gehörte, kam deshalb zu dem Entschluss, eine neue Kirche für etwa 300 Besucher zu bauen. Außerdem sollten ein Kindergarten und ein Schwesternwohnheim errichtet werden. Die Baukosten wurden auf 1,160 Millionen Mark geschätzt, die Schlussrechnung vom 2. Juni 1965 belief sich auf 1,254 Millionen Mark.

Der Weg in die kirchliche Eigenständigkeit begann allerdings bereits im Jahr 1972. Dazu musste die Dompfarrei ihre Zustimmung geben und die Gemeinde Landershofen sich bereit erklären, aus der Pfarrei Pietenfeld ausgegliedert zu werden. Am 1. Januar 1972 wurde die Tochterkirchengemeinde Heilige Familie, die sogenannte Kuratie, kanonisch errichtet, wozu auch die Zustimmung des Bayerischen Kultusministeriums notwendig war.

Die Urkunde, mit der die Kuratie zur selbstständigen Pfarrei erhoben wurde, stellte Bischof Alois Brems am 7. Juli 1981 aus.

Die Seelsorge wurde dem Orden der Oblaten des hl. Franz von Sales mit ihrem Sitz im Rosental übertragen. Erster Seelsorger war Pater Leopold Mühringer (Kurator von 1971 bis 1981, Pfarrer bis 1993). Ihm folgte Alfred Blöth. Seit 2008 ist Günther Schmid Pfarrer der Heiligen Familie.

Und er fühlt sich in dem Gotteshaus „sehr wohl“. Gerade die Schlichtheit der Kirche und der Verzicht auf fast jeden Schmuck ließen, so Schmid, ein intensives Gebet zu. „Ich bin dann durch nichts abgelenkt“ sagt er. So geht es auch anderen Gläubigen, die genau aus diesem Grund die Kirche zum Gebet aufsuchen. Was allerdings als störend empfunden wird, ist der Verkehrslärm an der Kreuzung Spindeltalstraße/Kipfenberger Straße. „Aber dafür“, so Schmid, „kann der Bau nichts.“