Eichstätt
Die Befreiung vom Überfluss

Der Postwachstumsökonom Niko Paech zu Besuch in Eichstätt

14.09.2018 | Stand 23.09.2023, 4:05 Uhr
Der Star des Abends, Niko Paech, im Spiegelsaal: Eva Ehard, Diözesanvorsitzende Kolpingwerk, Lisa Amon vom Referat für Schöpfung und Umwelt der Diözese, Professor Dr. Niko Paech, Rita Böhm, stellvertretende Landrätin, Andreas Birzer, Vorsitzender des Kolping-Erwachsenen-Bildungswerkes (von links). −Foto: Kommer

Eichstätt (EK) Der Spiegelsaal des Landratsamts ist bis auf den letzten Platz und sogar bis in die Gänge gefüllt. Junge und alte Menschen warten gespannt auf Deutschlands berühmtesten und auch umstrittenen Wachstumskritiker Professor Niko Paech, der einen Vortrag zum Thema "Mehr Leben - weniger Konsum" halten soll.

Der Forscher lehrt an der Universität Siegen und macht sich für die Veränderung des persönlichen Lebensstils und eine radikale wirtschaftliche Neuausrichtung stark. Die Veranstaltung im Spiegelsaal hatten die Diözese Eichstätt und das Kolping-Erwachsenenbildungswerk im Rahmen der bayerischen Klimawoche organisiert. Nach ein paar kurzen Grußworten von den Organisatoren legt Niko Paech los. Er hat eine Stunde Zeit, um das Publikum von seinen Thesen zu überzeugen und eine weitere Stunde, um in der Diskussion Fragen zu beantworten.

Während die meisten Volkswirte eher trockene bis langweilige Vorträge halten, zieht Niko Paech die Zuhörer sofort in seinen Bann. Das liegt zum einen an seiner witzigen, freien und verständlichen Art zu sprechen. Zum anderen daran, dass er in dem, was er predigt, authentisch ist: Er selbst fährt mit der Bahn, trägt eine reparierte Hose und sei erst einmal in seinem Leben geflogen, wie er berichtet. Das macht ihn vor allem für junge Leute glaubhaft.

Gleich zu Anfang seines Vortrags macht Paech deutlich, dass der vorgegebene Titel "Mehr Leben - weniger Konsum" seinen Thesen gar nicht weit genug geht: "Nicht nur weniger Konsum, sondern vor allem weniger Mobilität ist Voraussetzung für eine erhebliche Minderung unseres CO2-Ausstoßes", so Paech. Vor allem Flugreisen und Kreuzfahrten seien die Klimakiller und Kohlenstoffdioxid-Schleudern unserer Zeit.

Der Ausgangspunkt des Vortrags ist, dass die Menschen ihren CO2-Ausstoß signifikant verringern müssen, wenn sie einen ökologischen und klimatischen Kollaps vermeiden wollten. In Deutschland bedeute dies eine Verringerung von derzeit 12 Tonnen auf 2,5 Tonnen pro Kopf und Jahr. Um dieses Ziel zu erreichen, müsse ein kultureller Wandel stattfinden. Nicht durch technischen Fortschritt und so genanntes "grünes Wachstum", sondern nur durch das Schrumpfen unserer Wirtschaft sei dies möglich, so Paech. Ziel sei dabei, das Bruttoinlandsprodukt innerhalb von 15 Jahren schrittweise zu halbieren.

"Wir müssten uns wieder Techniken der Selbstversorgung aneignen und Genügsamkeit lernen", so Paech weiter. Durch eine 20-Stunden-Woche bezahlter Arbeit wäre es möglich, dass sich jeder weitere 20 Stunden mit Selbstversorgung, Reparaturen und anderen Eigenleistungen beschäftigen könne, die gleichzeitig die eigene Abhängigkeit von Konsumgütern verringere. "Selbst produzieren, reparieren und gemeinschaftlich teilen heißt weniger Geld und weniger Produktion. Es heißt aber auch mehr Zufriedenheit. Die Industrialisierung hat übersehen, dass wir haptische Erlebnisse und Selbstwirksamkeit brauchen, um glücklich zu sein", so Paech.

Die Akteure des Wandels seien alle Menschen, jeder könne auf seiner individuellen Ebene etwas tun, um neue CO2-sparende Lösungen wie Repaircafés, gemeinschaftliche Wohnprojekte, Carsharing, solidarische Landwirtschaften oder ein Leben der kurzen Wege zu verbreiten.

Mit Thesen wie diesen eckt Niko Paech an. Klassische Wachstumsökonomen bezeichnen ihn als Spinner oder werfen ihm fragwürdige Konzepte in seiner Forschung vor. Niko Paech ist eine Rampensau, er polarisiert.

Dass trotz seiner provokanten Thesen so viele Zuhörer ihren Weg in den Spiegelsaal finden, freut Lisa Amon von der Diözese, die durch den Abend leitet. Sie bedankt sich im Namen der Veranstalter bei Niko Paech und eröffnet die Diskussion. Im Spiegelsaal ist von kritischen Stimmen nichts zu hören. Nach einem langen Applaus entspinnt sich eine ihm wohlgesonnene Diskussion.

Johanna Umbach