Eichstätt
Das fahrende Klassenzimmer

Ein Bauwagen dient den Schülern des Kinderdorfs Marienstein als mobiler Unterrichtsraum

29.01.2018 | Stand 02.12.2020, 16:53 Uhr

Rückzugsort und Klassenraum: Der Bauwagen des Kinderdorfs Marienstein hatte seinen Stellplatz schon im Tiefen Tal und an der Willibaldsburg - nun steht er am Pater-Philipp-Jeningen-Platz. Von diesem Standort aus können die Schüler auf spielerische Art Eichstätt erkunden, beispielsweise mit einem Stadtquiz. - Foto: Hausmann

Eichstätt (EK) Unterricht auf Rädern: Seit September 2017 ist das mobile Klassenzimmer des Kinderdorfs Marienstein unterwegs. Derzeit steht es am Pater-Philipp-Jeningen Platz in Eichstätt - ein Modell des praxisorientierten Lernens.

Warme Luft strahlt aus dem Gasheizer in den kleinen Raum, auf dem Tisch liegt eine Karte der Innenstadt und helle Kinderstimmen werden in die Januarluft nach draußen getragen. Zweimal die Woche besuchen die Klassen des Kinderdorfs Marienstein das mobile Klassenzimmer am Pater-Philipp-Jeningen-Platz, einen kleinen, blau angestrichenen Bauwagen. Ein bisschen erinnert er an Peter Lustigs Unterkunft aus der Fernsehserie "Löwenzahn".

"Das mit dem Bauwagen war ursprünglich eine ganz fixe Idee", erzählt Wilhelm Schütz vom Förderzentrum für emotionale und soziale Entwicklung des Kinderdorfs, "er sollte ein Unterschlupf für kältere Tage sein und einfach unser ganz eigener Bereich werden." Den Container habe er durch Zufall entdeckt und den Besitzer gefragt, ob er ihn der Schule überlassen würde. Bevor der Bauwagen einsatzbereit war, musste er erst vollständig saniert werden; die älteren Schüler halfen beim Streichen und Abschleifen. Der Pater-Philipp-Jeningen-Platz ist seit der Einweihung im September 2017 mittlerweile der dritte Standort nach dem Wald im Tiefen Tal und der Willibaldsburg.

Die Leiterin der dritten Klasse, Michaela Hell, verbrachte vergangene Woche zwei Vormittage mit den Schülern am Bauwagen. "Die Schüler freuen sich schon immer im Voraus darauf. Sie bekommen so viele Freiräume geboten, die es im Klassenunterricht nicht gibt." Dennoch ist der Aufenthalt im mobilen Klassenzimmer am Lehrplan orientiert und richtet sich nach der Klassenstufe - so gibt es beispielsweise ein Stadtquiz für die dritte Klasse, während die siebte Klasse die Geschichte der Eichstätter Kirchen behandelt.

Die mit acht Schülern überschaubare Gruppe durfte am ersten Tag mit den beiden Lehrern und der pädagogischen Schulbegleitung den Ort erkunden und am zweiten Tag alleine Aufgaben lösen. Die Lehrer möchten sich so weit wie möglich zurückhalten. Vertrauen sei das grundlegende Element, betont Schütz.

"Jeder kann Fähigkeiten zeigen, die sonst nicht hervortreten", so Schütz. Die Gemeinschaft in der ganzen Klasse werde gefördert und Gruppen aufgelöst. Die Lehrer bemerken den Erfolg des Konzepts: Die Kinder arbeiten motiviert mit und zeigen im regulären Unterricht großes Interesse für Themen, die im mobilen Klassenzimmer behandelt wurden. "Normalerweise bringt man das Leben in die Schule rein und zeigt zum Beispiel einen Ast aus dem Wald, aber hier machen wir das genau umgekehrt", erzählt Schütz. Manchmal werden die Kinder auch mit Ferngläsern und Lupen ausgestattet. "Die Schüler entdecken das, was sie entdecken wollen", so Hell.

Ohne Spenden hätte das Projekt aber nicht funktioniert: Dr. Florian Weinhofer übergab aus der Kasse der Privatinitiative "Bürger für den Adventsmarkt" 1500 Euro, die Sparkasse 1000 Euro und der Lions-Club 500 Euro für den Bauwagen. Außerdem gab es eine weitere Spendenaktion, bei der Eichstätter Geschäfte Miniatur-Bauwagen eines Werklehrers des Kinderdorfs Marienstein verkauften. Hierbei kamen noch einmal 500 Euro zusammen. Schütz sei offen für neue Anfragen oder Standortvorschläge: "Dieses Schuljahr ist noch Testphase, wir wollen das Projekt weiterführen und ausbauen." Er würde sich Kooperationen mit Schulen, Institutionen, Firmen und der Universität wünschen. Denn die Schüler sollen nicht nur den Ort kennenlernen, sondern auch die Menschen. Als Nächstes wollen die Buben und Mädchen am liebsten in die Nähe der Altmühl - das sei auch im Sinne von Schütz. Ab Ostern möchte er das mobile Klassenzimmer auf der Seminarwiese platzieren.