Eichstätt
Geduld und Ausdauer

Die Caritas zieht nach der Schließung der Erstaufnahmeeinrichtung Bilanz über die Beratungen

11.08.2017 | Stand 02.12.2020, 17:39 Uhr

Ein junger Somalier war einer der letzten beratenen Asylbewerber von Caritas-Mitarbeiterin Eva Dengler in der Erstaufnahmeeinrichtung am Eichstätter Residenzplatz. ‹ŒArch - foto: Esser/Caritas

Eichstätt (EK) Gut 2650 Asylbewerbern aus 26 Nationen hat die Caritas in der Dependance der Erstaufnahmeeinrichtung in der ehemaligen Maria-Ward-Realschule am Residenzplatz in Eichstätt geholfen. Seit fast zwei Wochen ist die Einrichtung geschlossen. Zeit für eine Bilanz aus dieser Sicht.

Drei Mitarbeiter der Caritas-Kreisstelle Eichstätt haben seit November 2014 die Asylsuchenden beraten. Viele von ihnen lebten mit Kindern in der Unterkunft. Seit Ende 2016, als die Schließung der Dependance bereits absehbar war, war nur noch Eva Dengler in der Unterkunft verblieben. Die Lebensgeschichten waren für die Sozialpädagogin prägend: "Die Nachrichten sitzen in meinem Büro", bringt die Eichstätterin ihre Erfahrungen auf den Punkt. Dazu zählen Erlebnisse von Menschen, die ihr bei der Beratung vom Tod eines Angehörigen am Vortag im Boot auf dem Mittelmeer berichteten, ebenso wie Ängste von Afghanen vor Ablehnungen und Abschiebungen.

Menschen aus Afghanistan waren Eva Dengler zufolge im vergangenen Jahr mit Abstand die am meisten beratene Bevölkerungsgruppe in der Erstaufnahmeeinrichtung. "Ihre Furcht davor, in ein Land voller Gewalt abgeschoben zu werden, war auch bei uns ständig spürbar", sagte Dengler. Hier ähneln die Erfahrungen der Caritas-Mitarbeitenden in dieser Unterkunft denen ihrer Kolleginnen und Kollegen der dezentralen Asylberatung. Diese hatten dazu geführt, dass sich der Caritasverband Eichstätt im März mit einer öffentlichen Stellungnahme dafür aussprach, zumindest derzeit keine afghanischen Asylsuchenden abzuschieben. "Natürlich geht einem vieles selbst unter die Haut", bekennt die Frau.

Und wenn sie von Angesicht zu Angesicht mit dem Schicksal von zu Tode gekommenen Bootsflüchtlingen konfrontiert wurde, "dann kann man allenfalls dadurch helfen, dass man zuhört und einfach da ist". In der Regel sei es bei den Beratungen aber darum gegangen, die geflüchteten Menschen sachlich über ihre Möglichkeiten zu informieren und entsprechende Hilfen einzuleiten. In manchen Fällen ging das recht schnell, "zum Beispiel, wenn wir sie in unsere Caritas-Kleiderkammer in der Weißenburger Straße schickten". Lange dauerten dagegen oft Unterstützungen für medizinische Hilfen. "Einmal vermittelten wir eine Frau mit einer Risikoschwangerschaft nach München in eine Klinik. Nach einem Kaiserschnitt musste dann auch noch das geborene Kind operiert werden. Hierbei waren unzählige Gespräche mit Ärzten, der Regierung und anderen nötig: etwa darüber, dass die Frau zunächst auch dort ihr Taschengeld aus Eichstätt ausbezahlt bekam und schließlich, dass sie wieder nach Eichstätt zurückkommen konnte, was sie wollte", schildert die Caritasberaterin einen Fall.

Viel Ausdauer hätten auch Verfahrensberatungen gefordert. "Um die Asylsuchenden auf ihre Anhörungen beim Bundesamt vorzubereiten, haben wir mit vielen spezielle Trainings durchgeführt. Dabei regten wir sie unter anderem an, ihre Verfolgungserfahrungen zu ihrem Vorteil möglichst detailliert zu schildern, auch wenn dies persönlich unangenehm war", berichtete die Sozialpädagogin.

Das meistgenutzte Wort in der Unterkunft ist nach Erfahrung der Caritasmitarbeiterin "Transfer" gewesen. "Einige konnten es kaum abwarten, in eine dezentrale Unterkunft zu kommen - zum Teil auch, weil sie in einer Erstaufnahmeeinrichtung nicht selbst kochen dürfen. Vielfach kamen für den Transfer allerdings die Bescheide nicht rechtzeitig an, was immer wieder zu Unmut führte", erzählte Dengler. "Es gab aber auch Leute, die in Eichstätt bleiben wollten, weil sie hier in kurzer Zeit Anschluss an die Bevölkerung gefunden hatten - zum Beispiel im Sportverein -, und die über ihren Transfer dann traurig waren." Wie andere hat auch Dengler die Erstaufnahmeeinrichtung am Residenzplatz durchaus als Vorzeigeobjekt für Flüchtlingsunterkünfte schätzen gelernt: "Von den kurzen Wegen in Eichstätt über ein tolles ehrenamtliches Engagement, besondere Projekte wie Extra-Schulklassen für die Bewohner, eine große Spendenbereitschaft von zum Beispiel Fahrrädern und Koffern und vielfältige Kooperationen verschiedener Gruppierungen", deutet sie einige Punkte an.

Eva Dengler ist nun für den Sozialpsychiatrischen Dienst der Caritas-Kreisstelle Eichstätt tätig. "Die Erfahrungen in der Erstaufnahmeeinrichtung waren für mich sehr prägend, aber jetzt möchte ich beruflich in einen anderen Bereich Einblick bekommen, der mich sehr interessiert." Ehrenamtlich wird die Eichstätterin aber auch in der Flüchtlingsarbeit tätig bleiben, indem sie einen jungen afghanischen Asylbewerber als Patin betreut.