Eichstätt
Die Ndrangetha ist auch in bayerischen Kleinstädten aktiv

Der pensionierte Eichstätter Polizist Peter Chloupek engagiert sich für die Berliner NGO Mafia Nein Danke e.V.

29.04.2019 | Stand 02.12.2020, 14:05 Uhr
Bei großen Razzien wie dieser im vorigen Dezember gegen die Ndrangetha in einer Duisburger Eisdiele gerät die Mafia in Deutschland immer wieder in die Schlagzeilen. −Foto: Christoph Reichwein/dpa

Eichstätt (chl) Der pensionierte Eichstätter Polizeibeamte Peter Chloupek (73) könnte seinen Ruhestand ganz privat genießen. Stattdessen engagiert er sich in dem noch jungen Verein "Mafia Nein Danke e. V".

Die NGO, die 2007 nach den Mafia-Morden in Duisburg von Italienerinnen und Italienern in Berlin gegründet wurde, engagiert sich dafür, die kriminellen Machenschaften der italienischen Mafia-Organisationen in Deutschland an die Öffentlichkeit zu bringen.

Was geht die ominöse Mafia den normalen Bürger in einer bayerischen Kleinstadt an? Eine ganze Menge: "Letztlich gefährdet die Mafia mit ihren Strukturen unsere Demokratie. " Das machte Chloupek in seinem Vortrag im Wirtshaus "Zum Gutmann" vor rund 60 Zuhörern deutlich.

Die sizilianische Cosa Nostra, die neapolitanische Camorra, die kalabrische Ndrangheta und die apulischen Sacra Corona Unita agieren seit den 1960er-Jahren und heutzutage verstärkt in Deutschland, allen voran die Ndrangheta, die auch das Weltmonopol auf den Kokainhandel innehat. Der Referent nannte hier zahlreiche Belege seriöser Recherchen von Journalisten und verschiedener italienischer und deutscher Staatsanwälte und Ermittler. Und er hatte zudem eigene Beispiele parat - so hatte sich eine Brandstiftung in einer Pizzeria im nahen oberpfälzischen Velburg im Nachhinein nachweislich als eine Tat der Mafia entpuppt.

Dass tatsächlich die Mafia in deutschen Kleinstädten aktiv ist, sei viel zu lange von Behördenchefs und Polizeioberen geleugnet worden. Das ändere sich nun endlich.

Der Referent verwies hier auf den Mut der Leiterin der Abteilung für Organisierte Kriminalität im Bundeskriminalamt, Sabine Vogt, die im Februar 2018 öffentlich gemacht hatte, dass sich die Zahl der Mafia-Mitglieder in Deutschland binnen einem Jahrzehnt mehr als vervierfacht habe: Bekannt seien 353 Mitglieder der Ndrangetha, 125 der Cosa Nostra und 91 der Camorra, "die Dunkelziffer dürfte weitaus höher sein", bemerkte Vogt und stellte fest: "Vielen ist gar nicht bewusst, welchen Einfluss, welche Macht die Mafia auch hierzulande hat. " Auch der EICHSTÄTTER KURIER hatte im Februar 2018 darüber berichtet. Der Jahresumsatz, den die Ermittler aus den illegalen oder durch Korruption begünstigten Geschäften errechnen, liegt bei insgesamt 140 bis 180 Milliarden Euro.

Ein Normalbürger habe keine Chance, den kriminellen Hintergrund eines Mafioso zu erkennen, wenn dieser sich nicht als solcher zu erkennen gibt, so Chloupek. Und doch wirkten sich die Machenschaften der Mafiaorganisationen auf jeden Bürger aus: etwa wenn Geldwäsche-Investitionen der Mafia in Immobilien dazu führen, dass in deutschen Ballungsräumen die Mieten steigen und Wohnen für Normalbürger nicht mehr finanzierbar ist. In nahezu allen Großbauprojekten habe die Mafia ihre Finger im Spiel, treibe die Preise hoch und behindere die Arbeiten - selbst wenn das den politischen Entscheidungsträgern bisher oft zu wenig bewusst sei.
In letzter Zeit liest die Öffentlichkeit nun immer wieder von Ermittlungserfolgen - wenn etwa ein Containerschiff mit tonnenweise Kokain in Hamburg aufgebracht oder in Duisburg eine große Geldwäsche-Razzia durchgezogen wird.

Dennoch sehen die Fachleute noch großen Handlungsbedarf in Deutschland: "Deutschland ist eine Hochburg der Ndrangetha", zitiert Chloupek den italienischen Mafia-Jäger und Oberstaatsanwalt Nicola Gratteri. Die Drogenmilliarden würden nach wie vor in Deutschland und anderen europäischen Staaten angelegt. "Die Ndrangheta investiert in Deutschland gerne in Restaurants, weil sie diese als Basis nutzt. " Gratteri sieht die Hauptziele der Mafia in Deutschland neben dem Rauschgift-, Waffen- und Menschenhandel in der Geldwäsche mit Investitionen in die legale Wirtschaft, im Subventionsbetrug, dem Organisieren der Schwarzarbeit, des Menschenhandels und verstärkt auch der Müllentsorgung als ein Milliardengeschäft.

Wie kann die Mafia nun wirkungsvoller bekämpft werden? Es müsse europaweit einheitlich gehandelt werden, hier seien mehr Transparenz und verstärkter Einsatz gegen Korruption gefordert. Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichte müssten personell mit Fachleuten ausgestattet werden und entsprechende Rechtsmittel an die Hand bekommen.

Der Verein Mafia Nein Danke setzt hier auf Aufklärung und Sensibilisierung, weshalb der pensionierte Polizist bei Interesse seinen Vortrag auch gerne in Schulen halten wird.